Ein Tag im ZEGG

Manfred Wolf

Einmal nicht wie gewöhnlich in Berlin traf sich der Koordinierungsrat der Ökologischen Plattform zu seiner Quartalstagung im Zentrum für Experimentelle GesellschaftsGestaltung (ZEGG) am Rande der brandenburgischen Kurstadt Belzig. Anne-Kathrein Petereit wollte unbedingt, daß wir einmal direkte Bekanntschaft mit der dort eben etwas anders lebenden und arbeitenden Gemeinschaft von heute 80 Erwachsenen und Kindern machen. Ob sie wohl dachte, wir bleiben alle gleich da und schließen uns einer alternativen Lebensweise an? Das wohl nicht. In ihren Augen sind wir dazu alle schon zu verknöchert, was ja auch stimmt. Sie übrigens auch, denn so begeistert sie auch ist von der dortigen Art des Umgangs zwischen den Menschen, der Gestaltung des persönlichen und Gemeinschaftslebens, ist sie eben auch zu sehr mit ihrem Umfeld in Berlin verbunden. Im Übrigen hätten sie uns sowieso nicht genommen, jedenfalls nicht gleich, denn wie uns Achim Ecker, Mitbegründer des ZEGG an diesem Standort im Jahre 1991, sagte, haben sie für ernsthafte Bewerber in deren eigenem aber auch im Interesse der schon bestehenden Gemeinschaft eine etwa zweijährige Prüfungszeit.
Einiges wußten wir ja schon vom ZEGG, denn Achim Ecker hatte vor drei Jahren schon einmal auf einem Workshop der Ökologischen Plattform gesprochen. Aber das eigene Erleben, und wenn es auch nur für gut 24 Stunden ist, vermittelt eben doch einen nachhaltigeren Eindruck. Denn faszinierend war es schon, was wir zu sehen und hören bekamen; nichts Spektakuläres, halt einfach ein etwas anderes Zusammenleben von Menschen untereinander und mit der Natur.
Hier nur zwei kleine Einblicke: Die Angebote zu den Mahlzeiten, die vegetarisch sind und uns sehr gut schmeckten, werden von Mitarbeitern der Küche zunächst vorgestellt. Wer schon anwesend ist versammelt sich um das angerichtete Buffet und bedankt sich bei der Küche bevor er sich sein Menü auflädt mit Applaus. Nach dem Essen hilft jeder, auch die Gäste, etwas beim Geschirrspülen und Einräumen.
Am Abend durften wir mit der Chorleiterin und Sängerin Hagara Feinbier, die ebenfalls zum ZEGG gehört, gemeinsam singen, beginnend mit einem kleinen Lied der Indianer. Obwohl anfänglich einige etwas skeptisch waren, ob sie wohl die inzwischen ungewohnte Übung noch bringen, machte es allen zunehmend mehr Spaß. Oder fast allen. Rainer und Uwe fanden das etwas unter ihrer Würde und studierten in der Zeit auf dem Korridor in einer Ausstellung die Geschichte des jetzt dem ZEGG gehörenden Campus.
In einer kleinen Broschüre zur Arbeit im Jahre 2005 ist zu lesen: „Wir verstehen Gemeinschaft als eine Lebensform, in die der Mensch als Ganzes hineinpasst, mit seiner Suche nach Sinn, nach Dauer in der Liebe, nach erfüllter Sexualität, nach Solidarität und Freundschaft, nach einem sinnvollen Beruf und nach einer spirituellen Verbindung mit der Welt“.
Eine ausführliche Führung am Sonntag vormittag durch Achim Ecker machte uns mit der wirtschaftlichen Seite des Zentrums bekannt. Da war viel interessantes zu erfahren: von ökologischem Land- und Gartenbau, der biologischen Pflanzenkläranlage, eigener Bautätigkeit, eigenem Heizwerk auf Holzschnitzelbasis, von Kinderbetreuung, eigenem Restaurant und Buchladen, von der Arbeit mit Menschen der Umgebung und Besuchern, der Durchführung von Konferenzen, Workshops, Foren. Und das ist noch nicht alles, denn alles kann man nicht in einen kurzen Bericht packen. Deshalb ergänzend noch ein Zitat aus der schon erwähnten Broschüre: „Das ZEGG ist ein internationales Tagungs- und Forschungszentrum, das Modellentwürfe für ein sozial und ökologisch nachhaltiges Leben erarbeitet. Außerdem hat sich das ZEGG zu einem vielfältigen Kulturzentrum entwickelt, zu einem Treffpunkt für die Region und zu einem Vernetzungsort für Gemeinschaften und engagierte Menschen, die in Politik, Ökologie und im sozialen Zusammenleben nach neuen Lösungen suchen“.
Wir alle waren sehr beeindruckt, vor uns waren es schon andere. Ein Gast aus Paris schrieb ins Gästebuch: “Erfreulich, daß es diesen Ort in der Welt gibt, wo Wesentliches geschieht: Leben“.
Für neugierig gewordene: Am 21. Mai ist Tag der offenen Tür.

April 2005