Kommentar zu Geplanter Braunkohletagebau Welzow-Süd II …

siehe https://www.oekologische-plattform.de/2014/05/geplanter-braunkohletagebau-welzow-sued-ii-holt-parteivorstand-der-linken-in-berlin-ein-greenpeace-besetzt-karl-liebknecht-haus/

Wir haben schon seit längerer Zeit ein Problem mit einigen Zügen der LINKEN-Politik: Zwischen guten Beschlüssen und praktischem politischen Handeln und Auftreten klafft manchmal eine Lücke. Das betrifft nicht nur die hier kritisierte Energiepolitik in Brandenburg (siehe CCS und Kohletagebaue in Brandenburg unter Rot-Rot) sondern z.B. auch das Abstimmungsverhalten Einiger zu Militäreinsätzen oder das äußere Erscheinungsbild in Wahlkämpfen (siehe 100% – wovon? oder Europawahl der LINKEN…).
Solche Widersprüche werden von unseren politischen Gegnern gezielt und bewusst ausgenutzt, um uns zu schaden. Das Schlimme daran ist, dass es Politiker der LINKEN sind, die dafür die Vorlagen liefern.

Wenn die LINKEN-MinisterInnen im Brandenburger Kabinett dem Braunkohlenplan zustimmen, droht der Entwurf des Landtagswahlprogramm für Brandenburg vom 8. März 2014, Zeile 48-49:

„Mit der Energiestrategie 2030 setzen wir auf den Durchbruch von Erneuerbaren Energien und Klimaschutz. Unser Ziel bleibt, dass spätestens ab 2040 keine Braunkohle mehr verstromt wird.“

zu Makulatur zu werden, bevor er überhaupt beschlossen wird – nicht formal, sondern praktisch:
Wer die Braunkohleverstromung beenden will, darf keinen neuen Tagebauen zustimmen.

Die „normative Kraft des Faktischen“ bedeutet in der Rechtsphilosophie, dass durch die tatsächliche Entwicklung ein Zustand geschaffen wird, den dann später auch die Rechtsordnung anerkennen muss(?). Diese wirkt auch hier: Die Brandenburger LINKE illustriert das sehr schön in ihrer Erklärung zur anstehenden Kabinettentscheidung zum Braunkohleplan am 29.5.14:

„Hintergrund dafür ist, dass das Braunkohlenkraftwerk Schwarze Pumpe, dessen Laufzeit nach heutigem Kenntnisstand ca. 2042 endet, bis ca. 2025 vom Tagebau Welzow-Süd, Teilabschnitt I versorgt wird. Ab 2026 erfolgt eine Versorgung des Kraftwerkes noch aus den Teilabschnitten I und II, ab ca. 2030 alleine aus dem Teilabschnitt II.“

Im Klartext:

  • Das Kraftwerk ist nun mal da.
  • Also muss(?) es betrieben werden.
    Spielt hierbei eine Rolle, dass Vattenfall gegen Brandenburg wegen entgangenen Gewinns klagen könnte?
  • Bis ca. 2042 (?) „muss“ daher in Welzow Süd Braunkohle abgebaggert werden.
    Gestattet der „heutige Kenntnisstand“ eventuell auch ein „länger“?
  • Da die Vorkommen in Welzow-Süd I nicht so lange reichen, wird Welzow-Süd II benötigt.

Entsprechend dieser Logik ist der anstehende Kabinettsbeschluss überhaupt keine Entscheidung – weil es nichts zu entscheiden gibt. (Frau Merkel nennt so etwas „alternativlos“.)
Wenn das so wäre – worin bestünde dann ein Regieren („lenken“ und im weiteren Sinne „führen“, „leiten“) – und vor allem: Welchen Sinn hätte es, wenn DIE LINKE in der Regierung „mitspielt“?

Die ganze Argumentation ist falsch:

  1. Das Kraftwerk ist da – aber es kann auch stillgelegt werden.
  2. Mit dem Ende von Welzow-Süd I endet die Braunkohleversorgung des Kraftwerks Schwarze Pumpe. Es ist deshalb stillzulegen.

Viel entscheidender ist jedoch:

  • Das von der LINKEN-Ministerin Anita Tack geleitete Umweltministerium hat beim DIW ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem gezeigt wird, dass Welzow-Süd II nicht notwendig ist:

„Braunkohleverstromung wird zu Recht in der Energiestrategie 2030 als Auslaufmodell bezeichnet; das Scheitern der CO2-Abscheidetechnologie beschleunigt dieses Auslaufen zusätzlich. Angesichts dieser Entwicklung erübrigt sich auch der Aufschluss der Tagebauten Jänschwalde-Nord und des zweiten Teilabschnitts in Welzow-Süd.“

  • Der Aufschluss des Teilabschnittes II ab 2026 wäre für den kurzen Zeitraum bis „ca. 2042“ völlig unwirtschaftlich, aber er würde neue Fakten schaffen: Die Braunkohle müsste auch genutzt (=verbrannt) werden. Das heißt:
    Wer die Braunkohleverstromung bis 2040 beenden will, darf Welzow-Süd II nicht zustimmen.
    Und umgekehrt:
    Wer Welzow-Süd II jetzt zustimmt, hintertreibt die Energiewende.

