Vattenfall – Klimaschädigung mit staatlichem Segen

Holz für das Berliner Heizkraftwerk Moabit ist weder CO2-neutral noch nachhaltig

Seit geraumer Zeit ist Vattenfall dabei, seinen Kohlekraftwerken neuen Glanz mit Holz zu verleihen (Bimboes, 2011). Die Konzernstrategie setzt bis 2020 darauf, die Freisetzung von Kohlendioxid aus seinen Steinkohlekraftwerken durch Riesenmengen an Brennholz angeblich verringern zu können. „Das Ziel lautet: 3 – 4 Millionen Tonnen Kohle durch 4 – 5 Millionen Tonnen veredelte Holzpellets ersetzen“, so der für im Konzernvorstand in Stockholm für Biomasse zuständige Projektentwickler Wouter Bakker (Bakker, 2013). Für den Bau von Holzpellets-Anlagen werden geeignete Standorte in Kanada, Brasilien, Afrika, in den Baltischen Staaten und den USA gesucht.

Holzmengen für Moabit sind kaum regional beschaffbar

Ein Anfang ist inzwischen gemacht, offenbar mit Holz aus der „Region“. Im Heizkraftwerk Moabit wird seit Januar 2014 ein Teil der Steinkohle durch naturbelassene Holzhackschnitzel ersetzt. Mit behördlicher Genehmigung dürfen bis zu 40 Prozent Holz mit verbrannt werden. Damit lässt sich nach Angaben des Konzerns der Ausstoß an CO2 im Kraftwerk um mehr als 200.000 Tonnen pro Jahr reduzieren (Nordic-Market, 2013). Da als Richtwert gilt, dass jede eingesetzte Tonne Holz rund eine Tonne CO2 spart, wären das mehr als 200.000 Tonnen und damit mehr als 400.000 Kubikmeter Holz (Vattenfall, 2014). Unabhängig davon, ob das überhaupt (s. u.) stimmt, ist zu bezweifeln, ob sich diese Holzmenge noch regional – selbst bei einem großen Umkreis – beschaffen lässt. Schließlich gibt es in und um Brandenburg herum eine große Anzahl von Verbrennungsanlagen, die sehr viel Holz brauchen. Hier hat Vattenfall alle Karten auf den Tisch und sämtliche Bezugsquellen offen zu legen. Holz im Übermaß eingesetzt, egal wo es herkommt, torpediert nicht nur den Klimaschutz, sondern untergräbt auch alle Anstrengungen für eine ökologische Waldwirtschaft und notwendigen Umwelt- und Naturschutz. Was Vattenfall aber keinesfalls torpedieren und versenken will mit dem hohen Holzeinsatz, das sind seine Gewinne. So können die einst kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate inzwischen am Markt verkauft werden. Das ist seit Anfang 2013, dem Beginn des Emissionshandels, möglich und zwar in Höhe der durch Holz eingesparten CO2-Mengen. Es bleibt abzuwarten, ob und welchem Umfang hier für den Konzern die Kassen klingeln.

Holzverbrennung ist weder klimaneutral noch ressourcenschonend und gesund

Der starke Anstieg der Holzverbrennung ist in den letzten Jahren immer mehr in die Kritik geraten. Noch handelt Vattenfall ganz im Einklang mit der herrschenden Meinung und allen Rechtsvorschriften, wonach Holz ein CO2-neutraler Brennstoff und damit vorteilhaft für das Klima sei. Dahinter verbirgt sich das so eingängige und wirkmächtige Bild vom ewigen Kreislauf in der Natur, wonach beim Verbrennen von Biomasse die gleiche Menge an CO2 freigesetzt wird, wie von Bäumen bzw. allgemein Pflanzen während ihres Wachstums gespeichert wurde. Allerdings stimmt das in dieser Schlichtheit nicht. Die Denkfigur zeigt erste Risse, denn zwei Dinge werden geflissentlich übersehen. Zum einen handelt es sich hier um zwei unterschiedlich lange Zeiträume. So läuft die Verbrennung sehr schnell ab und die Speicherung erstreckt sich über mehr oder minder lange Zeiträume. So lässt sich beispielsweise ein 100 Jahre alter Baum binnen Stunden verbrennen und setzt dabei das in diesem Zeitraum aufgenommene und in Holzmasse umgewandelte CO2 über den Verbrennungsprozess wieder frei. Zum anderen ist für eine vollständige Bilanzierung der Speicherleistung des Waldes für CO2 immer jene mit zu berücksichtigen, die ohne Nutzung, also ohne das Einschlagen von Holz, erbracht worden wäre. Denn wären die Bäume nicht gefällt worden, dann hätten sie durch Aufnahme und Verarbeitung von CO2 aus der Luft weiterwachsen können und der Holzvorrat im Wald wäre – wichtig für Klima- und Naturschutz – größer geworden.

