Großflughafen Schönefeld in der Schuldenfalle?

Frank Welskop warnt in seinem Buch vor dem Luxusflughafen für Billigflieger

Marko Ferst

Alle Versuche den geplanten Großflughafen Schönefeld in private Regie zu überführen scheiterten. Das hat Gründe. Ohne ständige staatliche Subventionen ginge er unvermeidlich pleite, so das Resümee von Frank Welskop in seinem neuen Buch zum BBI. Der Verkehrsexperte arbeitete als Mitarbeiter in der Berliner Linksfraktion und trug für die Politik höchst unbequeme Zahlen und Fakten zusammen. Der Umsatz in Berlin je Passagier fiel von fast 15 € im Jahr 2002 auf zwölf Euro 2007. Dagegen nimmt der rentable Frankfurter Flughafen 42 € pro Fluggast ein. Damit der BBI aus den roten Zahlen käme, müßte er mindestens 20 € erwirtschaften. Frachtverkehr spielt für Berlin keine Rolle mit nur 0,67% Anteil 2007. Bisher gibt es nur 0,15% Fluggäste, die in Berlin umsteigen und wie in Frankfurt, Geld in den riesigen Einkaufspassagen lassen könnten.
Zur Eröffnung des BBI werden Billigflieger mit rund 70% den Verkehr dominieren. Damit ist er mit dem Flughafen Frankfurt/Hahn für niedrigpreisige Airlines vergleichbar, der pro Passagier 4,50 € Verlust einfliegt. Die Rabattsysteme um Billigflieger anzuziehen für Schönefeld sorgen dafür, daß die Berliner Flughäfen unrentabel arbeiten und subventioniert werden müssen. Überdies konterkariert man so durch staatliche Zuschüsse Klimaschutz, fördert die umweltschädlichste Verkehrsform. Welskop spricht von einem dreistelligen Millionenbetrag zwischen 2003 und 2007, der dafür abgezwackt wurde.
Es besteht die Gefahr, europarechtliche Bestimmungen untersagen die weitere Subventionierung des BBI aus Landesmitteln. Dann ist die Abwärtsspirale unaufhaltsam. Steigende Flughafengebühren führen zu rapide sinkendem Passagieraufkommen und immer höheren Schuldenbergen. Wie ist die Pleite dann aufzuhalten? Auch Kleinflugzeuge müssen in Schönefeld starten. Durch sie sinkt der Umsatz um ca. 20%, so Welskop. Schon jetzt gab es mehrfach Störfälle durch die Kleinen, weil stundenlang die aktuelle Startbahn nicht genutzt werden konnte.
Bei Planung und Bau des BBI verschleudert die Politik Steuermittel in gigantischem Ausmaß. So verweist der Autor auf den weltweit anerkannten Flughafenplaner Faulenbach da Costa. Während für den BBI 30 Millionen Fluggäste pro Jahr beantragt sind, wird jetzt eine Terminalkapazität in Beton gegossen, die für mindestens 90 Millionen ausgelegt ist. Das Passagiervorfeld ist für 70 Millionen Passagiere ausreichend und das Start- und Landebahnsystem für 56 Millionen. Wenn das kein Grund für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß ist, was dann? Immerhin könnte man gigantische Kosten sparen, wenn die überdimensionierten Bauten noch rechtzeitig abgespeckt würden. Im ebenfalls überteuerten unterirdischen Bahnhof wird nie ein ICE halten, weil die Züge keinen Umweg über Schönefeld nehmen werden. Die Ost-West-Bahnanbindung dürfte erst Jahre nach BBI-Eröffnung fertig sein.
Frank Welskop rechnet anhand der bereits für den Bau aufgenommenen Kredite vor, daß selbst bei optimistischen Annahmen ein jährlicher Schuldendienst von 226 Millionen € entsteht. Wollte man schwarze Zahlen schreiben, die oben genannten 20 € pro Passagier, bei jährlich 25 Millionen Fluggästen, müßte der BBI mit jährlich 360 Millionen Euro subventioniert werden. Doch die Schulden für Bau und unrentablen Betrieb des VEB Schönefeld müssen getilgt werden. So rechnet der Verkehrsexperte vor, daß der Großflughafen in den nächsten zehn Jahren über 10 Milliarden Euro an Kosten verursachen wird. Da Welskop jeden Posten detailliert erläutert, sollte es leicht sein, für Experten seine Rechnung zu überprüfen.
Weltweit einmalig ist am Flughafen Schönefeld, er wird mitten in dicht bewohnte Siedlungsräume eingeklemmt. Der Absturz eines Flugzeugs hätte verheerende Folgen auch am Boden. 2006 verhängte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht ein Nachtflugverbot. Doch die Lobbyisten des BBI wähnen sich längst über Richtersprüchen stehend. Statt der ursprünglichen 90 Nachtflüge in der Nacht, wollen sie jetzt maximal 113 durchsetzen. Wieder werden enorme finanzielle Lasten auf die Anwohner abgewälzt. Jede klagende Familie verlor schon im zurückliegenden Prozeß deutlich mehr als 1200 Euro.
Steigt der weltweite Ölbedarf und stagniert die Ölfördermenge oder geht in wenigen Jahren, wie vorherzusehen zurück, ist das Massensterben der Billigflieger nicht mehr aufzuhalten. Durch die sinkenden Ölvorräte könnte ein Preis von 150 oder 200 € pro Barrel laut kritischen Experten bald unvermeidbar sein. Ist die maximale Fördermenge global überschritten, wird es zu immer neuen Preisspitzen kommen. Schon heute entfallen 50% der Kosten für die Billigflieger auf Kerosin. Besteuert man den Flugsprit, erhebt die Mehrwertsteuer wie für andere Güter auch und bezieht den Flugverkehr in den Emissionshandel ein, könnten bald viele Flugzeuge in den Ruhestand geschickt werden. Positiver Nebeneffekt des Klimaschutzes: Die Anwohner müssen nicht mehr im Minutentakt den Lärm aushalten. Für den BBI bedeutet diese mittelfristige Perspektive den endgültigen finanziellen Absturz. Verluste in der Größenordnung wie beim Berliner Bankenskandal sind dann nach Welskop unvermeidlich. Doch die BBI-Akteure sind Gefangene ihrer irrationalen Flughafenpolitik. Die 40.000 Arbeitsplätze, welche die Länder schaffen wollen, so aktuell der Koalitionsvertrag in Brandenburg, sind nichts als Luftschlösser.

Frank Welskop: BBI – ein neuer Berliner Bankenskandal?, 238 Seiten, Kai Homilius Verlag, Berlin 2009, 19,90 €

Neues Deutschland, 11.1.2010