DOPPELTE HITZE –
in der Luft und im Kopf

Es werden wohl nicht wenige noch immer glauben, dass wir nicht ernten, was wir gesät haben. Doch zeigt ihnen die größte Hitzewelle seit 15 Jahren, was die Uhr geschlagen hat. Damals forderte sie tausende Todesopfer in Europa, vom jetzigen Geschehen sind noch keine Zahlen bekannt. Schwerer wird es, den Kopf in den Sand zu stecken nach dem Motto: Es wird schon nicht so schlimm werden, das hat es schon immer gegeben usw. Wohl wahr, die (Erd-)Geschichte hat wahrlich mehr oder minder schwere und lange Hitzeperioden erlebt. Aber was die jetzige(n) davon unterscheidet, ist nicht nur die rasche Aufeinanderfolge in historisch kurzer Zeit. Jeder, der es wissen will, kommt auch nicht umhin, die Exkremente des Industrialismus dafür verantwortlich zu machen, die in Gestalt von Kohlendioxid die Atmosphäre aufheizen. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Der Kapitalismus mit seiner unaufhörlichen Jagd nach Profit hat uns hierher gebracht, und gemäß des Wegsehens und der Verantwortungsschwäche der politischen Klasse wird sich solange nichts daran ändern, wie er nicht kollektiv ökologisch eingehegt wird.

Davon ist jedoch wenig zu spüren. Das liegt nicht nur an der Stärke der Herrschenden, sondern auch an mangelnder Einsicht und Handlungsbereitschaft der Beherrschten. Sie machen den Tanz auf dem Vulkan mit, so lange es eben geht. Vielleicht haben sie ein schlechtes Gewissen dabei, aber das ändert wenig. Zugegebenermaßen ist der überbordende Konsum nur die eine Seite, die ständig steigende Stoffumwandlung in der Produktion die andere. Gleichwohl kann hier durchaus angesetzt werden, als Beitrag zur Veränderung und als Lernmittel zum Gesamtzusammenhang. Hier aber stoßen wir auf die zweite Hitze, welche die erste begleitet und verschärft. Es ist der ökologische Leerlauf im Staatsapparat, in den Unternehmen und in den für die Öffentlichkeit zuständigen Agenturen. Wenn sie nicht geradezu jeglichen Umweltschutz konterkarieren (vgl. Abgasmanipulationen), produzieren sie in aufwändigen Konferenzen und vollmundigen Stellungnahmen vor allem eins: heiße Luft. Es kann sich nichts ändern, solange das so ist. Dem Publikum, das ohnehin nicht gerade wild auf ökologische Aufklärung ist, werden damit die Augen verklebt.

Wie aber kann und wird sich eine Wende vollziehen? Unsere Zivilisation ist nicht die erste und einzige, die an sich selbst zugrunde gegangen ist. Umweltförderliche Expertisen und Verbände sind durchaus vorhanden und machen von sich reden. Von dem, was der weiland Bundespräsident Herzog einmal forderte, nämlich dass ein „Ruck“ durch Deutschland gehen müsse, sind wir indes weit entfernt. Den aber braucht es in Gestalt eines vielzweigigen ökologischen Pakts, der sich nicht nur aufklärerische, sondern vor allem auch praktische Ziele (z.B. Stopp des Braunkohleabbaus) setzt. Die größten Dreckschleudern unter den Autos müssen mindestens aus dem städtischen Verkehr gezogen und die Verschmutzungsrechte neu skaliert werden. Fracking mit seinen unabsehbaren Folgen darf es gar nicht oder nur unter strengsten Auflagen geben. Es ist immerhin einigermaßen gelungen, aus der Atomenergie wenigstens teilweise auszusteigen.

Keineswegs betrifft all das nur Deutschland. Vielmehr zehren alle großen Industrieländer mehr oder minder ungehemmt an den Gebrauchswerten der Natur. Hätte diese eine Stimme, würde sie klagen und die Nutzer anklagen. Es ist gut und notwendig, vor der eigenen Tür zu kehren. Aber gemessen an der Internationalität der Probleme und der Behebung wird nur eine globale Aktion zum Erfolg führen können. Es wäre schon viel und ein erster Schritt, die ernste Lage weltweit anzuerkennen und mindestens einen Stufenplan zu entwickeln, um ihr beizukommen. Es gibt einige solcher, aber bekannt sind sie kaum und handlungsleitend noch weniger. Die vielzitierte „vierte Gewalt“ in der Gesellschaft, die Presse und die sozialen Medien, wäre gut beraten, statt den ‚Sensationen‘ des täglichen Kleinkleins den ökologischen Zustand und Wege seiner Besserung zu thematisieren. Auch in den Kirchen könnte zur „Bewahrung der Schöpfung“ viel mehr gesagt und getan werden. Selbst wenn die derzeitige Arbeiter-, d.h. vor allem Gewerkschaftsbewegung nicht gerade kritikwütig ist, muss ihr doch daran liegen, dass der Ast nicht bricht, auf dem sie sitzt. Der Planet, der unter unseren Zumutungen ächzt, wird es danken, wenn wir ihn als Heimat erhalten. Die Hitzewellen wären so ein Ansporn.

