Grünbuch Strommarktdesign

Diskussionsbeitrag für eine gemeinsame Position der Energiewende-Akteure zum „Grünbuch Strommarktdesign“[1] und zur Vorbereitung des EEG 3

Zusammenfassung

  1. Das „Grünbuch“ trägt zwar den Titel „Ein Strommarkt für die Energiewende“, geht aber nicht auf die in diesem Markt bestehende grundsätzliche Benachteiligung der EE gegenüber der konventionellen Energieerzeugung ein. Letztere schädigt Klima und Umwelt, braucht die hierdurch erzeugten „externen“ Kosten aber nicht zu tragen, sondern darf sie der Gesamtgesellschaft diffus und intransparent aufbürden und erhält zusätzlich staatliche Förderungen. Die EE, in deren Preis sämtliche durch sie verursachten Kosten enthalten sind, erleiden dadurch einen eklatanten Wettbewerbsnachteil. – Allererste Aufgabe eines Grünbuchs „für die Energiewende“ wäre es, die umgehende Beseitigung dieser Chancenungleichheit zu verlangen.
  2. Das Grünbuch geht nicht auf den sog. „Wälzungsmechanismus“ der EEG-Umlage ein. Die 2010 von schwarz/gelb eingeführte Berechnungsweise der EEG-Umlage hat dazu geführt, dass sie seitdem überproportional angestiegen ist und mittlerweile einen Gesamtumfang erreicht hat, der mehr als doppelt so groß ist wie der Gesamtumfang der an die Betreiber von EE-Anlagen ausgezahlten Einspeisevergütungen. Hierdurch wird die Öffentlichkeit dahingehend irregeführt, dass die EE Preistreiber seien.
    Aufgabe des Grünbuchs wäre es, diesem Eindruck entgegen zu treten, indem es aufzeigt, an welche Adressen mehr als die Hälfte der EEG-Umlagen tatsächlich fließt und gleichzeitig verlangt, wieder eine sachgerechte Berechnungsweise der EEG-Umlage einzuführen.
  3. Dass EE-Erzeugung zum Eigenverbrauch in zahlreichen Konstellationen mit der EEG-Umlage belastet wird, ist widersinnig. Sinn der EEG-Umlage ist es, den Betrieb von EE-Anlagen zu fördern. Nach derzeit geltenden Regelungen müssen die Betreiber solcher Anlagen ihre Förderung selber bezahlen. Aufgabe des Grünbuchs wäre es, die Korrektur solcher abwegigen Regelungen zu verlangen.
  4. Das Grünbuch nimmt keine Notiz davon, dass der bisher erreichte 25%-Anteil der EE im Strommix Deutschlands überwiegend durch Bürger, Bürger-Energie-Gesellschaften, sowie kleine und mittelständische Unternehmen erreicht wurde – also durch vielfältige dezentrale und individuelle Aktivitäten, wie es dem Wesen der EE entspricht. Das Grünbuch kritisiert nicht, dass diese Aktivitäten insbesondere durch das EEG 2 ungemein behindert werden, indem hierin eine sog. „Direktvermarktung“ vorgeschrieben wird, die in Wahrheit eine indirekte Vermarktung ist, da sie zwangsweise über die Börse erfolgt, wobei obendrein der Grünstromcharakter eliminiert wird.
    Aufgabe des Grünbuchs wäre es, ein Marktdesign zu entwerfen, das die Weiterentwicklung der dezentralen Energiewende durch „echte Direktvermarktung“, bei der Erzeuger und Käufer erneuerbarer Energie unmittelbar in Kontakt miteinander treten, und ebenso „Mietermodelle“ unkompliziert ermöglicht. Letztere, die durch derzeit gültige Bestimmungen ungemein erschwert werden, würden ein großes, bisher ungenutztes PV-Potential erschließen und zusätzliche Bevölkerungsgruppen an der E-Wende teilhaben lassen.
  5. Das Grünbuch muss seine Aufgabenstellung bereits durch die von ihm herangezogene Grundprämisse verfehlen: das sog. energiepolitische „Zieldreieck“. In diesem steht hinter „Versorgungssicherheit“ und „Wirtschaftlichkeit“ die „Umweltverträglichkeit“ an letzter Stelle. (S. 6) – Ob „Umweltverträglichkeit“ auch „Klimaverträglichkeit“ beinhalten soll, wird nicht ausdrücklich gesagt, doch möchten wir dies doch unterstellen. –
    Um seiner Aufgabenstellung „Energiewende“ gerecht zu werden, müsste das Grünbuch Umwelt-/Klimaverträglichkeit an die erste Stelle setzen und hieraus alles Weitere ableiten.
  6. SRU und UBA legten 2010 in detaillierten Studien dar, dass bis 2050 100% EE sicher und bezahlbar zu erreichen sind. Die verfehlte Schwerpunktsetzung im Grünbuch führt dazu, dass dieses Ziel auf „mindestens 80%“ heruntergeschraubt (S. 6) wird. Ca. 20% am Energiemix sollen also auch nach 2050 den konventionellen Kraftwerken erhalten bleiben. Dass die dann aktiven konventionellen Kraftwerke „sehr emissionsarm“ (S. 36) sein sollen, bedeutet im Klartext vermutlich, dass sie mit CCS verbunden sein sollen. Die unterirdische Verpressung des CO2 stellt jedoch keinen Klima- und Umweltschutz dar, sondern lediglich eine (extrem teure) Grünbemäntelung fossiler Kraftwerke.
  7. Zum Ausgleich der volatilen Energien diskutiert das Grünbuch „Flexibilitätsoptionen“und führt hierunter an 1. Stelle konventionelle Kraftwerke auf. Diese sollen eine Anpassungsfähigkeit „an die zunehmend volatilere Residuallast“ erreicht haben, die „vor wenigen Jahren für technisch unmöglich gehalten wurde.“ (S. 13) – Fortschritte mag es gegeben haben, doch sind diese weit geringer als der hier erweckte Anschein. An anderer Stelle vermerkt das Grünbuch selber, „hohe An- und Abfahrtkosten und lange Anfahrdauer von Braunkohle- und Kernkraftwerken“ (S. 16). Dem entsprechend wird auch der Abregelung erneuerbarer Energien durchweg (mit Ausnahme weniger Stellen) eine große bis vorrangige Bedeutung beigemessen.
  8. Der Ausgleich der volatilen Energien wird in eine Vielfalt von Kategorien und jeweils zuständigen „Märkten“ aufgeteilt: Regelenergie, Netzreserve, Redispatch, Kapazitätsreserve, möglicherweise Kapazitätsmärkte mit jeweils weiteren Unterteilungen.
    Abgesehen von Flexibilisierung des Verbrauchs, Batteriespeichern und Ausgleich durch Netze betrachtet das Grünbuch dies gesamte Gebiet als Domäne konventioneller Stromerzeugung. – Auf die bei einer Vollversorgung durch EE unabdingbare Langzeitspeicherung geht das Grünbuch in einem einzigen Satz ein: „Langzeitspeicher, die saisonale Schwankungen ausgleichen können, sind erst bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien erforderlich“ (S. 18). – Aufgabe des Grünbuchs wäre es, zumindest anzugeben, wie hoch diese Anteile sein müssen, damit Langzeitspeicher erforderlich sind und wann deren Lernkurve beginnen muss, damit sie dann ausgereift zur Verfügung stehen.
  9. Das Grünbuch vermittelt den Gesamteindruck, dass es ihm in erster Linie darum geht, der konventionellen Energieerzeugung eine Bestandsgarantie über das Jahr 2050 hinaus zu erteilen. Wenn wir richtig vermuten, dass zu den genannten 20% die konventionell abgedeckten Reserven noch hinzu zu zählen sind, dürfte man 2050 auf einen konventionellen Anteil kommen, der etwa dem heutigen Anteil der EE entspricht. – Unwillkürlich erhebt sich die Frage, ob Gabriel der Kohle-Lobby, zu der leider auch die IGBCE zu zählen ist, eine derartige Zusage gemacht hat?
    Aufgabe eines Grünbuchs, das seinem Namen gerecht wird, wäre es, deutlich zu machen, dass die E-Wende keinen Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet, sondern einen Zuwachs, und dass hierin ein großes Entwicklungspotential gerade auch für die bisher in der Kohleindustrie Beschäftigten liegt.
  10. Neben allen bisher genannten Unzulänglichkeiten ist zu bemängeln, dass der vom Grünbuch skizzierte Strommarkt nicht nur äußerst kompliziert und entsprechend intransparent, sondern auch ein gänzlich anonymes Gebilde ist. Der subjektive „Faktor Mensch“ kommt hierin nicht vor. Gerade er ist jedoch die wesentliche Triebfeder der Energiewende. Das Grünbuch hätte die Aufgabe, die Bedeutung dieses „Faktors“ zu erkennen und ihm eine entsprechende Rolle zuzuweisen. Dies würde geschehen, wenn in kommunalen und regionalen Zusammenhängen die Erprobung der Vollversorgung mit EE angeregt würde. Hierbei gemachte Erfahrungen kämen dann der flächendeckenden Vollversorgung zu gute.

