Kommentar (21.2.14)
Hallo Herr Behrens,
bei einer Diskussion über die Windenergie in dieser Form muss man erst einmal die Grundlage klären.
1. Von welchem Wirtschaftssystem reden wir? Im Sozialismus könnte die Energiepolitik sicherlich anders gestaltet werden als im Kapitalismus. Wir leben aber noch im Kapitalismus und ich will mit der Umgestaltung des Energiesystems nicht bis zum Sozialismus warten. Und im Kapitalismus setzen sich Techniken vor allem durch, wenn sie Gewinn erwirtschaften. Daher sehe ich es erst einmal nicht negativ, wenn mit Windenergie Gewinne erwirtschaftet werden. Im Gegenteil.
2. Dann ist die Frage, wer die Gewinne erhält. Da steht Windenergie in Konkurrenz zu anderen Energieformen (Kohle, Atom, Gas, Solar, Bioenergie,…). Natürlich können sich einkommensschwache BürgerInnen sich daran nicht beteiligen, aber demokratischer als bei den fossiler und nuklearen Energietechniken ist dies schon. Zumal sich (zumindest hier im Westen) oft auch Stadtwerke an Windenergieprojekte beteiligen.
3. Zu fragen ist auch, welche andere Energieform ansonsten zur Verfügung steht. Fossile und nukleare soll es ja sicherlich (jedenfalls in absehbarer Zeit) nicht mehr sein. Suffizienz und Energieeffizenz sind wichtige Stichworte, aber ein großer Teil an restlicher Energienachfrage, die bedient werden muss, verbleibt. Lediglich Solarenergie, Biomasse etc. wird nicht ausreichen, zumal auch diese Energieformen Probleme haben, wie Sie in Bezug auf Biomasse ja selbst schreiben. Ein Mix an erneuerbarer Energie ist meines Erachtens notwendig. Ansonsten müssten Sie beantworten, wie die Energie bereitgestellt werden soll ohne fossile, nukleare und Windenergie. Dass man Windenergie aus energiepolitischen Gründen vergessen kann, stellen Sie leider ohne weitere Begründung in den Raum.
4. Zu den Arbeitsplätzen: Sicher entstehen hier Arbeitsplätze in Deutschland, ob sie nun lokal oder regional entstehen, hierüber kann man diskutieren. Aber für den Bau und die Wartung der Windkraftanlagen werden sicherlich nicht Arbeitnehmer aus dem Ausland eingeflogen. Möglich ist natürlich, dass ein Betreiber, der mehrere in Windparks in Deutschland hat, Arbeitnehmer an einem Standort beschäftigt und diese dann durchs ganze Land verschickt. Das sind dann keine lokalen oder regionalen Arbeitsplätze, aber zumindest inländische. Und dies gilt dann nicht nur für die Bürgerwindparks sondern für alle.
5. Sicherlich werden fossile Kraftwerke weiter genutzt, wenn sie zu ökonomisch tragbaren Preisen zur Verfügung stehen. Aber hierzu ist es ja eben wichtig, ob es Konkurrenz von nicht-fossilen Kraftwerken gibt. Gibt es diese und steht diese zu geringeren Kosten zur Verfügung, werden die fossilen Kraftwerke eben nicht mehr genutzt werden. Warum eine solche Politik im Kapitalismus zum Scheitern verurteilt ist, erschließt sich mir jedenfalls nicht.
6. Am Ende bleibt noch darauf hinzuweisen, warum die Art des Energieangebotes geändert werden muss: wegen der Globalen Erwärmung. Und dass der Pfad des Treibhauseffektes möglichst verlangsamt (besser noch: umgekehrt) werden muss, darin sind wir uns hoffentlich einig. Wenn dem aber so ist, ist ein Moratorium bei der erneuerbaren Energie nicht zu begrüßen. Denn Zeit, um erst noch neue technologische Entwicklungsschübe haben wir. Zumal die Windenergieanlagen den großen Vorteil haben: gibt es etwas besseres, können sie ohne große Schäden für die Natur auch wieder deinstalliert werden.
Bleibt als Fazit:
– Weiterer massiver Ausbau der erneuerbaren Energie (auch Windenergie und Biomasse) zu Lasten der fossilen und nuklearen Energie, wobei über bestimmte ökologische Grenzen auch hier diskutiert werden kann (aber bei weitem kein Moratorium)
– Programme in Richtung Energieeffizienz und Suffizienz fördern und umsetzen
– Umlenken der Forschungsförderung von fossilen und nuklearen Energietechnologien hin zu den erneuerbaren Energien
Freundlicher Gruß
Dr. Ralf Henrichs