Strategie- und Aktionskonferenz des Sozialforums Deutschland

am 19./20. 11. 2005 in Frankfurt/Main

Bericht und Einschätzung von Götz Brandt

Auf dem 1. Sozialforum Deutschland in Erfurt war eine Nachfolgekonferenz verabredet worden. Sie fand regen Zuspruch: 330 NRO-Aktivisten und linke Gewerkschafter beratschlagten über die weitere Strategie und einen Aktionsplan.
Ein Hauptproblem wurde wieder nicht angesprochen, dass, solange die NRO’s einen menschlichen, sozialverträgliche gemilderten neoliberalen Kapitalismus dulden, sie Bestandteil des Systems sind und die Bürger beruhigen. Man kann erfahrungsgemäß systemimmanente Mängel im System nicht verändern und auch nur sehr eingeschränkt mildern. Es wurde in den inputs und in der Diskussion nicht deutlich, dass soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Freiheit im kapitalistischen System nicht zu gewährleisten sind. Kritik am neoliberalen Kapital reicht nicht aus , es muss die Klassenfrage gestellt werden. Aber Forderungen nach Enteignung oder staatliche Kontrolle der global players sind bei NRO’s und linken Gewerkschaftern heute noch nicht denkbar, könnten aber im Zuge des weiteren schnellen Abbaus der sozialen Rechte und der Verschlechterung der Lage des Großteils der Bevölkerung durchaus auf die Tagesordnung kommen. So wurde zum Beispiel nur gefordert, dass gesetzlich festgelegt werden müßte, dass Betriebe, die Gewinn machen, keine Arbeiter entlassen dürfen.
Ein weiteres wesentliches Problem, das die Wirksamkeit der NRO-Arbeit einschränkt, ist, dass es zur Zeit in Deutschland keine systemverändernde linke politische Organisation gibt, die im Parlament vertreten ist. Auch die Linke.PDS will nur die schlimmsten Auswüchse des Systems verhindern. La Fontaine: „Ich bin für einen starken Staat bei Fortexistenz von Markt und Wettbewerb“. Aber der Staat ist nach wie vor fest in der Hand der Kapitalisten, was im Koaltionsvertrag zum Ausdruck kommt, ein „starker Staat“ für das Kapital also.
Den Linken Gewerkschaftern und NRO’s fehlen bisher Verbündete in den Parlamenten. Nun hoffen sie auf die Linkspartei, die sie beeinflussen wollen und mit der man strategische Allianzen schmieden will, als Gleicher unter Gleichen. MdB Wolfgang Gehrke von der Linksfraktion im Bundestag gab den Versammelten die Zusicherung, dass die Parlamentarier der Linkspartei eine Allianz mit der ausserparlamentarischen Opposition eingehen wollen und dass die Abgeordneten in die Bewegungen hineingehen werden. Er gab das Versprechen, dass die Parlamentarier mehr ausserhalb des Parlaments als im Parlament tätig sein werden. Ob er da für alle gesprochen hat und das auch selbst realisiert, ist die Frage. Jedenfalls können andere gesellschaftliche Mehrheiten nur durch Zusammenarbeit mit den NRO’s entstehen.
Die strategischen Zielstellungen des Sozialforums wurden in den inputs und in der Diskussion durch Beifallszustimmung wie folgt festgelegt:
· Ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 €/h, der Brotto monatlich 1250 € betragen soll, wird gefordert. ( Netto sind das für Ledige 925 € monatlich, was unter der gesetzlichen Pfändungsgrenze liegt. Mit diesem Verdienst kann man keine Familie günden. Nach Verdi ist ein Lohn von 1440 € brutto bereits ein „Armutslohn“).
· Für die Erwerbslosen muss es eine gesetzliche Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung geben.
· Die Einführung der 30 – h – Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich ist notwendig, um mehr Arbeitzsplätze zu schaffen.
· Senkung des Renteneintrittsalters auf 60 Jahre ohne Abschläge.
· Einen einheitliche bedarfdeckende Krankenversicherung
· Besteuerung des Reichtums durch Rücknahme der Steuersenkungen für die Reichen. Während die Reichen früher 33 % des Steuervolumens deckten, sind es heute nur noch 15 %. Deshalb muss der Spitzensteuersatz wieder auf 47 bis 50 % angehoben werden und die Vermögenssteuer (bei marktgerechter Bewertung des Vermögens) wieder eingeführt werden. Das könnte zusammen 30 Mrd. € zusätzliche Steuereinnahmen bringen. Die „Reichensteuer“ der großen Koalition bringt nur 700 Mio €.
· Uneingeschränkter Zugang zu Bildung/Erziehung/Kultur, keine Studiengebühren. Keine Eliteuniversitäten.
· Keine Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, Verhinderung der Bolkestein-Richtlinie.
Weiterhin wurde über Friedenspolitik, Bundeswehreinsatz, Menschenrechte und Asylpolitik, Energiepolitik und Ökologie, Wohnungslose und andere Tagesthemen diskutiert.
Der Salamitaktik der neuen Regierung beim Generalangriff auf die Sozialsysteme und Arbeiterrechte soll ein Generalangriff der NRO’s in Allianz mit der Linkspartei.PDS entgegengesetzt werden.
Es wurden die Termine vieler Einzelaktionen aufgelistet und die wichtigsten gemeinsamen Aktionen festgelegt:
· Demonstration in Strasburg gegen die Bolkestein-Richtlinie, wenn das Europaparlament darüber entscheidet.
· Großdemo in Berlin im Frühjahr 2006 gegen die große Koalition, die von den Grünen und den Freien Demokraten flankiert wird. Allianz mit der Linkspartei.PDS
· Demo gegen den G 8 Gipfel in Heiligendamm vor dem Zusammentreten.
Die Zielstellungen und die Organisation dieser wichtigen Aktionen sollen auf einem Arbeitstreffen im Dezember 2005 diskutiert und beschlossen werden.

Weitere Informationen unter www.versammlung-sozialer-bewegungen.de