Einleitende Überlegungen und Fragen

Das Vorstellungsvermögen sämtlicher Experten weit hinter sich lassend, haben die EE in kurzer Entwicklungszeit ein Viertel der Stromversorgung übernommen. Die Ursache hierfür ist nicht nur die Einspeisevergütung, die eine sichere und sich rechnende Investition ermöglichte. Ein subjektiver Faktor kommt hinzu: der Enthusiasmus vieler Millionen Menschen, dass durch die EE der Ausweg aus der klima- und umweltschädlichen Energieerzeugung offen steht – und: die neuen Energieauffang- und -umwandlungstechniken ihrem Wesen nach einen dezentralen Einsatz vorzeichnen, mithin die praktische Beteiligung von Millionen von Menschen an der Energieerzeugung. Insbesondere gilt dies natürlich für die Photovoltaik.

Dem ganz entsprechend erfolgte der bisherige Aufbau der EE individuell, spontan, ohne zentrale Steuerung. Von den Betreibern der konventionellen Kraftwerke wurde dies lange als Hobby einer eher etwas spinnerten Szene belächelt und daher geduldet. Seit sich in den letzten Jahren herausstellt, dass ihnen hier die Bedrohung ihrer Existenz erwächst, lächeln sie nicht mehr und packten zunächst einmal den Vorschlaghammer aus. Dieser nahm im EEG 2 Gesetzesgestalt an und schaffte es damit auch, dem Ausbau der EE einen schmerzhaften Rückschlag zu verpassen.

Doch auch für die EE selbst ist der erfreulicherweise erreichte 25%-Anteil mit neuen Herausforderungen verbunden. Denn nun kommt der weitere Fortgang hin zur Vollversorgung, zu den 100%, ins Blickfeld und damit auch die „Versorgungssicherheit“, für welche bisher die konventionellen Kraftwerke einstehen.

Und es kommt noch etwas ins Spiel: Die EE sind ihrem Wesen nach dezentral, doch maßgebliche Teile der Industrie sind zentral strukturiert.

