Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen

Zentrum für Transformation der Bundeswehr. Dezernat Zukunftsanalyse. 07/2010

Ende August 2010 kam ein nicht für die Veröffentlichung vorgesehenes Dokument der Bundeswehr in die Presse (Spiegel online). Die Aussagen dieser Studie sind so brisant, dass das Verteidigungsministerium bisher eine Stellungnahme abgelehnt hat.

In der Studie werden die Folgen der unumkehrbaren Rohstoffverknappung bei Erdöl und Erdgas untersucht. Verbindungen zum Klimawandel, dem Peak Soil (Zeitpunkt des größten Umfanges der zur Verfügung stehenden Nahrungsflächen) und der Erschöpfung vieler Metalle und seltener Erden werden in dieser Studie in ihrer kumulativen und verstärkenden Wirkung nicht mit untersucht. Die Studienergebnisse, die sich allein aus dem Peak Oil ergeben, sind für die Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft katastrophal genug.

Öl wird ein entscheidender Faktor zukünftiger internationaler Beziehungen.

Die Bedeutung der Ölförderländer wächst. 95 % aller industriell gefertigten Produkte hängen heute von der Verfügbarkeit von Erdöl ab. Russland wird zukünftig 40 % unseres Ölbedarfs decken. Aus Gründen der Energiesicherheit müsste Deutschland den Wünschen Russlands nach Engagement auf dem Europäischen Markt entgegen kommen.

Die verstärkte Konkurrenz der Ölimporteure um die Gunst der Förderländer kann zu einer wirtschaftlichen und politischen Aufwertung dieser Länder führen. Es können neue globale Führungsmächte entstehen.

Der bei Verknappung zu erwartende Ölschock.

Es wird zukünftig kein billiges Erdöl mehr geben Eine starke Verteuerung des Erdöls stellt ein systemisches Risiko dar. Alle erdölbasierten Produkte werden sich verteuern, der Transport großer Warenmengen über lange Entfernungen wird in Frage gestellt. Die Ölkonzerne erhalten durch steigende Gewinne ein noch größeres politisches Gewicht. Nur wer Öl hat, kann seine Wirtschaft so weiter betreiben wie bisher. Der Ölmarkt wird bei Verknappung nicht mehr den freien marktwirtschaftlichen Gesetzen folgen. Es wird zukünftig keinen Weltölmarkt mehr geben. Bilaterale Staatsverträge als privilegierte Partnerschaften werden den Markt ersetzen. Politische und wirtschaftliche Zugeständnisse an die Förderländer werden Vertragsbestandteil. Politische Forderungen nach Schutz der Menschenrechte, guter Regierungsführung und demokratischer Entwicklung werden als wertorientierte Außenpolitik keine Rolle mehr spielen. Viele Länder werden versuchen, Atomkraftwerke zu bauen, um die Energiesicherheit zu gewährleisten, aber Uran ist ebenfalls ein endlicher Rohstoff und wird möglicherweise nur noch 40 Jahre zur Verfügung stehen. Auch die Gewinnung von Ölersatzstoffen aus Biomasse findet eine Grenze wegen der zu sichernden Nahrungsmittelversorgung.

Für die hochentwickelten Industriestaaten, die die unbedingte Deckung ihres Ölbedarfs im Vordergrund sehen, wird die Gewinnerwirtschaftung zweitrangig werden. Privates Kapital wird dann für Investitionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Ölinfrastrukturen mit ihren Pipelines werden zu einem schwer zu schützenden Risiko, denn dort kann mit geringem Aufwand großer Schaden angerichtet werden.

Übergang zu post-fossilen Gesellschaften führt zu ökonomischen und politischen Krisen.

Eine infolge von Erdölmangel entstehende Mobilitätskrise führt in eine Wirtschaftskrise. Während der Individualverkehr möglicherweise auf öffentlichen elektrischen Fahrbetrieb und bei individueller Mobilität auf Elektroautos umgestellt werden kann, ist das beim LKW-Verkehr absehbar nicht möglich. Alles muss auf die Schiene.

Importierte Nahrungsmittel werden sich durch den erhöhten Ölpreis dauerhaft im Preis erhöhen. Die Ernteerträge hängen ebenfalls vom Erdöl ab (Maschineneinsatz, ölbasierte Düngemittel und Chemikalien). Tendenziell werden die Erträge sinken.

