Zum vorliegenden Entwurf eines Parteiprogramms

Erklärung des Bundestreffens der Ökologischen Plattform bei der LINKEN

Die Teilnehmer des Bundestreffens vertreten die Auffassung, dass ein Parteiprogramm einer sozialistischen Partei im 21. Jahrhundert den Anforderungen dieser Zeit zum Schutz der natürlichen Lebensbedingungen Priorität einräumen muss. Das Programm muss also die Richtung zu gesellschaftlichen Umbrüchen hin zu einer neuen Produktions- und Lebensweise aufzeigen, die ökologisch und sozial zukunftsfähig ist. Zukunftsfähig können nicht Denkrichtungen sein, die wie auch immer in Gleisen und Gegebenheiten der kapitalistischen Profit- und Wettbewerbsinteressen verhaftet sind. Es muss daher klar werden, dass ein menschenwürdiges Weiterleben für alle Bewohner dieser Erde möglich ist, dies aber nur dann, wenn ein rigoroser Kurs zur Erhaltung der natürlichen Umwelt und Verringerung des Ressourcenverbrauchs in den Industrieländern eingeschlagen wird. Dafür sind die Möglichkeiten einer neuen und besseren Lebensqualität jenseits von steigendem bzw. hohem materiellem Verbrauch sichtbar zu machen.

Die Teilnehmer des Bundestreffens begrüßten, dass der vorliegende erste Entwurf des künftigen Parteiprogramms bereits eine Reihe grundsätzlicher Aussagen enthält, die in diese hier skizzierte Richtung weisen. So sieht der Entwurf vor, dass die LINKE den sozial-ökologischen Umbau in Deutschland und in Europa als eines ihrer entscheidenden Ziele und wesentliche Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen ansieht. Als eine von drei Grundideen, die gemeinsam das Programm bestimmen sollen, wird die Unterordnung von Wirtschafts- und Lebensweisen unter den Erhalt der Natur genannt. Allerdings konnte der Wesensgehalt dieser Aussagen den Text noch nicht in seiner Ganzheit bestimmen, noch nicht in den programmatischen Aussagen jedes Politikbereichs umgesetzt werden. Aussagen, die in ihrer Wirkung in unterschiedliche Richtungen zielen, schaden der Homogenität und damit der Gesamtwirkung des Programms.

Auf einige wichtige Aspekte wurde auf dem Bundestreffen verwiesen: Im vergangenen Jahr haben die Wahlprogramme der LINKEN für das Europaparlament und den Bundestag bewusst auf den Begriff Wirtschaftswachstum verzichtet. Im künftigen Parteiprogramm kann es nicht nur darum gehen, nicht mehr hinter diese erreichte Erkenntnis zurück zu fallen, sondern es kommt darauf an, endlich offensiv ein Wirtschaften ohne wachsenden, ja mit stark rückläufigem Ressourcenverbrauch einzufordern. Und nicht nur das: Es müssen die Konturen einer Gesellschaft der Genügsamkeit, der Harmonie zwischen Menschen und Natur, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit skizziert werden. Ein Wirtschaften mit stark rückläufigem Ressourcenverbrauch ist sofort und dann möglich, wenn überflüssige Produktionen beginnend mit Rüstung und Luxusgütern, einschließlich der Werbung, rigoros abgeschafft werden und wenn bei lebensnotwendigen Artikeln wieder auf Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit umgestellt wird. Im Programm einer sozialistischen Partei muss auf diese Wege hingewiesen werden, auch wenn die Widerstände für ihr Begehen noch schier unüberwindlich scheinen.

Das Programm muss klar machen, dass weiteres Wirtschaftswachstum in dieser Zeit in den hochentwickelten Ländern nicht mehr als Voraussetzung für Arbeitsplatzsicherung und menschenwürdiges Leben gilt und auch nicht gelten kann. Es muss Aufgabe der Gesellschaft sein, bei kontinuierlicher Schrumpfung des Ressourcenverbrauchs und der materiellen Produktion das Lebensnotwendige zu produzieren und bereit zu stellen sowie durch eine gerechte Verteilung der zu leistenden Arbeit und ihrer Ergebnisse allen Bürgern ein erfülltes Leben in gesunder Umwelt zu sichern.

Die TeilnehmerInnen des Bundestreffens bedauern, dass im Programm nicht dargestellt wird, dass aufgrund des nahen Endes einer mehr als 200-jährigen Periode mit wirtschaftlichem Wachstum und Übernutzung der Ressourcen auch das kapitalistische System nicht zukunftsfähig ist, da es auf Wachstum angewiesen ist.
Erst wenn wir in den Fragen Wachstum und eigene Ansprüche an den materiellen Verbrauch zu einer eindeutigen Umkehr gekommen sind, können wir auch glaubhaft reale und wirksame Positionen in Bezug auf soziale und ökologische Gerechtigkeit für alle Länder und Erdbewohner beziehen. Diese gehören aber als die andere Seite des Problems gleichermaßen klar und rigoros in unser Programm. Die Wege dazu sind die Umstellung der sogenannten Entwicklungshilfe auf Hilfe zur Selbsthilfe. Durch die Herstellung gerechter Wirtschaftsbeziehungen sind die Bedingungen zu schaffen, die den Entwicklungsländern die Eigenversorgung mit dem Lebensnotwendigen, die Verfügung über ihre eigenen Ressourcen und gleichberechtigte Teilnahme am internationalen Warenaustausch möglich machen.

Wir werden auf einer Programmkonferenz im Herbst 2010 auch diskutieren, welche konkreten ökologischen Aussagen das Programm zusätzlich enthalten sollte.

Rödinghausen, 30.05.2010