Früher galt: die Industrie geht zur Energie, also dorthin, wo Kohle abgebaut wurde. – Würde die Anwendung dieses Satzes auf die Epoche der E-Wende bedeuten: Die Industrie muss sich dem Wesen der neuen Energieerzeugung anpassen, also ebenfalls kleinteilig werden? – Das mittelständische Gewerbe, wo sich die meisten Arbeitsplätze befinden, ist bereits kleinteilig, und viele mittelständische Betriebe haben sich als Pioniere der E-Wende profiliert. Doch wie steht es mit der Großindustrie, und auch mit Großstädten?

Bisher wurde der Ausbau der EE überwiegend von einzelnen Bürgern oder kleinen Bürger-Energiegesellschaften geleistet. Nun will sich auch Eon den Erneuerbaren zuwenden – und wird vermutlich nicht der einzige Konzern bleiben, der das tut. Wird dies die Energiewende voran bringen, oder geht es darum, den bisherigen Akteuren der E-Wende das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen?

Eon kann man getrost unterstellen, dass seine Motive rein pekuniärer Art sind. Ist eine solche Einstellung eigentlich kompatibel mit echtem Engagement für die E-Wende? Gerade der Begriff „Bürgerenergie“ impliziert ja ein Ethos, ohne welches es den bisherigen Aufschwung der E-Wende nicht gegeben hätte. Der Wortbestandteil „energie“ meint nicht nur, dass Bürger physikalische Energie erzeugen, sondern auch, dass sie selber mit einer subjektiven Energie geladen sind, die sie dazu treibt, dies zu wollen und zu können. Ohne diese subjektive Energie könnte es die meisten Bürger-Energie-Genossenschaften nicht geben, da hier kaum verdient und umso mehr gearbeitet wird.

Gott sei Dank haben sich auch Firmen entwickelt, die schwarze Zahlen schreiben, doch die Gewinne, die hier gemacht werden, sind vermutlich mit dem, was in großen Konzernen üblich ist, kaum zu vergleichen.

Wie kann/muss die weitere Entwicklung der E-Wende vom heutigen Stand zu 100% EE verlaufen, wie wird es hierbei mit der „Bürgerenergie“ weiter gehen?

Franz Alt schreibt in der Sonnenseite vom 19.12.2014: Tatsächlich kann eine dezentrale Energiewende nur von unten organisiert werden oder es wird keine Energiewende und keinen Klimaschutz geben.“

Zum Grünbuch

Vorab ist zu vermerken, dass im Grünbuch die 100% EE gar nicht angestrebt werden. Es endet bei einem EE-Anteil von 80 bis 85%, der 2050 erreicht werden soll. Beachtliche 15 bis 20% Fossil sollen also für eine unabsehbare Zukunft erhalten bleiben.

Das magische „Dreieck“, mit dem die CDU/SPD-Regierung bereits im Vorfeld des EEG 2 arbeitete, bildet auch für das Grünbuch die Grundlage:

„Das energiepolitische Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit gibt die Richtung der deutschen Energiepolitik vor.“ (S. 6)

Das Bild des Dreiecks legt nahe, dass jeder dieser 3 Punkte in eine andere Richtung zieht, die Aufgabe also darin besteht, drei divergierende Kräfte unter einen Hut zu bringen. Nicht erörtert wird, ob diese 3 Faktoren möglicherweise gar nicht divergieren, sondern sich gegenseitig unterstützen. Denn wäre ein ungebremster Klimawandel nicht verheerend für die Wirtschaft und ebenso für die Versorgungssicherheit? – Doch die „Umweltverträglichkeit“ (die wohl/hoffentlich auch die Klimaverträglichkeit einschließen soll?) steht hinten an letzter Stelle, obwohl sie der auslösende Faktor für das ganze Unternehmen Energiewende ist und man daher erwarten möchte, dass alle weiteren Bestimmungen aus ihr abgeleitet werden.

Doch offensichtlich wird „Wirtschaftlichkeit“ hier – wie im „business as usual“ eben üblich – als die rein momentan existierende oder unterstellte Interessenlage gesehen. Hiernach erscheinen die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland bisher wohl noch als erträglich. Auch bietet eine schneller vollzogene E-Wende natürlich keine Gewähr dafür, dass unser Land dann vom Klimawandel sogleich entsprechend verschont wird. Die Arbeit an der Begrenzung des Klimawandels – und mithin am möglichst schnellen Umstieg auf EE – erfordert ein viel weiter vorausschauendes Denken und ein viel breiter angelegtes Verantwortungsgefühl, als es die Logik des Wirtschaftens bisher kennt.

Im Grünbuch ist dieses Denken und dieses Verantwortungsgefühl leider nicht auszumachen.

Anmerkungen zu einzelnen Stellen des Grünbuchs

Kapitel 1:
Funktionsweise des Strommarktes (S. 9)

„Strom wird an der Börse und außerbörslich gehandelt. An der Strombörse – für Deutschland der European Energy Exchange EEX in Leipzig und der European Energy Exchange EPEX SPOT in Paris – werden standardisierte Produkte in einem transparenten Verfahren ge- und ver kauft. Überwiegend schließen Unternehmen aber weiterhin direkte Lieferverträge mit Stromerzeugern ab. Der Handel mit diesen außerbörslichen Lieferverträgen wird „Over the Counter“ (OTC) genannt.“ (S. 9)

Inwieweit das Verfahren an der Strombörse zurecht „transparent“ genannt wird, dürfte fraglich sein. Es sei erinnert an kartellrechtliche Verfahren vor einigen Jahren, in denen dem Verdacht sog. „Insidergeschäfte“ nachgegangen wurde. Solche Geschäfte sind an der Wertpapierbörse verboten, schienen aber an der Strombörse stattzufinden, wenn z.B. Kraftwerksbetreiber und Stromhändler eng miteinander verflochten waren und praktisch Geschäfte mit sich selber machten. – Mit der „Transparenz“ der Börse war es so bestellt, dass der Verdacht trotz langwieriger Bemühungen der Fachleute weder aufgeklärt noch entkräftet werden konnte.

