Sozial und ökologisch?

Umweltpolitische Konferenz der Linksfraktion in Berlin

Johann Martens

Auf einer Konferenz am Samstag (16.5.2009) in Berlin wurde darüber diskutiert, wie die Linkspartei Ökonomie und Umwelt unter einen Hut bringen kann. Unsere Wirtschaftsweise spielt der Umwelt übel mit, so die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Eva Bulling-Schröter. Schwund der Tropenwälder, Überfischung der Meere, Übernutzung der Rohstoffe zum Schaden künftiger Generationen würden unausgesprochen »als tolerierbar im Sinne einer obskuren wirtschaftlichen Wohlfahrt«, als duldbar zur Sicherung von Arbeitsplätzen hingenommen. Erst vergangene Woche habe eine neue britische Studie gewarnt, dass zum Ende des Jahrhunderts die Hälfte der Weltbevölkerung von Hungersnöten bedroht sein wird.
Bulling-Schröter sprach zur Eröffnung einer von der Linksfraktion im Bundestag organisierten umweltpolitischen Konferenz. Das Treffen war überwiegend von jenen besucht, die sich seit Jahren in der Partei oder deren Umfeld mit dem Thema beschäftigten. Dabei mangelt es nicht an Diskussionsbedarf. Erst kürzlich hatte der Ko-Vorsitzende Oskar Lafontaine im Parteivorstand unter erheblichem Protest von umweltpolitisch Verantwortlichen wie Wolfgang Methling verkündet, dass er, wenn er denn Ministerpräsident im Saarland werden sollte, neue Kohlekraftwerke genehmigen würde.
Die Umweltfraktion hat andererseits für den Rest der Partei starken Tobak im Angebot: Hierzulande werden wesentlich mehr Ressourcen verbraucht, als der Planet langfristig vertragen kann – insbesondere dann nicht, wenn Wirtschaftsweise und Konsummodell der Industriestaaten global verallgemeinert würden. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müsse der Verbrauch fossiler Energieträger um 80 bis 90 Prozent reduziert werden. Geht das überhaupt, ohne auf Wirtschaftswachstum zu verzichten?, fragte Eva Bulling-Schröter.
Nein, meinte Alexis Passadakis vom Attac-Koordinierungskreis. Die ganze Diskussion um Ökosteuern, Emissionshandel und »New Green Deal« sei irreführend. Es gehe letztlich darum, dass die Ressourcen im Boden bleiben und die Wirtschaft schrumpfe. Ganz so weit wollte Wolfgang Methling, Mitglied des Parteivorstandes und ehemaliger Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern, nicht gehen. Die Linkspartei müsse sich darum bemühen, ökologische und soziale Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Die Programmdebatte habe jedoch gezeigt, dass seine Partei noch weit davon entfernt sei.
Wie die Verbindung hergestellt werden könnte, erläuterte der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Hans-Kurt Hill. Er forderte ein für alle Verbraucher kostenloses Grundkontingent Strom von beispielsweise 800 Kilowattstunden; im Gegenzug müsse hoher Verbrauch erheblich verteuert werden. So könnten arme Haushalte entlastet und zugleich Anreize zum Energiesparen geschaffen werden.
Auf jeden Fall, so Vizefraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch, dürften sich Umweltbewegte in der Linkspartei nicht das Nörgler-Image anheften lassen. Sie hätten in der Fraktion bereits eine Reihe wichtiger Initiativen durchgesetzt, wie die Forderung nach Überführung der Strom- und Gasnetze in die öffentliche Hand und nach Rekommunalisierung der Energieversorgung. Im Augenblick müsse man aber aufpassen, dass der Umweltschutz angesichts der Wirtschaftskrise nicht wieder zum Nebenwiderspruch gemacht werde.

Neues Deutschland, 18.5.2009