Gerhard Armanski

3 Gedanken zu „DOPPELTE HITZE – <br />in der Luft und im Kopf“

  1. Hallo Wolfgang Borchardt,
    offenbar ist nicht deutlich genug rüber gekommen, worum es geht: Es geht nicht um ein Entweder-Oder: entweder „Handarbeit“ oder politische Aktionen zur Herstellung von Demokratie in Gesellschaft und Wirtschaft, sondern Beides ist nötig und unterstützt sich gegenseitig. Das Verhältnis der beiden Seiten ist aber nicht ausgeglichen. Die „Handarbeit“ ist der Faktor, der derzeit entschieden gestärkt werden muss, wenn die Herstellung der Demokratie gelingen soll. – An politischen Abhandlungen mangelt es nicht (dazu habe ja auch ich – wie du weißt – immer mal beigetragen und tue es weiterhin), deren Wirkung lässt allerdings zu wünschen übrig. Es ist wie im Klassenkampf überhaupt: theoretische Einsichten benötigen praktischen und massenhaften Kampf, um realisiert zu werden. Bei der Energiewende besteht der massenhafte Kampf darin, dass jetzt weitere Millionen Menschen sich der Möglichkeiten der Photovoltaik bemächtigen. – Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat ihr Steckermodul-Produkt „Solar-Rebell“ genannt – ein hoch politischer Vorgang!

    Schöne Grüße

  2. Der Kommentar erweckt den Eindruck, dass der Beitrag von Gerhard Armanski am Kern der Probleme vorbeigeht, weil er eigenes Handeln nicht thematisiert. Ich finde, das wäre zu einfach. Natürlich müssen wir bei uns selbst anfangen, aber das reicht auch nicht. Es wäre ein (ebenfalls) unvollständiger Ansatz, in der Sprache der Dialektik sozusagen nur die Antithese.
    Was wir brauchen, ist die „Handarbeit“ und politische Aktionen, die nicht „nur“ Naturschutz- oder Umweltbewegung thematisieren, sondern auf die Herstellung wahrhaft demokratischer Verhältnisse in der Gesellschaft einschließlich Wirtschaft gerichtet ist. Der Begriff „Politische Klasse“ lenkt einerseits ab vom Wesen des Kapitalismus, der im Interesse des Überlebens überwunden werden muss; der Begriff kennzeichnet jedoch eine wachsende Gruppe von politisch tätigen Menschen, denen wirtschaftliche Sicherheit, persönlicher Gewinn und Macht durch ihr politisches Mandat zunehmend wichtiger werden, als die Ausübung ihres Mandats im Gemeinwohlinteresse (nachzulesen in: „Das System. Die Machenschaften der Macht“: München 2001). Das untergräbt das von denselben Menschen so hochgehaltene Gut „Demokratie“ und rührt schon gar nicht an der Macht des Kapitals.
    Daran ändert auch meine private Solaranlage nichts. Wir brauchen eben beides.

  3. …nicht der Planet ächzt, wir ächzen unter dem, was wir uns selbst zufügen!

    Und auch die „Schuld“ nicht immer nur bei anderen suchen: bei „dem Kapitalismus“, bei „der politischen Klasse“ [Was ist das überhaupt?? – außer dass es ein Modewort ist und so oberflächlich wie Modewörter nun mal sind], bei „den Medien“, und die Gewerkschaften könnten auch mal mehr tun…. – Was aber tun wir ?? – Das kommt in dem Artikel nicht vor.

    Im Camp der „Ende Gelände“ – Aktion im Rheinland (vor wenigen Jahren) las ich „Energiewende ist Handarbeit“. Das trifft genau zu! Jeder muss mit anpacken! – Das bedeutet überhaupt nicht, politisch Verantwortliche aus der Pflicht zu entlassen! Aber es bedeutet, das, was möglich ist, auch zu tun. Wer ein Dach sein eigen nennt und es nicht ohnehin schon macht, sollte darauf Strom erzeugen. Bereits mit einer 6 KW-Anlage und Batteriespeicher kann sich eine kleine Familie rund ums Jahr zu 100% versorgen – wenn denn der Wille dazu da ist.
    Wer Eigner oder Mieter eines Balkons ist, kann durch Steckermodule seine Stromrechnung reduzieren. Wo auch das nicht geht, gibt es es vielleicht eine Datscha, wo es sich gut experimentieren lässt. Wenn sich mehrere zusammentun, entstehen weitere Möglichkeiten. Und auch mal überlegen: Macht es wirklich Sinn, 20.000 Euro für ein Auto auszugeben? Kann man Mobilität nicht billiger haben und mit dem eingesparten Geld eine Solaranlage anschaffen?
    Ja, ganz Viele müssen anfangen zu experimentieren, sich dieser erstaunlichen Technologie namens Photovoltaik bemächtigen, ihre Einsatzmöglichkeiten erkunden und nutzen. Wenn Viele das machen, werden wir es auch viel leichter mit der Regierung haben. Diese tut im Sinn der Konzerne natürlich alles, um die Dezentralisierung der Energieerzeugung zu verhindern. Sie wird aber unterliegen, denn die Photovoltaik ist ihrem ganzen Wesen nach dezentral. – Für uns ist das eine Riesenchance – lassen wir sie uns nicht entgehen!

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