Der überwiegende Teil des Stromhandels wird außerhalb der Börse abgewickelt. Über das Geschehen dort schweigt sich das Grünbuch aus.

„Der Börsenpreis ergibt sich als Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage. … In der Regel entspricht der Börsenpreis für Strom den variablen Kosten der teuersten Erzeugungsanlage im Einsatz. …Die variablen Kosten eines Kraftwerkes hängen hauptsächlich von den Brennstoffkosten, dem Wirkungsgrad der Anlage oder den CO2-Kosten ab.“ (S. 10)

Dies war mir noch nie verständlich: Wie kann denn ein Kraftwerksbetreiber Strom zu einem Preis anbieten, in welchem nicht seine gesamten Betriebs- und Personalkosten enthalten sind, sondern bloß Brennstoffkosten, Wirkungsgrad und/oder (?) CO2-Kosten? Und weshalb diese Trennung zwischen Brennstoffkosten und Wirkungsgrad? Beide hängen doch unmittelbar miteinander zusammen: Je höher der Wirkungsgrad, umso weniger Brennstoff wird zur Erzeugung einer Strommenge benötigt – oder?

Nun aber der hauptsächliche Punkt:

Das Grünbuch hat den Titel „Ein Strommarkt für die Energiewende“, es geht ums „Design“ dieses Marktes. Man möchte erwarten, dass die allererste Aufgabe des Designs darin besteht, eine Chancengleichheit für alle Marktteilnehmer herzustellen, jedenfalls aber doch die Akteure der E-Wende nicht schlechter zu stellen, als die Akteure der konventionellen, klima- und umweltschädlichen Energieerzeugung. Genau dies ist jedoch der Fall, da bisher Atom und Fossil (AF) eklatant bevorteilt werden: Während im Abgabepreis für EE-Strom sämtliche mit seiner Erzeugung verbundenen Kosten enthalten sind, schlägt sich im Preis von AF nur ein Teil der durch ihre Erzeugung entstehenden Kosten nieder. Die mit der Erzeugung dieser Energie verbundenen Schädigungen von Klima und Umwelt belaufen sich auf gewaltige, in den Schätzungen nach oben offene Beträge. Diese „externen“ Kosten tauchen im Strommarkt jedoch nicht auf, sondern werden stillschweigend und intransparent der Gesamtgesellschaft aufgebürdet.

Durch ihnen kostenlos zugestandene Schädigungs- und Verschmutzungsrechte erhalten AF also einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den EE. (Dieser wird noch verstärkt durch staatliche Förderungen der konventionellen Energieerzeugung, während die den EE bislang zugestandene Einspeisevergütung nur irreführend als „Förderung“ bezeichnet werden kann, da sie nicht vom Staat, sondern von den Stromkunden aufgebracht wird.)

Von einem Strommarktdesign „für die Energiewende“ sollte man erwarten, dass es diesen Wettbewerbsnachteil der EE als allererstes anprangert. Doch dies geschieht im Grünbuch nicht!

Der niedrige CO2-Preis wird zwar bedauert:

„Der zentrale Beitrag zur Emissionsreduktion in der fossilen Stromerzeugung soll durch das europäische Emissionshandelssystem (ETS) und seine Reform erreicht werden. Das aktuelle ETS setzt bei aktuell über zwei Milliarden überschüssigen Zertifikaten und einem Zertifikatspreis von fünf bis sechs Euro pro Tonne CO2 nur vergleichsweise geringe Anreize für Investitionen in eine emissionsarme Stromerzeugung. Da diese Überschüsse zum Ende der aktuellen Handelsperiode wegen der Rückführung der Backloading-Mengen vermutlich sogar auf 2,6 Mrd. Zertifikate ansteigen werden, ist bis weit in die 2020er Jahre mit hohen Überschüssen und sehr niedrigen CO2-Preisen zu rechnen.“ (S. 36)

die Vorstellungen zur Abhilfe kommen jedoch sehr kleinlaut daher:

„Reform ETS: Weitere Konkretisierung der deutschen Position sowie Werben um Unterstützung….“ (S. 37)

Meines Erachtens stellen die Erfahrungen mit den CO2-Zertifikaten die Idee, Umweltverschmutzung und Klimazerstörung dadurch zu reduzieren, dass man ihnen einen Preis gibt und sie damit zu einem „Produkt“ macht, das wie jede andere Ware auf dem Markt gehandelt werden kann, grundsätzlich in Frage. – Die Stabilität einer Autobahnbrücke wird ordnungsrechtlich vorgegeben und nicht vom Handel mit „Einsturzzertifikaten“ abhängig gemacht, wodurch die Baufirma die Brücke beliebig unsicher konstruieren dürfte, sofern sie nur genügend Einsturzzertifikate kauft. Wieviel weniger kann es zulässig sein, Bedingungen, von denen unsere gesamte Existenz als zivilisierte Menschheit abhängt, einem kurzsichtigen und unbewussten Marktmechanismus zu überantworten!

