Derzeit gibt es einen Boom in der Biobranche. Der Bio-Umsatz in Deutschland hat 2017 erstmals die 10 Mrd. EUR Marke überschritten. Insbesondere die Discounter, aber auch die Vollsortimenter des Lebensmitteleinzelhandels haben mit größeren Verkaufsmengen den Umsatz beflügelt.
Oft wird das Bild gezeichnet, dass biologische Landwirtschaft eigentlich nur auf kleinen Bauernhöfen möglich ist, und dass darüber hinaus Bauernhöfe per se kleine Familienbetriebe sind. Dabei ist der Begriff Bauernhof genauso unbestimmt, wie der Begriff Familie. Sind Mehrfamilienbetriebe, wie zum Beispiel Genossenschaften oder Höfe der solidarischen Landwirtschaft nun Bauernhöfe oder nicht? Ist Bio-Landwirtschaft in Großbetrieben ein Widerspruch in sich? Versperrt dieser Kulturkampf um Größe nicht den Blick auf die Zwänge im kapitalistischen Wirtschaftssystem?
Im Folgenden untersuche ich die Frage, ob Bio-Landwirtschaft bzw. ökologischer Landbau in Großbetrieben möglich ist. Aus Platzgründen erfolgt die Betrachtung in erster Linie agronomisch, also aus Sicht der Ziele, die in den Richtlinien des ökologischen Landbaus niedergelegt sind.
Richtlinien der ökologischen landwirtschaftlichen Produktion und Ziel der ökologischen Landwirtschaft:
„Die ökologische/biologische Produktion bildet ein Gesamtsystem der landwirtschaftlichen Betriebsführung und der Lebensmittelproduktion, das beste umweltschonende Praktiken, ein hohes Maß der Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen und die Anwendung hoher Tierschutzstandards kombiniert“ –
so heißt es in der Richtlinie der EU über den Ökologischen Landbau1. Ziel des ökologischen oder biologischen Landbaus ist es demnach, gesunde Lebensmittel möglichst im Einklang mit der Natur zu produzieren und damit Umwelt und Ressourcen weitgehend zu schonen.
Die Ernährung der Pflanzen soll weitgehend aus dem Ökosystem des Bodens sichergestellt werden. Die Bodenfruchtbarkeit wird durch Fruchtfolgen, die Leguminosen und Zwischenfrüchte enthalten, und eine integrierte Tierhaltung, die zahlenmäßig an die Fläche angepasst ist und nicht nur auf die Erzeugung von Milch und Fleisch getrimmt wird, erhalten und verbessert. In der Bio-Landwirtschaft sind vielgliedrige Fruchtfolgen vorgeschrieben, und der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen sowie chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel verboten. Sowohl im Pflanzenbau wie auch in der Tierhaltung gelten das Gebot der Stärkung der Immunität und Resistenzen und der Vorsorgegedanke. Der Kreislaufgedanke ist tief verankert, daher sollen Neben- und Abfallprodukte wieder verwertet und in den Nährstoffkreislauf der Betriebe zurückgespeist werden.
Ökologischer Landbau trägt dadurch dazu bei, Ökosysteme und die Artenvielfalt zu erhalten, den Boden zu schützen, das Wasser sauber und die Klimabelastung gering zu halten. Was in den Richtlinien und auch bei der Zielsetzung des ökologischen Landbaus fehlt, ist die soziale Komponente. Mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der in der Landwirtschaft Tätigen wird sich, wenn überhaupt, nachrangig befasst. Aus linker Sicht jedoch ist der Mensch mit seinen Rechten und Bedürfnissen untrennbar mit einer nachhaltigen Produktions- und Lebensweise verbunden.
Stand des Ökolandbaus in der EU und in Deutschland im Allgemeinen
Der Anteil der ökologischen Anbaufläche in Prozent an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Europa betrug im Jahr 2014 5,9%. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland nach Spanien, Italien und Frankreich an vierter Stelle.
In Deutschland werden gegenwärtig 1.251.320 ha nach den EU-Richtlinien für Öko-Landbau bewirtschaftet2. Wenn man davon ausgeht, dass insgesamt etwa 18,4 Millionen ha in Deutschland landwirtschaftlich genutzt werden3, dann ergibt sich daraus ein Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche von 6,8%.
In den einzelnen Bundesländern ist der Anteil der ökologischen bewirtschafteten Fläche an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche höchst unterschiedlich.
