Asse II – ein Endlager säuft ab

Tina Tailor

Das „Forschungsbergwerk Asse“ in der Nähe von Remlingen im Landkreis Wolfenbüttel wird auch von Atomkraftgegnern zumeist recht stiefmütterlich behandelt. Dabei ist es de facto bisher nicht nur das einzige niedersächsische Endlager, sondern auch das dem Nuklidinventar (sozusagen der Menge der eingelagerten Radioaktivität) nach größte Endlager in Deutschland! In das ehemalige Kali- und Steinsalz-Bergwerk wurden von 1967 bis 1978 rund 125 000 Fässer schwach- und 1300 Fässer mittelradioaktiver Abfälle eingelagert – zu Forschungszwecken! Die schwach radioaktiven Abfälle stammen zu etwa 60 % aus den Forschungszentren Karlsruhe und Jülich und zu 40 % aus Atomkraftwerken, der kerntechnischen Industrie und den Landessammelstellen. Die mittelradioaktiven Abfälle, die 40 % der Gesamtaktivität ausmachen, stammen aus der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe.

Seit 1978 ist die Einlagerung beendet, seit 1999 arbeitet die Betreibergesellschaft Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) am Langzeitsicherheitsnachweis, und dem ursprünglichen Konzept nach soll das Bergwerk bis zum Jahre 2013 vollständig verschlossen und zurückgebaut sein. Aber die Arbeiten verzögern sich, und für den kritischen Menschen zeigen sich immer mehr Haken an der Sache.

Weil die Einlagerung in die Schachtanlage Asse II erfolgte, bevor das Atomgesetz erlassen wurde, gilt diese nicht als Endlager, und ihre Stilllegung erfolgt nicht nach Atomrecht, sondern nach Bergrecht. Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist damit das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld. Für die Errichtung und den Betrieb eines Endlagers wäre hingegen das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)zuständig, für seine Genehmigung das Niedersächsische Umweltministerium (NMU). Im Gegensatz zum Bergrecht, das keine Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung und Genehmigung des Abschlussbetriebsplanes vorsieht, schreibt das Atomgesetz die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz mit umfangreichen Bürgerbeteiligungen und Einspruchsrechten vor. Eine Bürgerbeteiligung hat das Landesamt zwar für die Asse auch zugesagt – aber im Unterschied zum atomrechtlichen Verfahren besteht hierzu kein Rechtsanspruch, und fristgemäße Einwendungen berechtigen nicht zur Klage. Zudem dürfen nur Betroffene Klage erheben – ein atomrechtliches Verfahren hingegen würde dies für alle Bundesbürger möglich machen.

Für die Erbringung des Sicherheitsnachweises ist die GSF zuständig. Vergleichende Gutachten unabhängiger Organisationen sind nicht geplant. Die Kosten für die Stilllegung – allein für die Jahre von 1993 bis 2010 werden dafür insgesamt 320 Mio. Euro prognostiziert – trägt allein der Bund. Die Industrie ist nicht beteiligt.

Die Schachtanlage Asse II ist alles andere als ein ideales Endlager. Im Salzstock entstanden durch die Salzgewinnung sehr große Hohlräume, und die verbliebenen Salzstrukturen (senkrechte Pfeiler und horizontale Schweben zwischen den Abbaukammern) werden durch die Gebirgsverschiebungen zunehmend instabil. Die meisten der (aus der Salzgewinnung stammenden, leeren) Kammern an der Südflanke, an der die Steinsalzbarriere nur noch eine geringe Mächtigkeit aufweist, wurden deshalb mit Salzgrus verfüllt. Bis dieser Salzgrus jedoch tragfähig wird, werden noch einige Jahre vergehen.

Seit 1988 wird ein Laugenzutritt beobachtet. Derzeit treten täglich etwa 12,5 m³ Lauge nicht vollständig geklärter Herkunft in das Bergwerk ein, die aufgefangen und zur Befeuchtung des Verfüllmaterials (Salzgrus) verwendet werden. Um eine Vorstellung zu vermitteln: Überließe man es sich selbst, wäre das Bergwerk – bei gleich bleibendem Zustrom – innerhalb von 300 Jahren vollständig geflutet.