Kapitel 2:
Herausforderungen (S. 13)

Die folgende Aufgabendefinition scheint mir im wesentlIchen stimmig:

„Wir bewegen uns von einem Stromsystem, in dem regelbare Kraftwerke der Stromnachfrage folgen, zu einem insgesamt effizienten [Was soll eigentlich dieses „insgesamt effizienten“?] Stromsystem, in dem flexible Erzeuger, flexible Verbraucher und Speicher zunehmend auf das fluktuierende Dargebot aus Wind und Sonne reagieren. Dieser Übergang wird in den nächsten Jahren stattfinden.“ (S. 14)

Es fehlt hier jedoch der Hinweis, dass es sich auch um den Übergang von einem zentralistisch strukturierten auf ein dezentrales System handelt. Dieser Unterschied wird auch sonst im Grünbuch nicht thematisiert. Die ganze Aufgabenstellung wird einfach so gesehen: Wie ist es machbar, dass der in sich sehr komplex gewordene Mix aus Stromerzeugungstechniken das gleiche Endresultat erbringt wie das konventionelle System. – Immerhin wird der Flexibilität der Stromverbraucher hier nun eine wesentlich gesteigerte Wichtigkeit zugeordnet.

Positiv erscheinen mir Aussagen zur „Mindesterzeugung“:

„Bei geringer Residuallast (geringe Stromnachfrage, viel Wind- und Sonnenstrom) besteht derzeit noch eine sehr hohe konventionelle Mindesterzeugung. Als Mindesterzeugung wird hier die Stromproduktion bestimmter thermischer konventioneller Kraftwerke bezeichnet, die auch noch bei geringer Residuallast und Börsenpreisen von null oder darunter erfolgt, insbesondere weil sie für die Systemsicherheit im Netzbetrieb (Regelleistung, Blindleistung, Redispatch oder andere Systemdienstleistungen) erforderlich ist.“ (S. 16)

Unter den Ursachen der „Mindesterzeugung“ wird korrekt angeführt:

„Wie Mindesterzeugung kann auch die hohe Stromproduktion aus Braunkohle- und Kernkraftwerken bei geringer Residuallast wirken; Ursache dafür sind unter anderem hohe An- und Abfahrtkosten und lange Anfahrdauer von Braunkohle- und Kernkraftwerken.“ (S. 16)

Dies konterkariert die an anderer Stelle (S. 13) getroffene Aussage zur Flexibilität konventioneller Kraftwerke:

„So haben beispielsweise Betreiber von konventionellen Kraftwerken aufgrund entsprechender Preissignale ihre Betriebsweise in einem Umfang an die zunehmend volatilere Residuallast angepasst, der vor wenigen Jahren für technisch unmöglich gehalten wurde.“ (S. 13)

Aussagen zur Reaktion auf hohe Stromproduktion erscheinen mir uneinheitlich. Hier sollten die EE-Anlagen „weitgehend abregelbar“ sein:

„Um die Versorgungssicherheit bei geringer Residuallast auch langfristig zu gewährleisten, sollte einerseits die Mindesterzeugung gesenkt werden und andererseits sollten Erneuerbaren-Anlagen technisch weitgehend abregelbar sein, damit ein „zu viel“ an Strom (Überspeisung) vermieden werden kann (Ecofys/Consentec 2013).“ (S. 16)

Ein paar Absätze später heißt es:

„Die Abregelung von Erneuerbaren-Anlagen ist keine sinnvolle Alternative zur Absenkung der Mindesterzeugung. Eine maßvolle Abregelung von Erneuerbaren-Anlagen in seltenen Extremsituationen kann volkswirtschaftlich sinnvoll sein, beispielsweise weil Netzkapazität und Speicher für seltene Einspeisespitzen eingespart werden (siehe Kapitel 5). Die Abregelung ist jedoch keine sinnvolle Alternative zur Absenkung der Mindesterzeugung.“ (S. 16)

Nicht nur hier scheint deutlich, dass sich im Grünbuch unterschiedliche Gruppeninteressen niederschlagen.
Kapitel 3:
Flexibilität als eine Antwort(S. 18)

Vorangestellt ist die frohe Botschaft:

„Das technische Potential der Flexibilitätsoptionen ist weit größer als der tatsächliche Bedarf.“

Wenn man hieraus folgert: was also hindert uns, die Vollversorgung durch EE zügig zu realisieren? wird man in den nachfolgenden Punkten allerdings eines anderen belehrt. Dort werden als allererste der „Flexibilitätsoptionen“ erstaunlicherweise „thermische konventionelle Kraftwerke“ aufgeführt, die sich u.W. doch gerade durch nur geringe Flexibilität auszeichnen:

„Thermische konventionelle und Bioenergie-Kraftwerke können ihre Stromproduktion an die Schwankungen des Verbrauchs und der Erzeugung von Windenergie und Solaranlagen anpassen.“ (S. 18)

Hierzu auch von S. 13:

„Der Markt hat dabei bemerkenswerte Anpassungsleistungen gezeigt. So haben beispielsweise Betreiber von konventionellen Kraftwerken aufgrund entsprechender Preissignale ihre Betriebsweise in einem Umfang an die zunehmend volatilere Residuallast angepasst, der vor wenigen Jahren für technisch unmöglich gehalten wurde.“ (S. 13)

Neben flexibler Nachfrage und Speichern werden auch „leistungsfähige Netze“ unter den Flexibilitätsoptionen aufgeführt. Hier vermisse ich einen auf konkreten Beobachtungen beruhenden Nachweis, wie groß das Ausgleichspotential durch unterschiedliche Wettersituationen im Bereich des Netzes tatsächlich ist, so dass dadurch auf Speicher verzichtet werden kann.

Das Thema „Langzeitspeicherung“ wird quasi mit spitzen Fingern angefasst:

„Zusätzliche neuartige Speicher sind bislang in der Regel teurer als andere Flexibilitätsoptionen. … Zusätzliche neuartige Langzeitspeicher, die saisonale Schwankungen ausgleichen können, sind erst bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien erforderlich.“ (S. 18)

Wie hoch die Anteile erneuerbarer Energie sein müssen, damit Langzeitspeicherung erforderlich ist, wird nicht gesagt, noch viel weniger, wann mit der „Lernkurve“ solcher Speicher begonnen werden muss, damit sie rechtzeitig ausgereift zur Verfügung stehen.

