Die letzte Kolonie

Das vergessene Volk der Westsahara

Es geht um Rohstoffe und Profit.

Christian Gropper lenkt mit seinem Film den Blick auf einen schwelenden Konfliktherd vor den Toren Europas.
Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit könnte er sich zu einem Brandherd ausweiten, wenn nichts geschieht. „Welcome to Camp Smara“ steht auf einem verrosteten Blechschild. Es führt in ein Flüchtlingslager, in dem weit mehr als 100.000 Menschen leben. Ganz im Westen von Algerien, mitten in der Wüste. Sie nennen sich Sahrauis, Volk der Sahara, und warten fernab von ihrer Heimat, vergessen von der Weltöffentlichkeit auf eine Lösung ihres Konflikts.
Seit nunmehr vierzig Jahren.

Mohamed Sulaiman ist ein gebildeter junger Sahraui. Er hat in Algerien englische Literatur und Kunst studiert und kehrte nach dem Studium zu seiner Familie ins Lager zurück. Heute näht er Kleider für den kleinen Laden seines Vaters und arbeitet manchmal als Übersetzer, wenn internationale Besucher in die Flüchtlingslager kommen. Mit ihm erkundet das Filmteam den Alltag in den Lagern und an der schwer bewachten Grenze zum marokkanisch besetzten Teil ihres Landes. Rund zwei Drittel der Flüchtlinge sind unter 25 Jahre alt. Eine ganze Generation, die außer den Zelten und Lehmhütten im Lager nie etwas von der Welt gesehen hat. Die ersten Stimmen nach einer Rückkehr zu den Waffen werden bereits laut.

Die Sahrauis stammen aus der Westsahara, einer Region, die an Marokko, Algerien, Mauretanien und den Atlantik grenzt. Bis 1975 war die Westsahara eine spanische Kolonie. Dann zogen die Spanier ab und gaben das Land frei. Doch nicht an die Sahrauis. Der Marokkanische König Hassan II. stellte Ansprüche an das Land seiner Nachbarn. Erst schickte er Siedler über die Grenze in den Süden, dann ließ er die Sahrauis bombardieren. Mehr als 25.000 Menschen starben auf der Flucht. Sechzehn Jahre dauerte der Krieg zwischen Marokko und der sahrauischen Frente Polisario. 1991 erreichten die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand und sendeten Blauhelmsoldaten in die Region, um eine dauerhafte Lösung vorzubereiten. Doch bis heute trennt eine mehr als 2700 Kilometer lange Mauer das Land der Sahrauis. Im Westen liegt der von Marokko besetzte Teil des Landes mit der fischreichen Atlantikküste und vielen Bodenschätzen. Im Osten liegt ein verminter und fast unbewohnbarer Streifen, der von der sahrauischen Polisario verwaltet wird.
Immer wieder hat die UNO Verhandlungen für eine friedliche Lösung angestoßen. Immer wieder sind sie gescheitert. Marokko betrachtet die Westsahara als seine Südprovinz und beutet die Bodenschätze aus, denn die Geschäfte mit den Ländern Europas versprechen auch in Zukunft lukrative Gewinne.

Noch herrscht Ruhe in den Flüchtlingslagern. Noch wollen die Sahrauis die Hoffnung auf eine friedliche Lösung ihres Konflikts nicht aufgeben. Doch wie lange wird das gut gehen? Angesichts zunehmender Hoffnungslosigkeit der meist jungen Flüchtlinge und der immer größer werdenden religiösen Spannungen in der Region des Magreb eine bange Frage.

In den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara regt sich Widerstand. Immer wieder gehen die Sahrauis auf die Strasse um zu demonstrieren. Marokkanische Sicherheitskräfte gehen brutal dagegen vor.

Für den Film ist das Team weiter gereist. Hat in Spanien Sahrauis aus den von Marokko besetzten Gebieten getroffen, und in Berlin mit Politikern und Menschenrechtsorganisationen gesprochen. Die werfen Marokko massive Verletzungen gegen die Menschenwürde vor. Doch nichts geschieht. Die Länder Europas sehen weg, solange sie gute Geschäfte mit dem nordafrikanischen Land pflegen.

Wie lange wird die Region ruhig bleiben? Kann sich die Welt überhaupt einen weiteren Krisenherd leisten? Oder muss Europa nicht endlich auch diesen Konflikt angehen, damit sich nicht schon bald der nächste Brand vor der Haustür entfacht?
Die Sahrauis, das vergessene Volk der Westsahara werden nicht ewig geduldig bleiben.

Der Film wird auf  ARTE am 28. April 2015 um 22:40 Uhr gesendet.