Offener Brief an Ministerin Anita Tack in Sachen Hassleben

20. Juni 2013

Eckehard Niemann
Vertreter der
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)

In der Koordination des
Bürgerinitiativen- und Verbände-Netzwerks „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“
Varendorfer Str. 24
29553 Bienenbüttel
0151-11201634

Frau Ministerin
Anita Tack
Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
Heinrich-Mann-Allee 103
Haus 45
14473 Potsdam

Nachrichtlich an:

Katja Kipping
Partei DIE LINKE, Parteivorsitzende
Bundestagsbüro Berlin
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Bernd Riexinger
Partei DIE LINKE, Parteivorsitzender
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Caren Lay
Partei DIE LINKE, Stellvertretende Parteivorsitzende
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Sahra Wagenknecht
Partei DIE LINKE, Stellvertretende Parteivorsitzende
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Jan van Aken
Partei DIE LINKE, Stellvertretender Parteivorsitzender
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Axel Troost
Partei DIE LINKE, Stellvertretender Parteivorsitzender
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Matthias Höhn
Partei DIE LINKE, Bundesgeschäftsführer
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Prof. Dr. Wolfgang Methling
Partei DIE LINKE, Parteivorstand
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin

Enno Rosenthal
Partei DIE LINKE, Vorsitzender der AG Agrarpolitik
Kreisgeschäftsstelle Neuruppin
Schinkelstraße 13
16816 Neuruppin

Leiter der Arbeitsgruppen innerhalb der AG Agrarpolitik:

Dr. Wolfgang Jahn,
Prof. Dr. Klaus Schmidt,
Marit Wagler,
Dr. Hans Watzek,
Tilo Kummer,
Jens-Eberhard Jahn,
Dr. Johanna Scheringer-Wright,
Dr. Dieter Schultz,
Marianne König,

Genehmigung einer Mega-Schweinemastanlage im brandenburgischen Haßleben/Uckermark

Sehr geehrte Frau Ministerin Tack,

den folgenden Offenen Brief von Mitgliedern unseres Netzwerks, den ich voll unterstütze, leite ich gern an Sie weiter – angesichts der Dringlichkeit bitte ich um Verständnis, dass dies per Mail geschieht:

„DIE LINKE sieht den sozial-ökologischen Umbau in Deutschland und Europa als eines ihrer entscheidenden Ziele und als wesentliche Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen an.“

Dieser Satz findet sich im Parteiprogramm der LINKEN auf Seite 47.

Eine anstehende Genehmigung der Mega-Schweinemast- und Ferkelzuchtanlage in Haßleben ist nicht mit diesem Programm vereinbar. Wir bitten Sie um eine Stellungnahme zu allen folgenden Punkten, die wir direkt Ihrem Parteiprogramm entnommen haben:

  • Ihr Programm fordert Gleichheit der Nutzungsrechte und Gleichheit der Schutzpflichten (für die Natur) ein.
    Wir finden, die Anwohner Haßlebens haben ein Recht auf selbstbestimmtes Leben ohne Gestank, Gesundheitsgefährdung und Lärm durch Megaställe, damit sie ihre Region nachhaltig nutzen können. Die Genehmigung eines Megastalls schließt die Nutzung durch Tourismus und Gesundheitswirtschaft sowie ökologische Lebensmittelerzeugung in der Nachbarschaft und der Region aus. Gerade die Uckermark bietet aber von ihrer Naturausstattung ein erhebliches Potential, von dem viele Bürger profitieren können anstatt einzelner Großinvestoren. Nachhaltige und qualifizierte Arbeitsplätze werden durch die Mastanlage nicht geschaffen.
  • DIE LINKE setzt sich (gemäß dem Programm) für den Schutz freilebender und in Obhut des Menschen lebender Tiere ein, insbesondere für die artgerechte Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere (…). Sie fördern (gemäß dem Programm) eine deutliche Steigerung des ökologischen Landbaus und fordern ein ökologisches Wirtschaften aller Betriebe.
    Eine Genehmigung der Mega-Schweinemast Haßleben ließe diesen Passus zum Hohn verkommen.
  • Nach Ihrem Parteiprogramm sind regionale Wirtschaftskreisläufe zu schaffen.
    Wir finden, Import von Gensoja aus armen Regionen Südamerikas und Gewinnabschöpfung eines Großinvestors aus den Niederlanden stehen dem entgegen.
  • Gemäß Ihrem Programm geht es nicht nur darum, die Verpflichtungen im Rahmen der Entwicklungsziele der UNO zur Minderung von Armut, Hunger, Kindersterblichkeit, Analphabetismus, Unterentwicklung und Umweltzerstörung einzuhalten, sondern wegweisend voranzuschreiten.
    Wir finden, großflächige Abholzung von Wäldern zum Sojaanbau für brandenburgische Mega-Schweinemastanlagen, Entrechtung und Vertreibung der Landbevölkerung in Südamerika sind genau das Gegenteil. Die Fleischerzeugung führt darüber hinaus global zu steigenden Lebensmittelpreisen, was überwiegend Menschen in armen Ländern trifft.
  • Ihr Programm nennt eine deutlichen Reduktion von Stoff- und Energieumsätzen als „allgemein akzeptiertes Ziel“.
    Eine Genehmigung der Schweinemast Haßleben würde deutlich machen, dass selbst die LINKEN dieses Ziel nicht allgemein akzeptiert haben. Unter hohem Energieaufwand wird überflüssiges Schweinefleisch produziert, denn Deutschland hat bereits eine Überversorgung.
  • Ihr Programm konstatiert, dass entscheidend sei, dass der ökologische Fußabdruck eines jeden im global zulässigen Rahmen bleibt.
    Sind Ihrer Meinung nach nur die Menschen gemeint, die die Mastanlage erdulden müssen, oder auch der Investor. Die Übertragung ökologischer Fußabdrücke auf Kapitalgesellschaften wäre ein nicht akzeptabler Trick, meinen wir.
  • Eine an sozial-ökologischen Zielen ausgerichtete Wirtschaft strebt nicht Wachstum um des Wachstums willen an. Ein steigendes Bruttoinlandsprodukt führt nicht automatisch zu mehr Wohlstand.
    Dieses Zitat aus Ihrem Programm zeigt die Notwendigkeit auf, die Mega-Mast Haßleben nicht zu genehmigen.
  • DIE LINKE setzt sich (gemäß dem Programm) dafür ein, die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland ohne Vorbedingungen bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 zu halbieren. Auf ihre Senkung um mindestens 90 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts wollen wir hinwirken.
    Wir weisen Sie auf folgenden Umstand hin: Direkt wirksame Treibhausgase wie Methan und Lachgas kommen in erheblichen Mengen aus der Intensiv-Tiermast. Dasselbe gilt für das indirekt treibhauswirksame Ammoniak, das aus Ställen, Gülle und Gärresten emittiert wird. Ammoniak fördert die Bildung und Lebensdauer direkt klimawirksamer Gase. Mit einer Genehmigung der Megaställe wird also genau das Gegenteil erreicht.
  • Darüber hinaus ist aus unserer Sicht eine erneute Auslegung der Unterlagen und eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich, da es seit 2004 mehrfach zu substantiellen Änderungen am Antrag gekommen ist. Die Öffentlichkeit bei wesentlichen Entscheidungen zu beteiligen, die ihr Leben massiv beeinflussen können, halten wir für selbstverständlich im Rahmen LINKER Politik.