Dies scheint mir offenkundig der Tatsache geschuldet, dass Langzeitspeicherung die existenzielle Konkurrenz, die „Axt an der Wurzel“ fossiler Kraftwerke ist. Denn Langzeitspeicherung macht fossile Kraftwerke endgültig überflüssig. Darin, dass der Blick von der Langzeitspeicherung abgelenkt wird, drückt sich unmittelbar das Interesse der Kohle-Lobby aus (deren Fußspuren freilich nicht nur an dieser Stelle ins Auge fallen).

Von daher erscheint auch die folgende Aussage in 3.2 bemerkenswert:

„Da das Potential an Flexibilitätsoptionen so vielfältig ist und weit größer als der tatsächliche Bedarf, und die Technologien zudem ständig weiterentwickelt werden, ist es nicht nötig, einzelne Technologien über die Forschungsförderung hinaus gezielt zu fördern.
Aus ökonomischer Sicht sollten sich die kostengünstigen Lösungen in einem technologieoffenen Wettbewerb ergeben. Der Markt muss dabei … die richtigen Anreize zur Entwicklung und Nutzung der Flexibilitätsoptionen setzen.“ (S. 18)

Wenn unter den Flexibilitätsoptionen die konventionellen Kraftwerke subsumiert werden, ist das Potential in der Tat groß, und es besteht dann auch keine Veranlassung, einzelne Technologien gezielt zu fördern. Andernfalls, wenn eine vollständige „Dekarbonisierung“ angestrebt würde, bestünde durchaus Anlass, die Langzeitspeicherung gezielt zu fördern. Doch soll dies offensichtlich gerade vermieden werden. „Aus ökonomischer Sicht sollten sich die kostengünstigen Lösungen in einem technologieoffenen Wettbewerb ergeben.“ Nach der im Sinn des Klimaschutzes sachdienlichsten Lösung soll also gar nicht erst gesucht werden. Um zu erahnen, welche Lösungen die kostengünstigsten sein werden, bedarf es keiner großen Phantasie: So wie dieser Markt designed ist, nämlich so, dass die externen Kosten von A und F darin gar nicht vorkommen, können dies nur fossile Kraftwerke sein. Eine schier wundersame Flexibilität, die sich in der Zukunft wohl noch steigern soll, wurde ihnen ja bereits zugesprochen.

Indem die Langzeitspeicherung in dem im Grünbuch dargestellten System keine Rolle spielt, können Wind und Sonne nur durch Abregelung im Fall von Stromüberschuss im Netz einen Beitrag zur Systemstabilisierung leisten:

„Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Marktprämie sind selbst für die kurzfristige Prognose ihrer Produktion und den Ausgleich bei Abweichungen verantwortlich. Damit übernehmen sie dieselbe Verantwortung wie konventionelle Kraftwerke.“ (S. 19)

Die konventionellen Kraftwerke übernehmen wegen ihrer Inflexibilität diese Verantwortung gerade nicht! Die EE können jederzeit runtergeregelt, aber nicht hochgefahren werden, so dass für die optimale Nutzung der von ihnen erzeugbaren Energie Speicher benötigt werden.

Eine andere Stelle scheint mir von einer anderen Position beeinflusst zu sein:

„Alternative Anbieter sollten konventionelle Kraftwerke vor allem ersetzen können, wenn diese wegen hoher Einspeisung erneuerbarer Energien nicht mehr zur Lastdeckung am Strommarkt benötigt werden (BDEW, BEE, VKU et al 2013). Die Systemstabilität bleibt dabei oberstes Ziel.“ (S. 22)

Auch der nachstehende Hinweis ist nicht von der Hand zu weisen, sofern er im Rahmen eines 100%-EE-Systems zum Tragen kommt:

„Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen erhalten durch die Markt- und Flexibilitätsprämie einen Anreiz, ihre Anlagen möglichst bedarfsgerecht auszulegen. Biomasseanlagen haben mit der Flexibilitätsprämie einen Anreiz, ihre Anlagen flexibel auszulegen und zukünftig vor allem bei hohen Strompreisen einzuspeisen. Auch Wind- und Photovoltaik-Anlagen können z. B. durch Schwachwindturbinen oder Ost-West-Ausrichtung eine gleichmäßigere Einspeisung erzielen und in Zeiten hoher Strompreise die hohe Nachfrage besser decken.“ (S. 19)

Allerdings würde dies senkend auf den Börsenpreis wirken und damit wieder die EEG-Umlage erhöhen (bei deren gegenwärtiger widersinniger Berechnungsweise).

Folgendes auf S. 19 unten verstehe ich nicht:

„Zukünftig sollte die Teilnahme am Markt für (negative) Regelleistung auch für Wind- und Photovoltaikanlagen möglich sein. Dadurch könnte die Mindesterzeugung fossiler Kraftwerke verringert werden.“ (S. 19)

„Negative Regelleistung“ bedeutet doch Abregeln, damit weniger Strom ins Netz kommt? – Wieso würde dadurch die fossile Mindesterzeugung verringert?

Kapitel 4
Marktpreissignale für Erzeuger und Verbraucher stärken (S. 21)

Hier wird vorgeschlagen, den kurzfristigen Stromhandel weiter zu verstärken. Dies erscheint sinnvoll und den EE entsprechend.