Die Grubenbereiche unterhalb der Einlagerungskammern wurden ab 2004 bereits zum großen Teil mit Schotter und einem „Schutzfluid“ (Magnesiumchlorid-Lösung) verfüllt – letzteres soll Umlösungsprozesse, also das Auflösen von Kalisalz-Einschlüssen durch zutretende Steinsalz-Lauge, verhindern.

Da es nicht möglich ist, die Einlagerungskammern völlig abzudichten, ist die Möglichkeit einer trockenen Lagerung der Abfälle für den Schacht Asse II nicht gegeben. Konvergenzprozesse im Salz (das ist das Kriechen von Salz in Porenräume aufgrund des Gebirgsdrucks) werden dazu führen, dass Radionuklide mit der Lauge im verfüllten Grubengebäude aufsteigen. Man geht davon aus, dass Nuklide aus dem Salzstock über Wegsamkeiten im Deckgebirge eines Tages in das oberflächennahe Grundwasser gelangen. Auch die im derzeitigen Verfüllkonzept vorgesehenen Strömungsbarrieren – Bauwerke aus einem speziellen Salzbeton – können diesen Prozess nicht verhindern, nur verlangsamen und einschränken dadurch, dass die Hauptlaugenströme an den Einlagerungskammern vorbeigelenkt werden. Nach derzeitigem Wissensstand ist ein maximaler Nuklideintrag in das Grundwasser nach einigen 1000 Jahren zu erwarten. Die für diesen Zeitpunkt berechneten maximalen Strahlenexpositionen sollen weit unter dem Grenzwert nach der Strahlenschutzverordnung (0,3 mSv/Jahr) liegen.

Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten des derzeitigen Langzeitsicherheitsnachweises wird von Bürgerinitiativen und Anwohnern verlangt, über eine Rückholung der Abfälle aus dem Salz nachzudenken. Man kann aber nicht umhin anzuerkennen, dass es gewichtige Argumente dagegen gibt. Die Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegebenen Studie liegen inzwischen vor. Darin wird z.B. eingeschätzt, dass eine Rückholung inklusive Vorbereitung etwa 25 Jahre in Anspruch nehmen würde. Die Standsicherheit des Bergwerkes kann derzeit jedoch nur bis zum Jahr 2017 garantiert werden. Laugenzuströme sind ebenfalls unberechenbar. Zusätzliche Auffahrungen im Grubengebäude, wie sie zum Zweck der Rückholung nötig würden, könnten zu Laugeneinbrüchen und damit innerhalb kürzester Zeit zum „Absaufen“ des gesamten Bergwerkes führen.

Die Bürger der umliegenden Gemeinden sowie die Initiativen Aktion Atommüllfreie Asse und AufpASSEn e.V. sorgen sich um die Zukunft der Region und machen von der inzwischen praktizierten Bürgerinformation und -beteiligung regen Gebrauch. Sie haben Petitionen an den Niedersächsischen Landtag und den Deutschen Bundestag gerichtet.

Forderungen, denen sich die Linkspartei.PDS anschließen sollte, sind:

ein Stilllegungsverfahren nach Atomrecht, was mit einer Beteiligung des BMU und damit des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) am Verfahren einher ginge,
die Einbeziehung unabhängiger Gutachter,
eine weitere, detaillierte Prüfung der Möglichkeit der Rückholung der Abfälle,
der Vergleich verschiedener Verfüllkonzepte,
die Weiterführung der Umgebungsüberwachung, insbesondere der Beprobung des Grundwassers, über einen langen Zeitraum über die Stilllegung hinaus.
Man sollte sich allerdings dessen bewusst sein, dass dieser letzte Punkt sehr problematisch ist. Im Grundwasser werden über Jahrhunderte keine Veränderungen messbar sein. Brauchbare Indikatoren für einen Eintrag von Grubenwässern, die gewissermaßen als Frühwarnsystem dienen könnten, sind noch nicht gefunden.