Fast alle Wirtschaftszweige stehen vor der Herausforderung, ihre Branche grundlegend neu auszurichten, insbesondere die Automobilindustrie und die Chemieindustrie.
Die individuellen Lebensumstände der Bevölkerung werden sich verschlechtern, eine staatliche Rationierung und Zuteilung wichtiger Güter und die Aufstellung von Produktionsplänen werden marktwirtschaftliche Mechanismen ersetzen. Der Wohlstandsabbau wird zu einer Vertrauenskrise führen, zentralistische und autoritäre Maßnahmen können als allgemeine Systemkrise begriffen werden und den Boden für ideologische extremistische Alternativen bereiten. Die Folge wird politische Instabilität sein.

Globale Kettenreaktionen

Deutschland zählt zu den Ländern mit dem höchsten Globalisierungsgrad und hat dadurch auch große Anpassungsprobleme an die sich neu entwickelnde Wirtschaftssituation mit teurem und wenigem Erdöl. Jeder Staat wird sich zuerst auf die Lösung der eigenen Probleme konzentrieren. Hilfeleistungen jedweder Art für andere Staaten werden unterlassen oder stark reduziert. Die internationalen Organisationen und NGOs werden dadurch in ihrer Wirksamkeit stark eingeschränkt.

Das Wachstum der Weltwirtschaft wird zum Stillstand kommen. Kurzfristig reagiert die Weltwirtschaft proportional zum Rückgang des Ölangebots. Es kann der Punkt erreicht werden, der das destabilisierte Weltwirtschaftssystem in eine chaotische Phase treibt. Es wird nicht mehr investiert, weil die Unternehmen kaum noch Gewinne machen. Das Bankensystem, die Börsen und die Finanzmärkte werden zusammen brechen. Die Banken verlieren ihre Geschäftsgrundlage, weil sie ihre Einlagen nicht mehr verzinsen können und keine kreditwürdigen Unternehmen mehr finden. Der Glaube an die werterhaltende Funktion des Geldes geht verloren, es kommt zu einer Hyperinflation, zu Schwarzmärkten und zur Tauschwirtschaft auf lokalem Level. Wertschöpfungsketten werden zusammenbrechen. International mögliche Folgen dieser Entwicklung können sein: Massenarbeitslosigkeit, Staatsbankrotte, Zusammenbruch kritischer Infrastrukturen und Hungersnöte. Auch Deutschland hat ein hohes systemisches Risiko.

Peak Oil für die Streitkräfte

Alle Fahrzeuge und Flugzeuge brauchen Sprit und nicht wenig, denn der spezifische Verbrauch ist hoch. Ohne Erdöl gibt es keine schnellen Operationen hochmobiler Kräfte. Ersatzlösungen wie z. B. die Verflüssigung von Kohle oder Erdgas, sind mit erheblichen wirtschaftlichen Anstrengungen verbunden. Kohle wird zu einem wichtigen strategischen Rohstoff, dessen nationale Nutzung im Vordergrund steht. Die Bundeswehr legt größere strategische Erdölreserven an. Langfristig ist ein Umstieg auf erneuerbare Energien auch bei der Bundeswehr notwendig.

Fazit

Die Transformation zu post-fossilen Gesellschaften hängt in besonderem Maße von der Verfügbarkeit nicht-fossiler Technologien ab. Insbesondere die Abhängigkeit der Mobilität vom Öl muss schnell verringert werden. Partielle oder komplette Zusammenbrüche von Wirtschaftskreisläufen führen zur Unterversorgung, humanitären Notlagen und mit hoher Wahrscheinlichkeit länderübergreifend zu schweren politischen Verwerfungen. Der Faktor Zeit kann für den Erfolg der Transformation zu post-fossilen Gesellschaften entscheidend sein.
Soweit Gedanken aus der Studie, die für jeden LINKEN lesenswert ist. (Herunterladen im Internet unter „Peak oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen“) Hier wird in klarer verständlicher Sprache Herrschaftswissen preisgegeben. Den Peak Oil verortet die Studie auf das Jahr 2010. Wir haben also nur noch etwa 10 Jahre Zeit zum energischen Umsteuern.

Und was macht die Regierung? Sie fördert die Auslaufmodelle Kohle und Atom um des Profites der mächtigen Konzerne willen. Eine Politik., die nach Meinung der Studie ins Wirtschaftschaos führt. Umso wichtiger ist die Politik der LINKEN zum Ablösen der Kapitalmacht durch Enteignung der großen Konzerne und Banken und die Eroberung der politischen Macht, um die Wirtschaft umzubauen.

Götz Brandt
Dezember 2010