(Wirtschafts-) Interessen durchsetzen!

So lautet offenbar das Motto der IHK Berlin zum öffentlichen Stadtforum am 7.4.2013 (16:30 bis 19:00 im Berliner Energieforum, Stralauer Platz 34):

„Die Stadtforen sind als partizipatives Angebot angelegt. Hier kommen Bürger und andere Akteure der Zivilgesellschaft zu Wort und formen den weiteren Prozess. Deshalb muss sich die Wirtschaft hier zahlreich zu Wort melden und eine gute Position erstreiten. Alle Unternehmen sind deshalb gefragt teilzunehmen.“

schreibt Silke Robel in der „Berliner Wirtschaft“, dem Magazin der IHK Berlin (2014/04;S. 29).

Da fragt sich doch, gegen wen hier gestritten werden soll, und natürlich für welche Ziele?
Schauen wir uns doch mal die entsprechende Internetseite der IHK an. Unter der Überschrift

Wie wird Berlin 2030 aussehen?
Der Prozess zur Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes 2030

finden wir

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt entwirft aktuell das neue Stadtentwicklungskonzept für das Zieljahr 2030. In Werkstätten und öffentlichen Stadtforen mit über 200 Fachleuten und Bürgern hat die IHK Berlin seit Februar 2013 eine führende Position der Wirtschaft in der Berliner Stadtentwicklungsstrategie erstritten. Die Vorsitzenden der IHK-Ausschüsse haben als Ergebnis ihres Jahrestreffes im November 2013 gemeinsam mit dem IHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer für alle Branchen Forderungen als Impuls für die weitere Diskussion an den Stadtentwicklungssenator Michael Müller adressiert. Im Februar wurde die IHK Berlin von der Senatsverwaltung aufgefordert, eine Stellungnahme zum Entwurf des Stadtentwicklungskonzeptes abgegeben. Am 17. März haben Vertreter aus den IHK-Ausschüssen branchenübergreifend über die von der Senatsverwaltung vorgeschlagenen Transformationsräume diskutiert.

Offenbar befürchtet die IHK, dass soziale und ökologische Interessen Vorrang vor Profiterwirtschaftung bekommen, denn öffentliche Beschäftigung wird als z.B. nachrangig gegenüber der Förderung für den ersten Arbeitsmarkt angesehen (Stellungnahme, S. 4) und Berlin als „Umwelthauptstadt Europas“ bezeichnet (Stellungnahme, S. 9) – damit ja nicht noch mehr sozial-ökologische Veränderungen vorgenommen werden, zum Beispiel bei der öffentlichen Daseinsvorsorge:

Zentrale Versorgungstrukturen noch zudem in staatlicher Hand sind keine Vision sondern ein Rückschritt. Das Bündeln von Versorgungsstrukturen in der öffentlichen Hand ist in Berlin zum großen Teil schon Status Quo. Visionäre Versorgungsszenarien setzen auf dezentrale und intelligente Versorgungsysteme, die privates Handeln erleichtern und innovative Wege der Ressourcennutzung ermöglicht. (a.a.O.)

und statt „der zugegebenermaßen nichts sagenden Formulierung „Qualitätvolle Innenentwicklung vorantreiben“ schlägt die IHK vor:

„Zugeschnittene Partizipation sichert nachhaltige Entwicklung“
Für die Entwicklung der einzelnen Flächen werden gute und fundierte Strategien und Nutzungen festgelegt, die mit „echter“ Beteiligung der Bürger und der Fachwelt in speziell zugeschnittenen Verfahren gefunden werden. Eine neue Koordinierungsstelle für Bürgerbeteiligung und Partizipation, die als zentrale Instanz alle landesweiten und bezirklichen Partizipationsprozesse anleitet und begleitet, entscheidet vor Beginn von Planungen über den Einsatz der geeigneten Beteiligungsverfahren
(a.a.O.)