Tabelle 1:
Ökologische Landwirtschaft in den einzelnen Bundesländern (2015)4
Bundesland | Flächenanteil an LN* (%) | Fläche (ha) | Zahl der Betriebe | Ø Fläche (ha)/Betrieb |
Saarland | 13,1 | 10.000 | 183 | 54,6 |
Hessen | 11,0 | 88.000 | 1862 | 47,3 |
Brandenburg | 10,3 | 136.000 | 787 | 179,6 |
Mecklenburg-Vorpommern | 9,3 | 126.000 | 812 | 155,2 |
Baden-Württemberg | 9,2 | 130.000 | 7130 | 18,2 |
Rheinland-Pfalz | 8,0 | 57.000 | 1312 | 43,4 |
Bayern | 7,3 | 230.000 | 7460 | 30,8 |
Sachsen-Anhalt | 4,9 | 57.000 | 387 | 147,3 |
Nordrhein-Westfalen | 4,8 | 69.000 | 1823 | 37,8 |
Thüringen | 4,2 | 33.000 | 301 | 109,6 |
Sachsen | 4,1 | 37.000 | 556 | 66,5 |
Schleswig-Holstein | 4,1 | 41.000 | 520 | 78,8 |
Niedersachsen | 2,8 | 72.000 | 1505 | 47,8 |
*LN = landwirtschaftliche Nutzfläche
Ökologischer Landbau in Großbetrieben
Schon an den unterschiedlichen durchschnittlichen Betriebsgrößen in den Bundesländern in Tabelle 1 lässt sich ablesen, dass in den ostdeutschen Bundesländern auch Großbetriebe nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus arbeiten. Sie wurden nach 1990 aus den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Volkseigenen Gütern der DDR gegründet. Diese Betriebe verfügen meist über Flächen, die melioriert und großflächig sind. Die Zielsetzung eines schonenden Umgangs mit den Ressourcen Boden, Wasser und Luft kann auch auf großen Flächen mit den Bewirtschaftungsmethoden des ökologischen Landbaus gut erreicht werden. Durch die weiten, vielgliedrigen Fruchtfolgen und die Kreislaufwirtschaft mit der Verwendung des betriebseigenen Dungs wird die Bodenfruchtbarkeit erhalten. Da Nährstoffe sehr wertvoll sind, weil sie nicht einfach über Mineraldünger von außen zugeführt werden können, wird im ökologischen Anbau streng darauf geachtet, dass Nährstoffe, wie Stickstoff oder Phosphor, nicht in das Grundwasser ausgetragen werden oder in die Luft entweichen, sondern den Kulturpflanzen zugutekommen.
Auch Ökolandwirte klagen über einen steigenden ökonomischen Druck, der sie dazu bewegt, eine Intensivierung und Spezialisierung durchzuführen. Verstärkt wird dieser Trend in den letzten Jahren außerdem durch die stark steigenden Pacht- und Bodenpreise in vielen Regionen Deutschlands.5
Eine Reihe von Konflikten mit den Zielen des Naturschutzes ist bekannt. Zum Beispiel findet landwirtschaftliche Bearbeitung auch zu Zeiten statt, zu denen sich wildlebende Pflanzen und Tiere fortpflanzen. So können durch frühe und häufige Nutzung von Ackerfutter oder Grünland die Nester bodenbrütender Vögel wie Feldlerche oder Wiesenpieper zerstört oder Jungtiere getötet werden. Spät blühende Ackerwildkräuter können nicht zur Samenreife gelangen, wenn die Bodenbearbeitung direkt nach der Getreideernte stattfindet.
Die Erhaltung der Artenvielfalt stellt auf ökologisch wirtschaftenden Großbetrieben jedoch auch deshalb eine Herausforderung dar, weil die einzelnen Ackerschläge meist sehr groß sind. Auf diesen großen Flächen wird auch in Biobetrieben schwere Technik verwendet, die negative Auswirkungen auf den Boden und das Bodenleben hat. Zwar dürfen im ökologischen Landbau keine Pestizide verwendet werden und somit werden Insekten oder Unkräuter nicht durch die chemische Keule vernichtet, jedoch nimmt mit der Größe der Flächen zum Beispiel die Anzahl der Arten ab. Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl der Ackerunkräuter auf Feldflächen davon abhängt, ob am Rand einer Ackerfläche oder im Feldbestand gezählt wird.

