Einschätzung der sieben Schwerpunkte der parla­men­tarischen Arbeit für DIE LINKE im Jahre 2015

Positionspapier  (Beschluss der Fraktion vom 20.1.2015)

Vorbemerkung:

Wir messen das Positionspapier der Fraktion am Bundestagswahlprogramm, weil darin die Ziele der LINKEN für die Dauer der Legislaturperiode des Bundestages festlegt sind. Die „Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit“ müssten sich darin einbetten und Schritte zur Erreichung seiner Ziele sein. Ein weiterer Maßstab ist das Parteiprogramm, das die grundsätzlichen Ziele vorgibt.

Das Positionspapier folgt aber diesen nur zu einem sehr geringen Teil. Fast ausschließlich geht es um Forderungen zu graduellen Verbesserungen im täglichen Leben des benachteiligten Teils der Bevölkerung. Das ist keinesfalls falsch, aber damit werden keine grundsätzlichen Veränderungen der kapitalistischen Gesellschaft (Parteiprogramm: „Wir kämpfen für einen Systemwechsel…“) erreicht. Eine systemkritische Position wird nur auf dem Gebiet der Banken und Finanzmärkte sichtbar und wenn es darum geht, „die Macht der großen Energiekonzerne zu brechen“. Doch dass die Fraktion „die Arbeit an unserem Projekt ,Plan B´ für einen sozial-ökologischen Umbau“ nur „fortsetzen“ will, und keine Vorschläge zur sofortigen Umsetzung wenigstens von Teilen dieses Plans hat, ist ein entscheidender Mangel des Positionspapiers.

Die schwache Erwähnung von Aufgaben ökologischer Politik leistet der immer noch vorhan­denen Meinung über die Nichtzuständigkeit der LINKEN für Ökologie Vorschub. Diese Meinung sollten wir nicht stützen, zumal sich DIE LINKE auch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 als „sozialistisch-ökologische Partei“ bezeichnet und dieses Wahlprogramm eine Fülle von ökologischen Aufgaben enthält, von denen es mehrere wert wären, zu Schwerpunktaufgaben erklärt und mit größerem Nachdruck vorangebracht zu werden.

Folgende wichtigen Ziele, deren Umsetzung unbedingt begonnen werden muss, sind im Positionspapier nicht enthalten:

  1. Im Parteiprogramm wird „die schnelle Erschöpfung vieler natürlicher Rohstoffe“ kritisch eingeschätzt und die Forderung erhoben: „Reduktion des Ver­brauchs fossiler Ressourcen um 90 Prozent“. Dieses Programmziel ist auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen umsetzbar, indem eine Ver­län­gerung der Garantiezeit, die Möglichkeit der Reparatur und bei Demontage am Ende der Lebenszeit der Produkte und Wiederverwendung der gewonnenen Materialien gesetzlich vorgeschrieben werden. Entsprechende Gesetz­entwürfe wurden von Greenpeace bereits vorgelegt. Mit einer solchen politischen Kampagne könnten bis zu 50 % des heute eingesetzten Materials eingespart und der Materialverbrauch entsprechend verringert werden. Der Widerstand der Industrie würde das unsinnige Wachstumsstreben bloßstellen und die wahren Absichten der Industrie deutlich machen, mit Herstellung von Wegwerfartikeln den Warenabsatz zu erhöhen und ihren Profit zu steigern. Das kapitalistische System als Totengräber der Menschheit würde dann offensichtlich.
    Die Ressourcenerschöpfung ist für die Bundestagsfraktion offenbar kein Problem.
  2. Im Parteiprogramm ist dem Klimaschutz und der Energiewende ein ganzes Kapitel gewidmet. Im Wahlprogramm haben wir versprochen: „Wir wollen […] ein Kohleausstiegsgesetz durchsetzen, […]“ Der entsprechende Antrag wurde im Ausschuss für Wirtschaft und Energie abgelehnt. Damit scheint es jetzt zu den Akten gelegt.
    Im Parteiprogramm gehen die Forderungen viel weiter: „100 % Erneuerbare Energie“, „Überführung der Energiekonzerne in öffentliches Eigentum“, „demokratische Kontrolle der Unternehmen“ und „gesetzliche Regelungen bei der Verbesserung der Energieeffizienz bei Elektrogeräten“. Das Wahlprogramm verspricht: „[…] sollen die Strom- und Wärme­versorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien (im ersten Schritt Stromver­sorgung bis 2020 50 Prozent, Wärme­versorgung auf 20 Prozent ) erfolgen.“
    Im Positionspapier fehlen dafür zumindest Ansätze. Die Forderungen im Positionspapier beschränken sich auf Beihilfen zu Energierechnungen (Sozialpaket), Entbindung der Mieter von Kosten für die energetische Gebäudesanierung und die Förderung von Stadtwerken und Energiegenossenschaften.
  3. Im Wahlprogramm gibt es einen ganzen Abschnitt „Mobilität für alle – mit weniger Verkehr: flexibel, ökologisch, barrierefrei, bezahlbar“
    Zu dieser Zielstellung ist im Positionspapier nichts enthalten. Es werden weder die Probleme der Deutschen Bahn (Verspätungen, Ausdünnung der Netze, Stuttgart 21, Infrastrukturausbau/Streckenelektrifizierung und Finanzierung, konkurrierendes Busfernnetz, usw.) angesprochen, noch der ÖPNV, noch der Flugverkehr, noch die Schifffahrt, noch die Pkw- und Lkw-Fahrzeugflotte mit ihren ökologischen Problemen. Mobilität als „wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge“ (Programm), spielt im Positionspapier keine Rolle, ist aber mit Maut und Investitionsstruktur für den Verkehr ein durchaus aktuelles Thema in der Legislaturperiode. Vermisst werden eigene Vorschläge der Fraktion, wie die Loslösung von fossilen Kraftstoffen beim Verkehr schrittweise gelingen kann. Von der Industrie sind Lösungen zu fordern, wie die individuelle Mobilität mit Fahrzeugen, die nur noch 10 % der Masse der „Renn-Reise-Limousinen“ ausmachen und ohne Erdöl als Kraftstoffgrundlage auskommen, durch Neukonstruktionen gesichert werden kann.
  4. Auch zur „rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken und des Internets“ (Parteiprogramm) bzw. den „demokratischen und sozialen Potenziale[n], die die digitale Revolution ermöglicht,“ (Wahlprogramm) hat das Positionspapier nichts zu bieten. Im Zeitalter der umfassenden Ausspähung aller Bürger durch den Überwachungsstaat und der Nutzung von persönlichen Daten für die „Kundenbetreuung“ durch Industrie und Handel hätte man erwartet, dass DIE LINKE hierzu ihren Standpunkt darlegt und diese Probleme als wesentlich einstuft.
    Dass mit der Realisierung des Projektes „Industrie 4.0“ eine weitere massenhafte Entlassung von Arbeitskräften einhergeht, wird nicht einmal erwähnt, obwohl es dem Kernziel der LINKEN Politik diametral zuwider läuft. Ebenso wenig werden die Möglichkeiten des Cyberkriegs thematisiert, obwohl sich DIE LINKE als konsequente Friedenspartei versteht.
  5. „Unter den entfesselten kapitalistischen Bedingungen schlagen immer rascher und weitreichender Produktivkräfte in Destruktivkräfte um“– steht im Parteiprogramm. Auch dieses Problem, obwohl aktuell, wird im Positionspapier ausgeblendet. Es geht hier nicht nur um Atomstrahlung durch AKW und Atommülllagerprobleme, sondern auch um die Schädigung der Gesundheit von Mensch und Tier durch die Nahrungsmittel-, Pharma- und Chemieindustrie und die industrielle Landwirtschaft. Die Menschheit wird von diesen Industrien dauerhaft gesundheitlich vergiftet, in den Industrieländern flächendeckend, in den Entwicklungsländern örtlich, aber intensiv. Diese gesamte Problematik, die im EU-Parlament eine Rolle spielt, wird von der LINKEN im Bundestag nicht als Schwerpunktproblem wahrgenommen.
  6. Die „Zentralität der ökologischen Frage“ (Parteiprogramm) muss auch in den Schwerpunkten der politischen Arbeit der LINKEN im Bundestag zum Ausdruck kommen. Im Parteiprogramm wird festgestellt, dass wir von der Substanz zehren, dass Hunger und Unterernährung zunehmen, die Weltmeere überfischt werden, die Klimakatastrophe droht, dass sich die natürlichen Rohstoffe erschöpfen und die sich biologische Vielfalt beschleunigt verringert. „Eine ökologische nachhaltige Entwicklung steht im Widerspruch zur kapitalistischen Wachstumslogik“ (Programm).

Anscheinend hat die LINKE im Bundestag so wie die anderen Parteien nur ein Blickfeld bis zum Ende der Legislaturperiode, und die Gefährdung des Weiterbestandes der Menschheit durch das Wirken der kapitalistischen Ökonomie wird ausgeblendet.

Gerade auf diesem Gebiet hätte die Fraktion in der Opposition ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Grünen, die sich von einer Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse verabschiedet haben.

Anmerkung

Diese Stellungnahme wurde am 28.2.2015 vom Koordinierungsrat der Ökologischen Plattform beschlossen.