Es rettet uns kein neues Parteiprogramm.

von Prof. Dr. Dr. Götz Brandt und Marcus Otto

In der Partei DIE LINKE gibt es schon immer, aber gegenwärtig verstärkt, Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs. Fragen der Migration und Zuwanderung werden zusehends zu dem Eisberg, auf den das Parteischiff zusteuert. Bei diesen über die Medien ausgetragenen Auseinandersetzungen gehen derzeit leider Themen unter, die neben der sozialen und der Friedensfrage echte Gewinnerthemen wären, da DIE LINKE hier eigene Antworten liefern kann. So erhebt sich an der Basis zurzeit der Ruf nach einer stärkeren Rolle der Ökologie.

Unter uns Menschen wächst weltweit die Erkenntnis, dass der eingetretene Entwicklungspfad des Wachstums der Produktion schon lange ein Irrweg ist. Man braucht nur die Presselandschaft in Deutschland zu durchstreifen, um zu erkennen, dass es an einer Problembeschreibung der mannigfachen Umweltprobleme und an der Ursachenforschung nicht wirklich mangelt. Wir wissen, dass bei anhaltender Verbrennung fossiler Organismen wenige Jahre reichen können, um die ersten Kipppunkte zu überschreiten. Es bleiben uns vielleicht gerade noch 20 Jahre, bis die irreversiblen Schmelzprozesse des Grönlandeisschildes, der Festlandgletscher und des Westantarktischen Eisschildes beginnen und große Landmassen und Küstenstädte untergehen werden. Wir wissen auch ganz gut, wann uns die billigen Rohstoffe ausgehen. Der Weltüberlastungstag wurde bereits überschritten. Obwohl wir vor über 45 Jahren vom Club of Rome aufgeklärt wurden (Meadows, D. u. D.:The Limits to Growth, 1972), hat sich an der Wachstumsorientierung, dem progressiven Naturverbrauch und der „imperialen Lebensweise“ (Brand, U.: Imperiale Lebensweise, 2017) seitdem nichts geändert. Im Gegenteil, jeglicher Verbrauch von Naturgütern, jeglicher Gebrauch von Flächen, die Ausbeutung der Meere, die globale Verschmutzung durch Industrieprodukte, die Verluste bei der Artenvielfalt wachsen von Tag zu Tag schneller.

Für die LINKE stand bisher der Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital im Fokus politischer Forderungen und Aktionen. Permanentes Wachstum der Produktion ist für viele Linke kein politisches Problem, solange die Ausgebeuteten einen gerechten Anteil vom Wohlstandskuchen abbekommen. Eigentlich könnten es jeder Genosse und jede Genossin besser wissen, hat doch Marx bereits darauf hingewiesen, dass das Kapital zwangsläufig Menschen und Natur zerstören wird (MEW, Bd. 23, S. 99 u. 528). Die schädlichen Produktionsverhältnisse, die derzeit das Leben der Menschen in Gegenwart und Zukunft zerstören, müssen verändert werden, um alternative, nachhaltige Lebenskonzepte für alle zu ermöglichen. Dieser globale Umbau der menschlichen Gesellschaft erscheint vor dem Hintergrund der bekannten Bedrohungen, denen unser Globus ausgesetzt ist, nicht nur als eine, sondern eher als die Option. Wie gesagt, die Zeit ist knapp.

Mögliche Akteure für den jetzt notwendigen sozialökologischen Umbau gibt es viele. In seinem Buch „Rotes Grün“ hat Hans Thie herausgearbeitet (Thie, H.: Rotes Grün, 2013), dass es gerade die gesellschaftliche Linke ist, die aus ihrer eigenen Geschichte und Ideologie heraus einen Werkzeugkasten mitbringt, um die notwendigen Änderungen anzupacken. Weder glaubt sie daran, dass die Verhältnisse schicksalhaft sind (menschliche Gesellschaft ist durch den Menschen änderbar) noch orientiert sie auf ein über die Konkurrenz organisiertes Wirtschaftsmodell. Linke Modelle basieren nicht zwingend auf ständigem Wachstum, sondern orientieren sich an Fragen der Gerechtigkeit und der gleichen Verteilung der Produkte, des gleichen Wertes aller Menschen. Die Erzeugung der Produkte folgt nicht der Notwendigkeit zu verkaufen, um in der Konkurrenz zu bestehen, sondern dem Versuch, sich an einem objektiven Bedarf zu orientieren, der in der Lage ist, natürliche Grenzen zu respektieren. Die Partei DIE LINKE versucht traditionell auch, den Fetischcharakter von Waren zu offenbaren, um deren eigentlich hohle Gestalt aufzuzeigen. Hier sind politische Werkzeuge, die Wege aus den aktuellen Bedrohungsszenarien öffnen können.