Doch damit nicht genug. Drei problematische Dinge kommen noch hinzu. Holz setzt, wird es verbrannt, mit 360 Gramm CO2 pro Kilowattstunde praktisch genauso viel CO2 wie schlechte Braunkohle frei, mehr als Steinkohle mit 335 Gramm CO2 pro Kilowattstunde und weit mehr als leichtes Heizöl mit 266 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Erdgas schneidet hier mit 198 Gramm CO2 pro Kilowattstunde noch am besten ab. Außerdem ist der Heizwert von Holz gering. Er beträgt beispielsweise für Brennholz nur 3500 kcal/kg und ist damit mehr als doppelt so niedrig wie der von Steinkohlenbriketts mit 7500 kcal/kg. Ferner entstehen bei der Holzverbrennung – selbst wenn es sauberes Waldholz ist – große Mengen an gesundheitsschädlichen Feinstäuben, die noch dazu ungenügend durch gültige Abgasregelungen zurückgehalten werden.

„CO2-neutrales Holz“ auf dem Prüfstand der Wissenschaft

Was eben in etwas einfacheren Worten erklärt wurde zum Thema fehlender CO2-Neutralität von Holz, das wird in der Wissenschaft seit geraumer Zeit genauer diskutiert. Hier sei als erstes die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Europäischen Umweltagentur (EEA) erwähnt, die bereits vom 15. September 2011 stammt. Danach weisen alle Rechnungssysteme zur Berechnung der Treibhausgas-Emissionen von Bioenergie schwere Fehler auf (s. Anlage). So haben „die meisten Bioenergieträger erheblich größere Treibhausgasemissionen als ihnen derzeit zugerechnet werden“. Die Ursprünge dafür liegen in einer fehlerhaften Anwendung der Vorgaben zur Klimaberichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCC). Sie ist weltweit übernommen worden und findet sich auch im Kyoto-Protokoll wieder. Damit stehen die fachlichen Grundlagen der EU-Richtlinien zur Förderung erneuerbarer Energien, zu Biokraftstoffen und zum Emissionshandel auf dem Prüfstand und mit ihnen zentrale Regelwerke der EU, die zugleich inhaltlich diesbezügliche nationale Gesetze, Verordnungen und Ausführungsvorschriften regeln. „Sie alle fördern Bioenergie unter der Annahme, dass die Verbrennung von Biomasse nicht zu einer Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre beiträgt und weitgehend klimaneutral sei“. Aufgrund der schweren Fehler „könnten die Folgen eines massiven Umstiegs von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern laut Beirat „immens“ sein und zu einem weiteren Anstieg der Treibhausgase und damit zu stärkerer globaler Erwärmung führen“. Der Beirat der EEA fordert deshalb eine grundlegende Überarbeitung der Rechnungssysteme und eine strategische Neuausrichtung der Förderung von Bioenergie, die eine erheblich geringere Nutzung bedeuten wird.

Die Kritik fand ihre Fortsetzung im Umweltgutachten 2012 des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Der Rat setzte sich hier auch direkt mit Positionen des Konzerns Vattenfall auseinander (SRU, 2012). Die obigen Darlegungen am Beispiel der Verbrennung eines Baumes und der Speicherleistung des Waldes basieren auf den dort vertretenen fachlichen Ausführungen. Inzwischen hat auch die in Halle ansässige, renommierte Wissenschaftsakademie „Leopoldina“ in ihrer Stellungnahme zum Ausbau der Bioenergie überzeugend aufgezeigt, dass im Übermaß betriebene Holzverbrennung weder klimaneutral noch nachhaltig ist (Leopoldina, 2013). Hieran sind nicht nur große Holzverbrennungsanlagen und Kraftwerke, sondern auch private Holzheizungen und Kamine seit Jahren maßgeblich beteiligt.