Die bisherige Praxis, dass nur konventionelle Kraftwerke, nicht aber die EE am Terminmarkt teilnehmen dürfen, ist ohnehin unlogisch, sofern der Vorrang der EE nicht bloß auf dem Papier stehen, sondern realisiert werden soll. Dann nämlich ist damit zu rechnen, dass zu dem Zeitpunkt, wo die Lieferung einer vereinbarten Kraftwerksleistung ansteht, gerade so viel EE im Netz sind, dass das Kraftwerk gar nicht zum Zug kommt. Bei Realisierung des EE-Vorrangs werden also konventionelle Kraftwerke genauso volatil wie die EE (nur im umgekehrten Sinn), und es ist nicht einzusehen, wieso sie am Terminmarkt teilnehmen und die EE nicht. Die Konsequenz hieraus ist, dass der Terminmarkt abgeschafft wird.

Kapitel 5
Stromnetze ausbauen und optimieren (S. 27)

„Als Folge des Kernenergieausstiegs werden in Süddeutschland Kernkraftwerke stillgelegt, während neue Windkraftanlagen überwiegend im Norden und Osten Deutschlands entstehen.“ (S. 28)

Wieso „entstehen“ die im Norden und Osten? – Es sind doch Menschen, die entscheiden, wo Anlagen gebaut werden und wo nicht. Es muss doch diskutiert werden, was volkswirtschaftlich und im Sinn des Klimaschutzes günstiger ist: Stromautobahnen zu bauen oder Erzeugungsanlagen dort, wo der Strom benötigt wird.

„Die Betreiber der abgeregelten konventionellen und erneuerbaren Anlagen werden ebenso wie die der hochgefahrenen konventionellen Anlagen von den Netzbetreibern finanziell kompensiert.“ (S. 29)

Wieso wird nun auch bei konventionellen Anlagen von „Abregelung“ und deren finanzieller Kompensation gesprochen, wo diese Anlagen angeblich doch derart flexibel sind?!

„Systemdienstleistungen werden zunehmend durch alternative Techniken und erneuerbare Energien bereitgestellt . Aktuell werden Systemdienstleistungen vor allem durch konventionelle Kraftwerke erbracht.“ (S. 30)

So kann man das doch gar nicht sagen. Nur bei hoher Residuallast erbringen die Kraftwerke die Systemdienstleistung, indem sie hoch gefahren werden. In der umgekehrten Situation wird das Netz vermutlich mehr dadurch entlastet, dass EE abgeregelt als dass Fossile runtergefahren werden?

Nachfolgend mal wieder die Stimme der EE, allerdings wie meistens sehr kleinlaut:

„Mittelfristig wird es insbesondere für die Situationen mit geringer Residuallast wichtiger, dass Systemdienstleistungen nicht von der Erzeugung in konventionellen Kraftwerken abhängen. Dies senkt die Mindesterzeugung und minimiert sowohl Kosten durch Abregelung erneuerbarer Energien als auchEmissionen durch Nutzung fossiler Brennstoffe (siehe Kapitel 1).“ (S. 30)

Kapitel 6:
Einheitliche Preiszone erhalten (S. 32)

Kapitel 7:
Die europäische Kooperation intensivieren (S. 33)

In diesen beiden Kapiteln geht es um Wirtschaftlichkeit und wie der europaweite Markt strukturiert sein sollte, um diese zu erreichen.

In diesem Zusammenhang wird der Export von Strom als eine weitere Flexibilitätsoption gewertet:

„Ohne die Möglichkeit zum Stromexport müssten Kern- und Kohlekraftwerke und zukünftig auch Erneuerbare-Energien-Anlagen ihre Produktion stärker drosseln. Der Stromaustausch ist somit eine wichtige Flexibilitätsoption.“ (S. 34)

Diese Flexibilitätsoption ist jedoch rein geldbeutelorientiert. Sie beinhaltet nicht einen technischen Ausgleich zwischen Zeiten mit viel Stromproduktion und solchen mit wenig Stromproduktion, sondern regt an, fossile Kraftwerke auch bei viel EE-Strom im Netz laufen zu lassen und diesen Strom zu exportieren.

Kapitel 8:
Die Klimaschutzziele erreichen (S. 36)

„Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis zu diesem Zeitpunkt auf mindestens 80 Prozent steigen. Der Bedarf an thermischer Kraftwerksleistung sinkt, bleibt aber signifikant. In 2050 sollen diese Kraftwerke

  • sehr emissionsarm sein,
  • Brennstoffe sehr effizient ausnutzen,
  • sehr flexibel hoch- und herunterzufahren sein und
  • nur noch vergleichsweise geringe Benutzungsstunden aufweisen.

Der Kraftwerkspark passt sich schrittweise an. Der obenskizzierte Entwicklungspfad des fossilen Kraftwerksparkswird möglich durch die Nachrüstung von Bestandsanlagen,die Stilllegung bzw. den reduzierten Betrieb emissionsintensiver Altanlagen und den Neubau von Gaskraftwerken.“ (S. 36)

Was mit „sehr emissionsarm“ konkret gemeint ist, wird nicht gesagt, doch drängen sich hier die drei Buchstaben „CCS“ auf, was auch zur möglichen „Nachrüstung von Bestandsanlagen“ passen würde.

Wir sollten demgegenüber darauf bestehen, dass die Emissionen eines Kraftwerks dort zu bestimmen sind, wo die Abgase das Kraftwerk verlassen und nicht am Ende einer Weiterbehandlungs- und Speicherungskette, deren Sinnhaftigkeit im Interesse von Klima- und Umweltschutz eine bloße und mit höchster Wahrscheinlichkeit unzutreffende Behauptung ist.

Zur Flexibilität konventioneller Kraftwerke enthält das Grünbuch, wie erwähnt, selber divergierende Aussagen. Die hier wiederholte optimistische Prophezeiung dürfte doch eher dem vom Kohlelobbyismus verwendeten Arsenal von Werbesprüchen entnommen statt realistisch sein.