Interessant sind die Anführungszeichen, die die IHK bei „echter“ Beteiligung selbst setzt und die Hervorhebungen: „Nachtigall, ick hör dir trapsen“ sagt der Berliner. Offenbar schwebt der IHK vor, je nach konkreter Problem- und Interessenlage die Art der Beteiligung genau so zu konstruieren, dass das gewünschte Ergebnis erreicht wird:

Während der gesamten Dauer von Planungsprozessen wird maximale Transparenz durch umfangreiche Informationsangebote geschaffen, die allen Interessierten Zugang zum aktuellen Stand der Planung sowie den bisherigen und noch ausstehenden Partizipationsmöglichkeiten bieten. Die Verfahren werden zugeschnitten auf jeden Standort ausgewählt, Beteiligung findet auch in Vorphasen von Planungsprozessen statt. (a.a.O.)

Eine zentrale Koordinierungsstelle, die darüber entscheidet, ist natürlich leichter zu beeinflussen bzw. zu kontrollieren, als eine Bürgerinitiative. Übrigens – was die „maximale Transparenz“ angeht: Die Kommentare der IHK-Stellungnahme beziehen sich auf ein „Stadtentwicklungskonzept 2030“, das offenbar nur Auserwählten, unter anderem (oder vor allem?) der IHK vorliegt. Meine Suchmaschine (Startpage) lieferte jedenfalls nicht die Datei, auf die sich die Kommentare beziehen (Internetabruf 2.4.14 21:00), sondern nur den Statusbericht des Senats. So bleiben denn auch die konkreten Bezüge einiger IHK-Kommentare unklar und werden insofern nicht weiter betrachtet.

Zum Thema „Erreichbarkeit und stadtverträgliche Mobilität ausbauen“ hebt die IHK erwartungsgemäß den Zeigefinger:

„…wird der Kfz-Verkehr absolut gesehen zunehmen. … Diesen Entwicklungen muss die Berliner Ver-
kehrsinfrastruktur 2030 in jeder Hinsicht gerecht werden

ohne auf das Problem der Stadtverträglichkeit auch nur im Geringsten einzugehen.

Zu Fragen des Schutzes unserer Umwelt – Berlin ist eine Stadt mit viel Wald, Grün- und Wasserflächen – gibt es von der IHK abgesehen von Klima- und Ressourcenschutz durch innovative Technologien keine Aussagen. Das ist auch nicht zu erwarten, obwohl sie er Statusbericht des Senats erwähnt – allerdings nicht als Standortfaktor:

„Als Rahmen für die gesamtstädtischen Entwicklungsstrategien werden wir ein Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 als Leitbild für die Stadt erarbeiten. Dabei setzen wir auf die Position Berlins als internationaler Wissensstandort und als Hauptstadt, auf die produktive Wirtschaft, auf die soziale Einheit der Stadt, die Erhaltung lebenswerten Stadtklimas, den effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Gestaltung des demografischen Wandels sowie Berlins einzigartige Kulturlandschaft….
Lebensqualität bieten die Parks, Grünflächen und Freiräume, die Wälder, Seen und Flüsse.“

Aber Lebensqualität ist für die Wirtschaft nur ein Aufhänger, um eigene Interessen zu positionieren:

Eine wirtschaftlich starke Stadt ist auch eine lebenswerte Stadt, Arbeit ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Faktor für Lebensqualität. Deshalb darf eine zukunftsweisende Stadtentwicklung auch nicht „nur“ preiswertes Wohnen, ein schönes Wohnumfeld oder gepflegte Parks in den Fokus stellen, sondern muss sich auch damit auseinandersetzen, Technologieoffenheit, Internationalität und Wachstumsorientierung als tragende Säulen der Stadtentwicklung zu etablieren. Stadtentwicklung muss eine moderne Industrie, attraktive Gewerbegebiete, eine pulsierende Kreativszene und eine lebendige Handels- und Gastronomielandschaft voranbringen. (Internetseite der IHK)

Zurück zum Termin am 7.4.14 und dem Aufruf der IHK:

„Deshalb muss sich nicht nur die Wirtschaft hier zahlreich zu Wort melden und eine gute Position erstreiten.“

Wir alle sind gefragt teilzunehmen!