Aus Abbildung 16 wird deutlich, dass im ökologischen Landbau das Vorkommen von Beikrautarten sehr viel höher ist als in Feldern, die „konventionell“, also mit Hilfe von Pestiziden bewirtschaftet werden7. Der Unterschied in der Artenzahl zwischen Feldrand und innen im Feld ist jedoch auch im Öko-Landbau sehr deutlich. Es ist also für die Artenvielfalt auch im ökologischen Landbau wichtig, Feldraine und Hecken zwischen den Feldern anzulegen und in den Ackerflächen z.B. Blühstreifen einzusäen oder Ackerrandstreifen anzulegen.
Denn Ackerunkräuter stellen eine wichtige Nahrungsgrundlage für Insekten dar. Wie in der Tabelle 2 dargestellt wird, sind es gerade Ackerunkräuter welche z.B. den Bienen, insbesondere den Honigbienen, wichtige Nahrung bieten.
Tab.2: Bewertung der Nahrungsgrundlage von Bienen
Ackerunkraut (Art) |
Honigbiene |
Wildbienen | |
Nektar | Pollen | ||
Wilde Möhre | ++ | + | + |
Acker-Witwenblume | +++ | + | ++ |
Echte Kamille | + | ++ | ++ |
Acker-Vergissmeinnicht | +++ | +++ | ++ |
Klatschmohn | – | +++ | +++ |
+++ sehr wichtig, ++wichtig, +weniger wichtig, – nicht genutzt
Viele Großbetriebe in Ostdeutschland, die ökologisch wirtschaften, sind sogenannte Mehrfamilienbetriebe, die meist noch eine Anzahl von angestellten Arbeitskräften beschäftigen. Sie sind rechtlich oft Einzelbetriebe, die kooperativ und eng zusammen arbeiten. Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe von ökologisch wirtschaftenden Agrargenossenschaften. Hier sind es die Mitglieder und Angestellte, die sich die Arbeit aufteilen können.

In ökologisch wirtschaftenden Großbetrieben ist die wirtschaftliche Möglichkeit für kürzere Arbeitszeiten, mehr Arbeitsschutz und umfassende Versicherungsleistungen eher gegeben als in Kleinbetrieben. Viele Großbetriebe verarbeiten ihre Erzeugnisse vor Ort weiter und bringen sie in der Direktvermarktung an die Käufer und sind zudem gleichzeitig in der Lage, große Chargen für die steigende Nachfrage von großen Abnehmern zu liefern. In vielen Fällen haben ökologisch wirtschaftende Großbetriebe auch Gastronomie und/oder Ferienwohnungen im Angebot. Durch diese Diversifizierung sind sie besser vor Krisen geschützt.
Fazit:
Auch in Großbetrieben ist ökologische (Bio-) Landwirtschaft möglich und viele Beispiele in Ostdeutschland zeigen, dass es nicht nur möglich, sondern sehr erfolgreich ist.
Mit Blick auf den abiotischen Umweltschutz sind ökologisch wirtschaftende Großbetriebe sicher ähnlich positiv einzustufen wie kleine. Der biotische Umweltschutz, insbesondere die Erhaltung oder gar Erhöhung der Artenvielfalt stellt jedoch eine größere Herausforderung dar.
Im Vergleich zu kleinen Betrieben haben Großbetriebe bessere Möglichkeiten, stärker zu diversifizieren und sich Geschäftsfelder zuzulegen, die kleine Betriebe aufgrund ihrer beschränkten Personalausstattung nicht stemmen können. Damit sind Großbetriebe krisensicherer.
Es ist davon auszugehen, dass soziale Sicherheit in Großbetrieben besser zu bewerkstelligen ist, als in kleinen oder Kleinstbetrieben, insbesondere wenn sich die Betriebe kooperativ oder als Agrargenossenschaften organisieren.
Dennoch stellt die kapitalistische Marktwirtschaft mit den ihr eigenen Zwängen auch für die Bio-Landwirtschaft einen engen Rahmen.
Dr. sc. agr. Johanna Scheringer-Wright
VERORDNUNG (EG) Nr. 834/2007 ↩
BLE: Stand 31.12.2016 ↩
DBV, Situationsbericht 2016/2017 ↩
AMI in DBV, Situationsbericht 2016/2017 ↩
siehe unten ↩
http://www.ifab-mannheim.de/Tagung%20Vilm/Vilm2/Meyer_Ackerwildkräuter.pdf, abgerufen 20.2.2018 ↩
siehe https://www.oekologische-plattform.de/2017/01/schleichende-und-akute-vergiftung-durch-pestizide/ ↩