Solarzelle schlägt Photosynthese – noch ein guter Grund gegen zu viel Holzverbrennung

Es gibt noch einen weiteren triftigen Grund, sich von der Holzverbrennung in großem Stil zu verabschieden. So ist die Effizienz der Energieumwandlung von Pflanzenzellen im Rahmen der Photosynthese sehr gering. Über den Daumen gepeilt, enthält die Menge an Biomasse, die in einem Jahr pro Bodenfläche aufwächst, nur 0,6 % der Sonnenenergie. Das ist im Vergleich zur Leistung von Solarzellen sehr gering. In der Praxis beträgt die Energieausbeute von Solarzellen inzwischen 10 bis 15 Prozent (die modernsten erreichen bis zu 30 Prozent), wobei im Gegensatz zur Photosynthese das gesamte Spektrum der eingestrahlten Sonnenenergie genutzt wird. Damit wird deutlich, dass die direkte Verwendung von Biomasse als Energiequelle keinen Sinn macht. Die gleiche Energiemenge wäre technisch auf einem Hundertstel der Fläche zu gewinnen (Schulze et al, 2013).

Heizkraftwerk Moabit auf Erdgasbetrieb umstellen

Vom Klimaschutz her ist es zwingend, den Betrieb des Heizkraftwerks mittelfristig auf umwelt- und klimafreundlicheres Erdgas umzustellen. Im Rahmen einer sozial verfassten Energiewende sind höhere Preise dementsprechend auszugleichen. Für die Umrüstung auf Erdgas spricht noch ein anderer interessanter Gesichtspunkt. Langfristig kann importiertes Erdgas durch erneuerbares Methan ersetzt und damit die bestehende, weit verzweigte Erdgasinfrastruktur mit ihrem große Speichervolumen im Bundesgebiet weiter genutzt werden. Erneuerbares Methan kann mit erneuerbarem Strom hergestellt werden, der mit Sonne oder Wind erzeugt wird. Dafür wird Wasser mit Strom zerlegt und der erzeugte Wasserstoff in einer nachfolgenden Reaktion gemeinsam mit CO2 zu Methan (sog. Power-to- Gas-Verfahren) umgesetzt. Das CO2 kann beispielsweise aus der Atmosphäre, Klärwerken oder großen industriellen Quellen (z. B. Kalkbrennereien, Zementwerken oder Ziegeleien) stammen, wobei Kohlekraftwerke auszuschließen sind. Auf diesem Wege ist entweder ein tatsächlich CO2-neutraler oder zumindest CO2-armer Kraftwerksbetrieb in Moabit und anderswo möglich. Erneuerbares Methan dürfte langfristig beim Versiegen der fossilen Energievorräte im Bundesgebiet und darüber hinaus eine wichtige Rolle für die Energieversorgung und für die Chemische Industrie zur Stoffherstellung spielen. Dafür wird aber in Abhängigkeit von der Menge viel erneuerbarer Strom gebraucht, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Herstellungsprozess mit erheblichen Energieverlusten (insbes. Wärme) verbunden ist. Diese Verluste können aber größerenteils durch Kraft-Wärme-Kopplung aufgefangen werden. Für solche großen Strommengen dürfte wohl in Abhängigkeit vom benötigten Methan ein europäischer Stromverbund notwendig werden. Inzwischen ist ein höchst anregender Vorschlag erarbeitet worden, erneuerbares Methan oder auch Kraftstoffe direkt auf hoher See mit Schiffen, die in windreichen Gebieten kreuzen, mittels Windstrom herzustellen (Sterner, Michael; Raith, Thomas, 2013).

Dr. Detlef Bimboes

Literatur:

  1. Bimboes, Detlef: Auf dem Holzweg – zur Kritik der Klimaschutz-Vereinbarung des Landes Berlin mit Vattenfall (klick öffnet Seite von Detlef Bimboes)
  2. Bakker, Wouter: Interview zu „Wouter arbeitet in Schweden“; http://www.vattenfall.de/de/welcome-to-vattenfall/biomass.htm, abgerufen am 12.02.2013
  3. Nordic Market: Vattenfall: Weg frei für den Ausbau des Einsatzes von Biomasse im Heizkraftwerk Moabit, Pressemitteilung vom 28.12.2013; abgerufen am 21.02.2014
  4. Vattenfall: Eine Brücke für die Biomasse im Heizkraftwerk Moabit; abgerufen am 21.02.2014: https://web.archive.org/web/20150428175647/http://www.vattenfall.de:80/de/berliner-energiewende/meldungen-oktober.htm;
  5. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Verantwortung in einer begrenzten Welt, Kap. 6.2.3, Nr. 360 ff., Berlin 2012;
  6. Leopoldina: Bioenergie – Möglichkeiten und Grenzen (übersetzte und ergänzte Fassung der Stellungnahme aus 2012), siehe Kap. Einleitung und die beiden Kapitel in der Anlage, Halle 2013;
  7. Schulze, Ernst-Detlef; Körner, Christian: Nettoprimärproduktion und Bioenergie, in: Leopoldina: Bioenergie – Möglichkeiten und Grenzen (übersetzte und ergänzte Fassung der Stellungnahme aus 2012), S. 107, Halle 2013;
  8. Sterner, Michael; Raith, Thomas: Konzept Segelenergie „Follow the wind“; abgerufen am: 09.03.2014: http://segelenergie.de/. Bearbeitungsschluss: 09.03.2014

Anlage:

Pressemitteilung der Universität Klagenfurt vom September 2011

Schwerer Fehler bei der Berechnung der Treibhausgas-Emissionen von Bioenergie

Der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Umweltagentur EEA berichtet über schwere Fehler bei der Berechnung der Einsparung von Treibhausgasen durch Bioenergie und verlangt eine wesentliche Änderung der europäischen Bioenergiepolitik. Weltweit gibt es Bemühungen, die darauf abzielen, Fossilenergie durch Bioenergie zu ersetzen, um so Treibhausgasemissionen einzusparen. Mehrere EU-Direktiven fördern Bioenergie unter der Annahme, dass die Verbrennung von Biomasse nicht zu einer Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre beiträgt. Eben wurde eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates der Europäischen Umweltagentur (EEA) veröffentlicht, die weitreichende Konsequenzen für die Bioenergiepolitik haben wird (s. unten). Konkret geht es darum, dass praktisch alle europäischen Rechnungssysteme zur Berechnung der Treibhausgasemissionen von Bioenergie massive Fehler aufweisen. Die meisten Bioenergieträger haben erheblich größere Treibhausgasemissionen als ihnen auf Grund der gegenwärtigen Berechnungssysteme zugerechnet werden. Die bisherigen Berechnungen basieren auf der Annahme, dass Bioenergie weitgehend klimaneutral ist, da bei ihrer Verbrennung nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird, wie beim Wachstum der Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Dabei wird vergessen, dass Land, welches zur Produktion von Pflanzen für Bioenergie verwendet wird, in der Regel keine Pflanzen für andere Nutzung – etwa Nahrungsmittelerzeugung oder Bindung von Kohlendioxid – produziert. Die aktuellen EU- Regeln berücksichtigen daher die Folgen von Landnutzungsänderungen, die durch den Umstieg auf Energiepflanzenproduktion entstehen, nur unzureichend. Nach Meinung der Wissenschaftler des Wissenschaftlichen Beirates der EEA könnten die Folgen eines massiven Umstiegs von Fossilenergie zu Bioenergie „immens“ sein und zu einem weiteren Anstieg der Treibhausgas-Emissionen und damit zu stärkerer globaler Erwärmung führen. Der Wissenschaftliche Beirat der EEA fordert daher ein Umdenken in der europäischen Bioenergiepolitik, und eine weit reichende Überarbeitung der Berechnungssysteme. Bioenergiepolitik sollte die Energieproduktion aus Biomassenebenprodukten, Abfällen und Rückständen fördern und darauf achten, dass die Produktion von Energiepflanzen nicht die Produktion von Nahrungsmitteln verdrängt. Die globalen Erwartungen an die Biotreibstoffe sollten an die Möglichkeiten unseres Planeten angepasst werden und nicht eine Gefahr für die natürlichen Ökosysteme darstellen.

Kontakt: a. o. Univ.-Prof. Dr. Helmut Haberl,
Institute of Social Ecology Vienna (SEC), Alpen-Adria Universitaet Klagenfurt, Wien, Graz (AAU) helmut.haberl@aau.at, http://www.aau.at/socec Phone +43 699 140 776 58