In derselben Erklärung steht vor dem erwähnten  „Hintergrund“:

„DIE LINKE. Brandenburg hält an ihrer Zielstellung fest, bis zum Jahr 2040 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen.“

Dieses „Ziel“ verträgt sich mit dem Betrieb des Braunkohlenkraftwerks Schwarze Pumpe bis ca. 2042 nur, wenn mensch von der naiven Hoffnung ausgeht, dass Vattenfall nach 2040 mit Schwarze Pumpe keinen Gewinn erzielen kann oder gar freiwillig auf einen Weiterbetrieb von Welzow-Süd II verzichtet. Dann würde sich das Problem von allein lösen. Politischer Gestaltungswille, die Energiewende aktiv voranzubringen, sieht aber anders aus. Doch das kann mensch den Wählern nicht in dieser Deutlichkeit sagen. Daher enthält die Erklärung statt Aussagen, wie dieses Ziel erreicht werden soll, beschwichtigende Formulierungen:

„die Kabinettsmitglieder der LINKEN … haben ihre Zustimmung zum Braunkohleplan … mit der deutlichen Erklärung verbunden, dass die Umsetzung der Energiestrategie 2030 und der darin verankerte Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Systemintegration einschließlich innovativer Speicherlösungen als Voraussetzung für einen Systemwechsel bei der Energieversorgung Priorität bleibt. … Das ist dem Koalitionspartner bekannt und wird sich als Protokollerklärung zur Kabinettsitzung niederschlagen.“

Na und? Welche Wirkung wird eine solche Protokollerklärung wohl haben? Ein Stück Papier hat eine wesentliche geringere „Kraft des Faktischen“, als die Erweiterung des Tagebaus.
Die einzige konkrete Maßnahme, die Braunkohleverstromung bis 2040 zu beenden, besteht in der Evaluation der Energiestrategie 2030 in der nächsten Wahlperiode:

„DIE LINKE und ihre Kabinettmitglieder in Brandenburg halten daran fest, dass die Energiestrategie 2030 im Jahre 2015 evaluiert wird und setzen sich dafür ein, aus dem Ergebnis der Evaluation die Bedingungen für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis 2040 zu schaffen.“

Es ist allerdings nicht sicher, dass DIE LINKE in Brandenburg wieder in der Regierung sein wird. Die  letzten Wahlergebnisse lassen zumindest die Möglichkeit zu, dass das nach der Landtagswahl nicht sein wird.

Zweitstimmen
EU-Wahl 2009: 162.687 26%
BT-Wahl 2009: 395.566 28,5%
LT-Wahl 2009: 377.112 27,2%
BT-Wahl 2013: 311.312 22,4%
EU-Wahl 2014: 183.662 19,7%

Und dann? Das Ergebnis einer Evaluation ist niemals objektiv. Sie hängt immer ab von den zugrundegelegten Kriterien und von denjenigen, die die Evaluation durchführen. Das wird die nächste Landesregierung entscheiden. Könnte sie also zum Ergebnis kommen, dass Kohleverstromung weit über 2040 hinaus nötig ist?

Hat DIE LINKE. Brandenburg keine Möglichkeit, den Kabinettsbeschluss nicht mitzutragen, z.B. durch Stimmenenthaltung?

Ist es Angst, den Koalitionspartner zu verärgern und nach der Wahl in die Arme der CDU zu treiben? „Der energiepolitische Sprecher der Linksfraktion in Brandenburgs Landtag, Thomas Domres, verteidigte die bisher geplante Zustimmung zur Ausweitung des Tagebaus mit dem Hinweis, die Koalition werde sonst noch vor der Landtagswahl am 14. September auseinanderbrechen“ teilte die junge Welt mit (28.5.14).

Aber wäre das vielleicht sogar eine Chance, den WählerInnen zu zeigen, dass sie bereit ist, für ihre Ziele einzustehen? Sie könnte dadurch Vertrauen (zurück-) gewinnen – statt als Bettvorleger der SPD zu enden.

Es ist eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, dass sich die brandenburgischen LINKEN-MinisterInnen bei der Abstimmung zum Braunkohleplan zumindest der Stimme enthalten.

Wolfgang Borchardt
31.5.2014