Bei den „vergleichsweise geringen Benutzungsstunden“ handelt es sich ganz offenkundig um eine Schönfärberei, denn wenn diese Kraftwerke 20% der Stromproduktion übernehmen sollen, können die Benutzungsstunden nicht ganz wenige sein. Im Grünbuch gibt es darüber keine Aussage, doch darf wohl vermutet werden, dass Kraftwerke der diversen „Kapazitätsreserven“ in diesen 20% nicht enthalten sind, sondern hinzu gerechnet werden müssen.

Der 2. Punkt im Kap. 8 bezieht sich auf die CO2-Zertifikate. Deren Verteuerung durch Verknappung strebt die Bundesregierung an, die Erfolgsaussichten scheinen jedoch nicht berauschend zu sein:

„Zwar würden mit dem Reformvorschlag der Bundesregierung zirka die Hälfte der von der Europäischen Kommission bis 2020 projizierten Überschüsse abgebaut werden. Es verblieben jedoch bis 2020 immer noch signifikante Überschüsse im Markt. Dementsprechend dürfte es zum Ende dieser Handelsperiode zu einem Preisanstieg bei den Zertifikaten und damit sehr wichtigen Signalen für zukünftige Investitionen kommen.“ (S. 37)

(Dies unter der Voraussetzung, dass sich der Reformvorschlag der Bundesregierung in der EU durchsetzt, was alles andere als sicher ist.)

Emissionsstarke Unternehmen werden sogleich beruhigt:

„Zugleich müssen zum Schutz energieintensiver Unternehmen effektive Carbon-Leakage-Regeln auch für die Zeit nach 2020 getroffen werden, die sowohl die direkte als auch die indirekte Kostenbelastung adressieren.“ (S. 36)

Schließlich widmet sich das Kap. 8 der Stärkung der Kraft-Wärme-Kopplung im Kraftwerkspark.

Kapitel 9:
Grundsatzentscheidung: Strommarkt 2.0 oder Kapazitätsmarkt (S. 39)

Die hier und in den beiden weiteren Kapiteln erörterten Fragen sind für mich undurchschaubar. Auch das Grünbuch selber lässt die Entscheidung „Strommarkt oder Kapazitätsmarkt?“ offen.
Grundsätzlich haben wir es zu tun mit der Sicherstellung einer jederzeitigen Stromversorgung und mit der Frage, durch welche zu installierenden Marktmechanismen diese am besten zu erreichen ist. Hierzu offeriert das Grünbuch folgende Instrumente (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  1. „Bilanzkreise“ (Aufkauf und Lieferung von Strom durch große Versorger) sollen möglichst ausgeglichen sein
  2. Markt für Regelenergie. Dieser ist in sich aufgesplittet in weitere Sektionen: primär sekundär, positive und negative Regelenergie sollen möglicherweise in getrennten Märkten ausgeschrieben werden
  3. Redispatch (vor Engpässen im Netz wird Strom abgeregelt, um nach dem Engpass wieder – aus anderen Kraftwerken – eingespeist zu werden)
  4. Netzreserve
  5. Kapazitätsreserve
  6. Ob die „Kapazitätsreserve“ ausreicht, oder ob ein Kapazitätsmarkt eingeführt werden soll, ist im Grünbuch noch unentschieden. Falls ein Kapazitätsmarkt eingeführt wird, stehen hierfür folgende 3 Varianten zur Auswahl: 1.) Der „zentrale umfassende Kapazitätsmarkt“, 2.) der „zentrale fokussierte Kapazitätsmarkt“ und 3.) der „dezentrale umfassende Kapazitätsmarkt“.

Diesen 3 Varianten gemeinsam wäre ein neuer Kostenbestandteil der Stromrechnung: die „Kapazitäts-Umlage“:

„Mit Kapazitätsmärkten oder Reserven kann ein höheres Kapazitätsniveau vorgehalten werden, als es sich aus dem Strommarkt heraus ergibt. Kapazitätsmärkte können zudem Preisspitzen am Spotmarkt verringern. Dadurch kommt jedoch ein neuer Kostenbestandteil hinzu, der auf die Stromverbraucher umgelegt werden muss (Kapazitäts-Umlage).“ (S. 48)

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass man bei der gesamten Thematik „Kapazität“ das Stichwort „Speicherung“ vergeblich sucht, obwohl sie – und in diesem Zusammenhang gerade die Langzeitspeicherung – der natürliche Partner der EE ist. Ihr wird im gesamten Grünbuch jedoch nur der beim Kap. 3 schon kommentierte Satz gewidmet:

„Zusätzliche neuartige Langzeitspeicher, die saisonale Schwankungen ausgleichen können, sind erst bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien erforderlich.“ (S. 18)

Praktische Folge hiervon ist, dass für die Kapazität konventionelle Kraftwerke zuständig sein sollen. Da diese nicht permanent in Aktion sind, bieten sich hierfür (aus Kostengründen!) Altanlagen an, die entsprechend emissionsintensiv sind:

„In einem dezentralen oder zentralen umfassenden Kapazitätsmarkt erhalten auch inflexible und emissionsintensive Kraftwerke Zahlungen.“ (S. 43)

Dies dürfte nicht nur bei Einführung eines Kapazitätsmarktes der Fall sein, sondern bei jeder Reservehaltung, die nicht auf Speicher setzt.

Kapitel 10:
Zusammenarbeit mit Nachbarländern (S. 50)

Kapitel 11:
Kapazitätsreserve zur Absicherung (S. 52)

Dr. Christfried Lenz
6.1.2015


[1↑] Bundeswirtschaftsministerium: „Ein Strommarkt für die Energiewende