Folgenreichste Vergiftung während der letzten 30 Jahre

Chemieunfall in Oberbayern

Am Abend des 6.3.12 kam es um 19.45 Uhr zu einem Brand in einem Produktionsgebäude des Gendorfer Werkes der Clariant AG.

Das Feuer hatten die Feuerwehren nach wenigen Minuten unter Kontrolle gebracht, aber auf zunächst ungeklärte Weise gelangten 800kg bis max. 1000kg Genamin – ein Waschmittelrohstoff – in die benachbarte Alz. Die erste Erklärung war, dass der Stoff durch das Löschwasser in den Vorfluter geschwemmt wurde. Diese Version wird auch von InfraServ GmbH & Co. Gendorf KG, dem Betreiber des „Industriepark Werk GENDORF“ in der Pressemitteilung vom 9.3.12 vertreten, wobei darauf verwiesen wird, dass „das Werk seit Jahren hohe Sicherheits- und Umweltstandards einhält und immer alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze der Umwelt unternommen hat.“ Dass dem nicht so ist, lesen wir im RegioWiki für Niederbayern und Altötting unter dem Suchwort „Alz„:

„Infolge eines Unfalls im damaligen Hoechst-Werk Gendorf verpesteten am 9. März 1983 rund 200 Kilogramm Amine die Alz. Mehrere tausend tote Fische waren die Folge. Von zwei Tonnen Fischkadavern war in der damaligen Ausgabe der Heimatzeitung zu lesen.“

Leidet Clariant AG, die 1997 das Spezialchemikaliengeschäft der Hoechst AG und damit das Werk Gendorf gekauft hat, unter Gedächnisverlust oder hofft sie auf denselben bei den Lesern?

In der InfraServ-Pressemitteilung heisst es auch: „Genamin ist als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft, aber biologisch leicht abbaubar.“
Offenbar soll der Nebensatz beruhigen. Das ist angesichts 6 Tonnen toter Fische, die die Feuerwehren innerhalb fünf Tagen aus dem Fluss bergen mussten, kaum möglich; die Fischer sprachen zur gleichen Zeit sogar von 12 Tonnen toter Fische. Die „Passauer Neue Presse“ berichtete am 8.3.12 von der Sorge der Ornithologen und Umweltschützer, dass sich Wasser- und Greifvögel entlang der 14km Alz bis zum Inn über die Aufnahme der Fische ebenfalls vergiften könnten, denn Genamin konnte auch in noch lebenden Fischen nachgewiesen werden.
Das Landratsamt gab eine eine offizielle Warnung heraus, entlang des Flusses Grundwasser zu entnehmen. Allerdings sei die Trinkwasserversorgung nicht gefährdet. Für die Zukunft teilt der BUND diese Auffassung  jedoch nicht.

Am 12.3.12 meldete die Passauer Neue Presse mit Bezug auf eine Erklärung des Landratsamtes, dass das Genamin LA 302 D nicht über das Löschwasser in die Alz gelangte. Der Weg, den das Gift genommen hat, sei aber weiter unklar.

Am 24.3.12 teilte Landrat Erwin Schneider beim 12. Landrats-Diskurs mit, dass die „Sicherheitsvorkehrungen verbessert werden müssten“, und dass „erste bauliche Veränderungen am Werk bereits vom Landratsamt genehmigt und von der Industrie in die Wege geleitet“ sind. Das ging schnell: Analyse der Ursachen für den Störfall, Planung der technischen Lösung, Bauantrag stellen, bearbeiten und genehmigen und die Veränderungen in die Wege leiten. Oder waren die Schwachstellen und Lösungsmöglichkeiten schon lange bekannt?

Eine mögliche Erklärung dafür liefert der Alt-Neuöttinger Anzeiger am 30.3.12: Dr. Christian Magerl, der Vorsitzender des Umweltausschusses, hat das Werk selbst besucht und erfahren, dass es bereits vor dem Brand einen anderen Störfall gegeben hat. Dieser hat dazu geführt, dass die Notsysteme des Werkes Alarm gegeben und das Kühlwasser zeitweise in die Rückhaltebecken umgeleitet haben. Demzufolge waren die Schieber und/oder Rückhaltebecken zum Zeitpunkt des Brandes nicht voll einsatzbereit. Das sei der Grund dafür, dass das Kühlwasser erst 13 Minuten nach der Brandmeldung vollständig in die Becken gepumpt werden konnte.
Ausserdem sind die Messsonden im Kühlwasserkanal falsch – am Boden – angebracht während das Genamin in erster Linie obenauf schwimmt. Die Sensoren können daher den Schadstoff, den sie überwachen sollen, nicht (vollständig) registrieren.

Es fragt sich, ob die Anbringung bewusst gewählt wurde, um niedrigere Messwerte zu liefern? Immerhin kann die Überschreitung von Grenzwerten für Einleiter von Wasser in Vorfluter teuer werden.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Störfalles steht noch am Anfang. …