Der Wolf im Schafspelz

Wenn sich ein FDP-Politiker als Protagonist der Energiewende gebärt, ist Aufmerksamkeit angebracht. Ist gar ein Arzt der vermeintliche Wirtschaftsexperte, dann gibt es schon gar keinen Grund, sich beruhigt zurückzulehnen.

Wie im Krimi nach dem Schema „Böser Bulle – guter Bulle“ hat Bundeswirtschaftsminister Rösler den undankbaren Part dessen übernommen, der ökologisch denkende Menschen mit Horrorvorstellungen zu konfrontieren hat. Das hat den Zweck, dass der deutsche Michel dann, wenn es auf Grund der Proteste doch nicht so schlimm kommt, im Gottvertrauen auf unsere „Volks-“ Vertreter beruhigt weiter schlafen kann.

Bereits am 13.6.12 brachte die FAZ unter der Überschrift „Wir müssen an die Förderung für erneuerbare Energien ran“ ein Interview, in dem Rösler erklärte:

„… Es kann nicht sein, dass wir Subventionen an der einen Stelle durch Subventionen an anderer Stelle ausgleichen. …“
auf die Frage: „Viele rufen nach mehr Hilfen, auch für den Neubau von Kraftwerken, weil die wegen der hohen Förderung für Erneuerbare nicht mehr wirtschaftlich sind.“

„Der Grund dafür ist der Einspeisevorrang und die Vollkaskofinanzierung für alle Investitionen in erneuerbare Energien. … Hier handelt es sich um ein Problem, das durch eine Subvention entstanden ist …“
und schließlich als Maßnahme zur Beschleunigung der Energiewende:
„… Uns wäre bereits geholfen, wenn wir zum Beispiel beim Durchqueren von Schutzgebieten einen Teil der EU-Regeln auf Zeit außer Kraft setzen könnten.“

Möglicherweise hat er damals (wegen des sich öffnenden Sommerloches?) nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten. So legte er – in Vertretung der Kanzlerin – als Leiter der 15-minütigen Kabinettssitzung nach,  in der am 1.8.12 die Weiterführung des „Spitzenausgleichs“1) beschlossen wurde:

„Die Fortführung des Spitzenausgleichs ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Industriestandortes Deutschland. Durch die heute unterzeichnete Vereinbarung mit der Wirtschaft über die Steigerung der Energieeffizienz in den produzierenden Unternehmen haben wir gleichzeitig aber auch einen wichtigen Schritt zur Erreichung unserer energie- und umweltpolitischen Ziele getan. Das zeigt wieder einmal, dass erfolgreiche Wirtschaftspolitik und kluge Umweltpolitik Hand in Hand gehen.“

Die „kluge Umweltpolitik“ besteht also darin, dass sich Industrie zu „Selbstverpflichtungen“2) bereit erklärt hat. Klar bei jährlich ca. 23 Mio €, mit denen die Bundesregierung den Spitzenausgleich subventioniert, kann man schon mal kleine Versprechungen machen. Nur hat da der sich selbst als „klug“ lobende Arzt etwas Wichtiges durcheinander gebracht: Die Förderung der Erneuerbaren Energien war der Versuch einer politisch gewollten, ökologisch dringend notwendigen  (und unter der gegenwärtigen Regierung ungeliebten) Um-Steuerung der Wirtschaft. Diesen Versuch der wirtschaftlichen Steuerung mit dem gleichen Begriff Subvention zu bezeichnen, wie die Unterstützung überholter Wirtschafts- und Produktionsstrukturen, zeugt von einigem Unverständnis. Aber wenn schon beides Subventionen sein sollen – warum gleicht er dann „Subventionen an der einen Stelle“ (Erneuerbare Energien) „durch Subventionen an anderer Stelle“ (für Stromfresser) aus? Und wenn jemand das tut, was er 6 Wochen früher kritisiert hat – das ist dann „kluge (Umwelt-) Politik“?

Offenbar reichte ihm das aber noch nicht.
So nahm Rösler eine Steilvorlage der ihm unterstellten Bundesnetzagentur3) auf, die am 3.8.12 kritisiert hatte, „dass der Ausbau der Höchstspannungsstromnetze nur schleppend vorankomme“ als Anlass, im Interview1 mit der „Welt am Sonntag“ (5.8.12) zu erklären: “

„Mit dem geltenden Naturschutz ist der Bau von Leitungen zwar möglich, aber es kommt immer wieder zu unnötigen Verzögerungen …“
Es solle geprüft werden, „ob europäische Umweltvorgaben vorübergehend außer Kraft gesetzt werden können … Auch die Reduzierung auf eine Klageinstanz beim Bundesverwaltungsgericht ist ein sinnvoller Schritt, um schneller voranzukommen.“

Im Klartext:

Natur- und Umweltschutz, vertreten von engagierten Menschen in und außerhalb von Umweltschutzorganisationen (also Organisationsformen der demokratischen Mitwirkung im Staat) sind für den Wirtschaftsminister und stellvertretenden Regierungschef unnötig, weil sie den zügigen Ausbau der Nord-Süd-Stromtrassen behindern. Die Bundesnetzagentur mit ihrem Netzentwicklungsplan unterstützt die Behauptung: „Die Stromautobahnen zwischen Nord- und Süddeutschland sind eine Voraussetzung für die Energiewende.“ Die Mainstream-Medien repetieren das kritiklos und stellen Rösler damit als Protagonisten der Energiewende dar. Gedankenloser (oder gekaufter ?) Journalismus wird auf diese Weise den Interessen der Energiekonzerne untergeordnet, denen nichts ferner liegt, als eine Energiewende, zumindest in Richtung einer ökologischen, dezentralen Energieversorgung.

Nun ja, das wussten wir ja bereits. Neu ist allenfalls, dass der Wirtschaftsminister das Sommerloch nutzt, um nun endlich Aufmerksamkeit zu erzielen

Wolfgang Borchardt, 9.8.2012

 


1) „Spitzenausgleich“ ist die euphemistische Bezeichnung dafür, dass Strom-Gr0ßverbraucher von der EEG-Umlage „entlastet“ werden. Durch den „Spitzenausgleich“ werden die im Energiewirtschaftsgesetz angestrebten Steuerungswirkungen in Richtung Energie-Effizienz konterkariert oder, anders formuliert: Stromfresser subventioniert.     zurück
2) Effekte von Selbstverpflichtungen der Industrie siehe:

3) Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit Sitz in Bonn. zurück


  1. Wenn der Link nicht funktioniert, kann der Text hier herunter geladen werden: Rösler__Für_Ausbau_des_Stromnetzes_Umweltauflagen