Undemokratische Braunkohle
Die Ankündigung des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall, den Verkauf der Lausitzer Braunkohle zu prüfen, stellt eine Zäsur dar. Erstmals gesteht ein führender Energiekonzern in Deutschland ein, dass sich mit Kohlestrom künftig nicht mehr genug Geld verdienen lässt. So stark hat die Energiewende die Marktverhältnisse bereits verschoben. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nun selbst als Emissär nach Schweden aufmacht.
Da überrascht die Idee nicht, die Lausitzer Kohle in die öffentliche Hand zurückzunehmen und – zumindest in Brandenburg – ein rot-rotes Konversionsprojekt auf den Weg zu bringen. Eine vom Konzern finanzierte Stiftung solle sich dem ökologischen Wiederaufbau widmen, heißt es, und das Land solle als Besitzer für basisdemokratische Entscheidungen über das industrielle und kommunale »Danach« sorgen.
Die Idee lebt von der Annahme, dass Vattenfall dazu gebracht werden kann, so eine Stiftung zu finanzieren. Am ehesten ginge das, wenn der noch »lebendige« Bergbau mit (einem Teil) seiner Wertschöpfung die Konversion des »toten« Bergbaus finanzieren könnte. Bei der Braunkohle kann man sich aber keine kleine, feine Anlage in den Hof stellen und den Brennstoff im Minitagebau fördern. Rentabel ist sie nur in ganz großen Dimensionen. Die künftigen Konvertiten werden so bald wie die heutigen Braunkohlefans nach einem Fortbetrieb rufen. Die Braunkohle soll dann zwar keine Brücke mehr in eine lichte Energie-, aber wenigstens in eine Konversionszukunft sein.
Die Basis hat ihr demokratisches Votum allerdings längst gefällt: Kein Lausitzer Ort und kein Dorf darf mehr den Kohlebaggern zum Opfer fallen. Klimapolitisch ist ohnehin jede Tonne Kohle, die noch verbrannt wird, eine zu viel. Nehmen die Konversionsbefürworter das ernst, ist der Kohle kein langes Leben mehr beschieden. Dann bleiben nur die vorhandenen Rückstellungen des Kohlekonzerns für das »Danach«.
Die vergangenen 20 Jahre Braunkohlesanierung legten allerdings schonungslos offen, dass man mit keinem Geld der Welt die Landschaft im Sinne der Wortes wiederherstellen kann: Rutschende Böschungen, gesperrte Flächen, biologisch tote Grubenseen, verockerte Flüsse und steigende Grundwasserspiegel, die ganze Gebiete ins Wanken bringen, sind allzu gern verdrängte Ewigkeitskosten. Eine Konzernstiftung wäre da nicht mehr als ein finanzielles Feigenblatt.
Die schöne Konversionsidee geht letztlich auf den Glauben gerade von Linken zurück, auch Großtechnologien wie die Braunkohleverstromung »zähmen« zu können, wenn man nur genügend demokratisch und fortschrittlich an die Sache herangeht. Die Geschichte zeigt aber, dass es Großtechnologien gibt, die sich mit dem Ideal einer humanen, emanzipativen und selbstbestimmten Gesellschaft prinzipiell nicht vertragen. Es kann keine linksdemokratische Stadtautobahn, keinen linksökologischen Riesenairport, kein sozialistisch-demokratisches Atom- oder Kernfusionskraftwerk und auch keine kommunal mitbestimmte Braunkohlewirtschaft geben. Dieser Energieträger ist im Kern undemokratisch. Daraus lässt sich kein rot-rotes Vorzeigeprojekt, sondern nur eine höchst widersprüchliche Realpolitik generieren.
Das mag sein, werden die Konversionsbefürworter antworten und darauf verweisen, dass man doch im Interesse der Menschen für das »Danach« etwas tun müsse. Die gute Absicht gereicht zur Ehre, ihr fehlt aber die linke Grundierung. Nach der Wende hat der Staat es nicht nur versäumt, die Konzerne, die die Braunkohle übernahmen, für die Ewigkeitskosten zur Kasse zu bitten, sondern er hat diese auch noch subventioniert: keine Wasserabgabe, keine CO2-Steuer und keine durchgreifende Haftung für Bergschäden. Jetzt, wo die Gewinne unwiederbringlich privatisiert sind, soll Rot-Rot vorpreschen und die sozialen und ökologischen Kosten weitgehend sozialisieren?
Es wirkt schon komisch, dass Linke immer dann schnell mit dem Verstaatlichen bei der Hand sind, wenn die privaten Eigner in der Krise sind. Das ist bei den Pleitebanken so und scheint so bei kommenden Pleitebranchen wie der Braunkohle zu sein. Wenn die LINKE eine Stiftung gründen will, die sich um die Zukunft einer Region kümmert, dann gehörten da die Zukunftsbranchen hinein: Erneuerbare, Bio- und Sharing-Firmen oder die ganzen Internethändler. An der Braunkohle wird sich die LINKE nur (erneut) verheben.
Jörg Staude
nd 12.11.2014