Wir bitten Sie, angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl, uns ganz konkret zu den genannten Punkten Ihre Auffassung als Umweltministerin des Landes Brandenburg darzulegen und den Bezug Ihrer Auffassung zum Parteiprogramm zu erläutern. Bitte teilen Sie uns mit, wie Sie dies im Falle Mega-Schweinemast Haßleben umzusetzen gedenken. Auch würden wir gern wissen, wie Ihr Handeln und Ihre Auffassung zu den o. g. Punkten mit dem Plan B der LINKEN zusammenpasst. Falls Sie Ihren eigenen Plan A haben, lassen Sie uns das bitte auch wissen.

In diesem Rahmen fordern wir Sie auf, Ihren Einfluss geltend zu machen und die Mega-Schweinemast Haßleben nicht zu genehmigen. Dafür gibt es genügend rechtliche Möglichkeiten, die Sie nur ausschöpfen müssen: Tierschutz, Brandschutz, Wasserschutz, Ihr eigener Gärreste-Erlass, FFH Richtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, Verpflichtung der Bundesrepublik zu Höchstmengen für Stickstoffeinträge etc.

Mit freundlichen Grüßen

Eckehard Niemann

 

siehe auch: Stellungnahme von MdB Dr. Kirsten Tackmann auf NACHHALTIG LINKS v. 25.6.2013

1 Gedanke zu „Offener Brief an Ministerin Anita Tack in Sachen Hassleben“

  1. Werte Genossinnen und Genossen, vor der letzten Wahl habe ich mich zur Entscheidungshilfe bei unserem Kandidaten der Partei die Linke (Torsten Krause) nach der Position der Partei zu Haßleben erkundigt. Die Antwort kam aus der Region Angermünde. Sie war eine uneingeschränkte Zustimmung für die industrielle Schweinemast in Haßleben, und das mit Argumenten, die wissenschaftlich und ökonomisch nicht zu rechtfertigen waren. Eine Regionalgruppe taktierte so gegen die damalige Position der eigenen Partei. Es blieb nur, „ungültig“ zu wählen.

    Gleiches müsste man dem Freundeskreis für die Wahl im September empfehlen, wenn die Zustimmung zur Industriemast Haßleben nicht rückgängig gemacht wird, zumal die Koalition mit einer neoliberal geführten Partei auch in anderen Fragen für den Wähler viele Zweifel an der Partei „Die Linke“ aufkommen lässt. Das gilt für viele parteilose Linke und auch „Grüne“, die die Arbeit und die Informationen der ökologischen Plattform besonders schätzen.

    Ich hoffe daher, dass sich die Partei Die Linke als verläßlich erweist und die Fülle der naturwissenschaftlichen Argumente akzeptiert, statt vor der Schweineindustrie einzuknicken. Die Initiative von Michael Luthardt und anderen Agrarpolitikern finde ich gut. Blieben diese nur ein Appell, wäre das ein großer Schaden für das Image der Linken.
    Freundliche Grüße
    Helmar Hartzsch
    27.6.2013

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