Gesundheitsschäden durch Kohleverstromung

Im Auftrag von Greenpeace hat die Uni Stuttgart in einer Studie die Gesundheitsschäden durch Kohlekraftwerke in Deutschland untersucht.

PM der Uni Stuttgart vom 3. April 2013

Verringerte Lebenserwartung durch Luftschadstoffemissionen von Kohlekraftwerken

Die Emissionen von Schadstoffen aus deutschen Kohlekraftwerken verursachen jährlich etwa 33.000 verlorene Lebensjahre in Deutschland und Europa. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Universität Stuttgart im Auftrag von Greenpeace. (Originalstudie – pdf)

Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart untersuchte die Gesundheitsrisiken, die durch den Betrieb der 67 größten Kohlekraftwerke über ein Jahr verursacht werden. Dazu wurde die am IER entwickelte Wirkungspfadanalyse und das Computerprogramm ECOSENSE eingesetzt. Bei dieser wird, ausgehend von den Schadstoffemissionen zunächst die Ausbreitung und chemische Umwandlung der Stoffe in der Atmosphäre simuliert, dabei wird ein atmosphärisches Modell verwendet, das ausgehend von den Emissionen und meteorologischen Parametern (z.B. Windgeschwindigkeit und –richtung) die durchschnittliche jährliche Konzentration der Schadstoffe berechnet. Die Berücksichtigung der chemischen Umwandlung ist erforderlich, weil die Schäden durch Kohlekraftwerke nicht in erster Linie durch emittierten Feinstaub, sondern durch die Emission von Gasen (Schwefeldioxid, Stickoxide), die in der Luft zusammen mit Ammoniak aus der Landwirtschaft umgewandelt werden, entstehen. Weil es einige Zeit dauert, bis diese Umwandlung erfolgt ist, und während dessen der Wind die Schadstoffe verteilt, ergibt sich das größte Individualrisiko auch nicht in der unmittelbaren Umgebung des Kraftwerks, sondern in ca. 50 bis 150 Kilometer Entfernung. Die Gesundheitsrisiken werden aus der Änderung der Konzentration von Feinstaub und der Bevölkerungszahl ermittelt, dabei werden Ergebnisse epidemiologischer Studien ausgewertet, es werden also Studien herangezogen, die einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Feinstaubkonzentration und dem gesundheitsschaden, z.B. der Lebenserwartung ausweisen. Die Gesundheitsrisiken entstehen dadurch, dass der Feinstaub eingeatmet wird und im Lungengewebe und in den Arterien Entzündungen verursacht, die dann zu Atemwegs- und Herzkreislauf-Erkrankungen führen, die bei ständiger Belastung mit Feinstaub chronisch werden.

Der Betrieb der 67 Kohlekraftwerke über ein Jahr führte danach zum rechnerischen Verlust von insgesamt 33.000 Lebensjahren in ganz Europa, davon knapp die Hälfte in Deutschland. Dies entspricht umgerechnet einem durchschnittlichen Verlust von Lebenszeit in Deutschland von 1,8 Stunden pro Person. Dies bedeutet nicht, dass jeder betroffen ist. Vielmehr wird ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung einen erheblichen Lebenszeitverlust erleiden, während die weit überwiegende Mehrheit keinen Schaden davonträgt.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert auf Grund dieser Ergebnisse einen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2040. Die ‚besonders schädliche‘ Braunkohle müsse bis spätestens 2030 auslaufen. „Um Todes- und Krankheitsfälle zu vermeiden, muss die Politik endlich den Ausstieg aus der Kohle beschließen“, sagt Gerald Neubauer, Energie-Experte von Greenpeace. „Kohlekraftwerke bergen zwar zweifelsohne höhere Umwelt- und Gesundheitsrisiken als andere Stromerzeugungstechniken, haben aber auch Pluspunkte wie zum Beispiel die geringen Stromerzeugungskosten und die hohe Versorgungssicherheit eines heimischen Energieträgers. Diese Vor- und Nachteile sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen“, so der Studienleiter am Stuttgarter Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Prof. Rainer Friedrich.

Weitere Informationen:
Prof. Rainer Friedrich, Universität Stuttgart, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Tel. 0711/685-87812, E-Mail: Rainer.Friedrich@ier.uni-stuttgart.de
Andrea Mayer-Grenu, Universität Stuttgart, Abt. Hochschulkommunikation, Tel. 0711/685-82176,
E-Mail: andrea.mayer-grenu@hkom.uni-stuttgart.de

Die Greenpeace-Studie zu Gesundheitsfolgen von Kraftwerken wurde europaweit bestätigt.

Die europäische Nichtregierungsorganisation »Allianz Gesundheit und Umwelt« hat in einer europaweiten Untersuchung die Ergebnisse der Greenpeace-Studie bestätigt. Diese von den Kohleunternehmen noch als »gezielte Desinformation« verunglimpft worden.
In der Studie WAS KOHLESTROM WIRKLICH KOSTET – Gesundheitsfolgen und externe Kosten durch Schadstoffemissionen (https://web.archive.org/web/20170223081050/www.env-health.org/IMG/pdf/heal_coal_report_de.pdf) wird festgestellt, dass:

„EU-weit jährlich über 18.200 vorzeitige Todesfälle und über 8.500 neue Fälle von chronischer Bronchitis auf die Verfeuerung von Kohle zurückzuführen sind und mehr als 4 Millionen Arbeitstage verloren gehen. Die wirtschaftlichen Kosten der gesundheitlichen Schäden werden für Europa auf bis zu 42,8 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Zählt man die Emissionen von Kohlekraftwerken in Kroatien, Serbien und der Türkei hinzu, erhöhen sich die Zahlen auf 23.300 vorzeitige Todesfälle, was 250.600 verlorenen Lebensjahren entspricht, während die Gesamtkosten 54,7 Mrd. jährlich betragen.
In Deutschland gehen jährlich etwa 2.700 Todesfälle und mehr als 600.000 verlorene Arbeitstage auf das Konto der Kohleabgase. Die externen Kosten deutscher Kohlekraftwerke für die menschliche Gesundheit werden auf 2,3 bis 6,4 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Diese Kosten werden hauptsächlich durch Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht, die zu den bedeutendsten chronischen Krankheiten in Europa gehören. Kohlekraftwerke in Polen, Rumänien und Deutschland sind gemeinsam für mehr als die Hälfte der Gesundheitskosten verantwortlich, die Bundesrepublik liegt dabei gleichauf mit Rumänien auf Platz zwei. Großen Einfluss hat auch die Kohlenutzung in Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Serbien, der Tschechischen Republik und in der Türkei.