Dieselabgase – Krankheit & Tod auf leisen Sohlen

CDU/AfD/FDP treten Gesundheit mit Füßen

Die Berliner Umwelt- und Verkehrssenatorin Günther macht bisher einen guten Job. Im Dschungel der Interessengruppen und im Dickicht vieler zahnloser Rechtsvorschriften kämpft sie wacker für eine Verkehrswende. Es geht ums Ganze: nämlich eine Verkehrswende, die uns längerfristig von Dreck und Lärm des Autoverkehrs befreit und in eine mobile Zukunft mit ÖPNV, Rad und Elektroauto führt. Insbesondere im Innenstadtring entlang vieler Hauptstraßen ballt sich schlechte Luft mit Stickoxiden und Feinstäuben, ist der Lärm der vielen Fahrzeuge ein großes Problem. An allen Messstationen im Hauptstraßennetz wird seit Jahren der Grenzwert für Stickoxid überschritten. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind der Abschnitt der A-100, der Spandauer Damm am Bahnhof Westend, Teile der Kantstraße und der Hardenbergplatz hot Spots der Belastung. Die Deutsche Umwelthilfe hat deshalb zurecht eine Klage gegen das Land Berlin eingereicht. Fahrverbote sind gerichtlich nicht auszuschließen. Die CDU/CSU/SPD Bundesregierung verweigert die Einführung einer blauen Plakette für schadstoffarme Fahrzeuge, mit der wenigstens die größten Dreckschleudern gezielt aus dem Verkehr gezogen werden können.

Wes Geistes Kind Rechte und Liberale sind

Es bleibt nur wenig, was aktuell getan werden kann. Ein bisschen Linderung verspricht immerhin Tempo 30 entlang wichtiger Hauptstraßen. Es geht dabei vor allem um weniger Krach und darum, das weniger Feinstaub aufgewirbelt wird, wenn die Straßen trocken sind. Zugleich werden Unfallgefahren kleiner. Kaum ausgesprochen von der Senatorin, stehen prompt die fossilen Bedenkenträger aus CDU/AfD/FDP samt ADAC und Wirtschaftsverbänden auf der Matte und toben. Gesundheitliche Probleme schmutziger Luft in Berlin samt wissenschaftlichen Erkenntnissen werden klein geredet. Alles nutz- und sinnloses Getue, Hauptsache der Verkehr rollt ungehemmt. Im Kern verbirgt sich dahinter eine menschenverachtende Haltung. Was machen schon so ein paar Körnchen Feinstaub aus und eine Ladung Stickoxid! Für diese Parteien gibt es nur den gesunden Durchschnittsbürger, dem das bisschen Dreck nichts ausmacht. So oder ähnlich wie diese „Volksvertreter“ denken viele. Was macht das schon aus und wenn doch was passiert, ja nun, das ist dann eben Schicksal und eigentlich wird mir schon nichts passieren. Solch Gerede ist in unserer Kultur tief verwurzelt. Und sie hat viel zu tun mit der preußischen Geschichte in Deutschland, mit Zucht und Ordnung, mit Disziplin, Härte und Rücksichtslosigkeit.

Prinzip gesundheitlicher Vorsorge unter die Räder gekommen

Durch die Härten der Nachwendezeit, den neoliberalen Gesellschaftsumbau, vielerorts miese Bedingungen für Arbeit, Wohnen und Leben geht es wieder rauer, rabiater und rücksichtsloser in der Gesellschaft zu. Das hat großen Schaden angerichtet für ein sensibles und humanes Miteinander in unserer Gesellschaft. Die Orientierung am Gemeinwohl ist auf weite Strecken verloren gegangen. Das einst breiter diskutierte Vorsorgeprinzip zur Abwehr von Gesundheitsschäden gilt im Umweltschutz kaum noch etwas. Stattdessen immer mehr wortreiche und inhaltsleere Vorschriften ohne Biss. Zum Glück des Menschen gehört aber die Gesundheit wie das Amen in der Kirche. Gerade wer das Wort christlich im Parteinamen führt, der sollte sich das hinter die Ohren schreiben. Und Gesundheit ist von vielen Faktoren abhängig, denn den „gesunden Durchschnittsbürger“ gibt es nicht. Dafür sorgt schon allein die erbliche Ausstattung mit einer großen Bandbreite, wie gesund oder krank wir uns durchs Leben schlagen. Dazu kommen besondere Empfindlichkeiten von Babys, kleinen Kindern und denen kranker und alter Menschen. Und genau hier beginnt die Vorsorge und vorbeugendes Handeln, wenn man ernsthaft Verkehrslärm und giftige Autoabgase angehen und Gesundheitsschäden vermeiden will. Vor allem Anwohner stark belasteter Straßen, die schon Gesundheitsprobleme haben, sind von Feinstaub und Stickoxiden aus Autoabgasen bedroht. Prof. Dr. Witt – Lungenspezialist an der Charité – dazu im Interview mit dem SWR:

„Die Schadstoffe lösen in erster Linie eine Entzündung aus und verstärken bereits bestehende Erkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems“.

Studien der Europäischen Umweltagentur gehen jährlich von um die 70 000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung in Deutschland aus.

Soziale Ungleichheit verschärft Gesundheitsprobleme

Weitere Faktoren kommen hinzu, die über ein gesundes Leben entscheiden. Dazu gehört, ob man reich oder arm geboren wird, welche Bildung man genossen hat, welchem Beruf man ausgewählt hat und wo man wohnt, wie man sich ernährt, ob man viele Medikamente zu sich nimmt, mit Rauschgift oder Alkohol und Tabak ausgiebig hantiert. Es macht schon einen Unterschied, ob man inmitten sauberer Luft im Grünen wohnt oder entlang einer hochbelasteten Hauptverkehrsstraße, ob man als Büroangestellter nur den Bleistift spitzt und sich die Augen am Computer verdirbt, ob man als Handwerker im Baubereich täglich mit gefährlichen Abbruchmaterialien oder Stoffen zu tun hat oder als Reinigungskraft arbeitet, wo ständig mit häufig ungesunden Putzmitteln hantiert werden muss. Viele Faktoren treten nicht unabhängig voneinander auf. Und wo mehrere Faktoren gleichzeitig zusammenkommen, da wird die Gesundheit so richtig in die Zange genommen. Das trifft gesundheitlich dann diejenigen viel härter, die wenig verdienen, schlechte und gesundheitsbelastende Jobs haben, häufiger krank werden, entlang hochbelasteter Straßen wohnen oder sich ungesund ernähren. So bleibt Gesundheit auf der Strecke und die Kosten wachsen.

Was zu tun ist

Dem Handeln des Einzelnen sind Grenzen gesetzt, wenn es um bessere Luft oder ein gesünderes Leben geht. Mit Rauchen kann jeder aufhören, doch eine bessere Stadtluft in Berlin schafft man nicht allein. Da ist dann die Politik gefragt. Gute Gesundheit für alle, das heißt: was individuell nicht mehr möglich ist, dass ist gesellschaftlich zu regeln. Deshalb braucht es mit Blick auf Dieselabgase endlich wirksame Regelungen im Umweltschutz. Und ein klitzekleiner, aber wichtiger Baustein dafür heißt Tempo 30. Das sollte mit hohem Tempo im Abgeordnetenhaus endlich durchgesetzt werden. Und zwar so schnell, dass Rechten und Liberalen Hören und Sehen vergeht.

Dr. Detlef Bimboes, 5.7.2017
Mitglied der Ökologischen Plattform bei der Partei DIE LINKE