Die Erkenntnis der außerordentlichen Notwendigkeit des nachhaltigen ökologischen Umbaus der Welt ist bei vielen Linken verbreitet. Sie findet sich auch zentral im Erfurter Programm der Partei DIE LINKE und in Zukunftskonzepten von Fraktion und Fachpolitikern. Das reicht aber bei weitem nicht aus, um den Erfordernissen der menschlichen Zukunft zu genügen, der sich die Linke verschrieben hat. Diese erfordern es, dass die ganze gesellschaftliche Linke ihre Konzepte aktiv einbringt, dass Kampagnen, Zukunftskonferenzen, politischen Vorstöße und Reden klar zu erkennen geben, dass Gerechtigkeit und Umverteilung nur noch möglich sind, wenn auch die planetaren Voraussetzungen für eine erfolgreiche, stabile, fortdauernde menschliche Wirtschaft gesichert sind. Krieg, Flucht, Hunger haben genau wie die Verteilung des Reichtums in dieser Welt mehr mit ökologischen Problemen zu tun, als dies aktiv von den Linken publik gemacht wird. Eine glaubhafte Partei DIE LINKE muss eine veränderte Kommunikationsstrategie nutzen, Alternativen erarbeiten und gesellschaftliche Mehrheiten für die Umsetzung dieser Alternativen zu schaffen. Damit muss jetzt begonnen werden.

In der Partei wächst an der Basis gerade der Unmut über die bisherige Schwerpunktsetzung in Wahlkämpfen, Verlautbarungen und Publikationen. In einem offenen Brief haben sich derzeit rund 500 Parteimitglieder, die Hälfte mit Mandat oder Funktion, an die Parteispitzen gewandt, den notwendigen Prozess hin zu einer Partei des aktiven sozialen und ökologischen Umbaus zu organisieren. Dies ist dort zwar bereits wahr genommen worden, hat aber bisher kaum zu einer geänderten Strategie oder Kommunikation, geschweige denn zu Aktionen geführt, die der Problemlage angemessenen wären.

Zu einer erfolgreichen ökologische Wende bei den LINKEN gehört natürlich auf der anderen Seite, dass die umweltpolitisch Aktiven in und außerhalb der Partei sich selbst und die Partei stärker in die Pflicht nehmen, diesen Weg zu gehen und so zu einer nachhaltigen Partei zu werden, die eine zukunftsfähige, gerechte Gesellschaft gestalten kann. Hier ist die Partei DIE LINKE auf einem guten Weg, denn mit ADELE in Sachsen, dem Arbeitskreis Umwelt in Köln, den roten Bibern, der AK Rote Beete in Berlin, um nur einige zu nennen, haben sich in den letzten Jahren unabhängige umweltpolitische Gruppen in der Partei etabliert und um die Ökologische Plattform bei der LINKEN geschart. Alle an diesem Prozess Interessierten sind aufgerufen, sich lokal ebenso zu organisieren und sich besser zu vernetzen.

Die SPD hat sich vollkommen den nationalen Wirtschaftsinteressen verschrieben. Die Grünen versagen in Friedens- und Kapitalismusfragen und stellen nichts grundsätzlich in Frage. Dies zeigt, dass die LINKE einer starken sozialökologischen Aussage bedarf, um endlich gesellschaftlich das Richtige zu tun. Wir brauchen hierzu weder neue Bündnisangebote an die genannten Parteien, noch Neugründung von Bewegungen, noch ein neues Parteiprogramm. Wir brauchen jedoch ein glaubhaftes gelebtes Angebot an die, die eine gerechte nachhaltige Politik wollen. Wir brauchen eine aktive Praxis in der Partei, die auch attraktiv auf Bürgerbewegungen wirkt. Es gilt, die in unserem Programm festgelegten Ziele und Wege leidenschaftlich anzugehen und die Debatte in den Basisorganisationen zu organisieren.