Weg vom Exportmodell, hin zur sozial-ökologischen Wirtschaftsdemokratie –

wie wir als LINKE die sozial-ökologische Frage stärker besetzen können

von Bernd Riexinger

Die Bundesregierung brüstet sich damit, Vorreiter beim Klimaschutz zu sein. Aber dem Klima ist damit nicht geholfen. Deutschland wird 2020 die Klimaziele verfehlen. Um auch unseren Enkelkindern eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen und zu verhindern, dass in den nächsten Jahrzehnten weltweit hunderte Millionen Menschen durch den menschengemachten Klimawandel ihre Lebensgrundlagen verlieren, ist, gerade in den wohlhabenden Zentren der Weltwirtschaft, ein grundlegender Wandel notwendig.

Ein „grüner Kapitalismus“ ist keine Lösung

Teile der Unternehmen und die Grünen setzen auf einen grünen Kapitalismus. Investitionen in vermeintlich „grüne“ Technologien sollen den Exportstandort Deutschland stärken. Ökologische Fragen werden von der sozialen Frage getrennt und auf Fragen des Konsumverhaltens der Einzelnen verengt. Lösungen sollen weiter Markt- und Profitlogik überlassen werden. Im Kapitalismus bestimmt der Zwang zu immer mehr Wachstum dazu, dass am Ende trotz ökologisch effizienterer Produktion der Gesamtressourcenverbrauch zunimmt.

In den nächsten zwei Jahrzehnten muss es uns gelingen, den Rohstoff- und Energieverbrauch deutlich zu verringern, regionale Wirtschaftskreisläufe statt Export zu fördern und die Produktion auf sozial und ökologisch sinnvolle Produkte umzustellen. Aus Gründen des Klimaschutzes, der globalen Gerechtigkeit und angesichts der Gefahr von Wirtschafts- und Ressourcenkriegen auch aus Gründen der Friedenspolitik. Die Aktionäre interessieren sich nur für den Profit, nicht für die sozial und ökologisch sinnvolle Gestaltung der Produktion, nicht für die Bedürfnisse, Interessen und Gesundheit der Beschäftigten. Ein solcher grundlegender Umbau der Wirtschaft stellt die Machtfrage: wie ist der gesellschaftliche Reichtum verteilt und wer entscheidet darüber, was wann wo und wie produziert wird?

Für ein neues Wohlstandsmodell: sozial-ökologische Wirtschaftsdemokratie

Wir dürfen die drängende Frage des Klimaschutzes nicht den Grünen überlassen. Die große Herausforderung ist es, für die Menschen konkret nachvollziehbar aufzuzeigen, dass bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lebensqualität und Zeit, Klimagerechtigkeit und globale Gerechtigkeit zusammengehören.

Wir sollten offensiv für ein anderes Wirtschafts- und Wohlstandsmodell als eine konkrete, glaubhafte und grundlegende Alternative zum „grünen Kapitalismus“ und zum neoliberalen Exportmodell eintreten: mit mehr Zeit zum Leben durch Arbeitszeitverkürzung auf 28-35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, mit massiven Investitionen in öffentlichen Reichtum, der allen zu Gute kommt: in Form kostenfreier Bildung, guter Gesundheitsversorgung und Pflege, bezahlbarer und ökologisch-gebauter Wohnungen in genossenschaftlichem Eigentum, mit flächendeckendem kostenfreien Öffentlichen Nahverkehr, gerade auch in ländlichen Regionen.

Demokratie in der Wirtschaft ist der linke Schlüssel für den sozial-ökologischen Umbau:

Nur so können das Wissen der Beschäftigten und Erkenntnisse aus der Forschung genutzt werden, um konkrete Konzepte für eine sozial gerechte und ökologisch zukunftsfähige Gestaltung der Digitalisierung und für Konversion umweltschädlicher Branchen zu entwickeln. Um die zukünftigen Schlüsselbereiche eines neuen Wohlstandsmodells ‒ IT, ökologischer Maschinenbau, Bildung und soziale Dienstleistungen, ökologische Mobilität und Landwirtschaft – gesellschaftlich sinnvoll zu gestalten, ist eine demokratische Rahmenplanung notwendig. Um Kreditversorgung für diese Bereiche zu gewährleisten, müssen die Banken und der Finanzsektor demokratischer Kontrolle unterworfen und an den Zielen der Förderung des Gemeinwohls, Vollbeschäftigung, guter Arbeit und ökologischer Zukunftsfähigkeit ausgerichtet werden.

Mit Konzepten wie dem Plan B und vielen guten Forderungen im letzten Bundestagswahlprogramm ist es uns gelungen, unser sozial-ökologisches Profil zu schärfen. Dringlich sind massive Investitionen in erneuerbare Energien, in eine ökologische Mobilitätswende und ein konsequenter Kohleausstieg.

Wir sollten uns nicht scheuen, als Zeitraum dafür die nächsten 10 Jahre einzufordern, denn das ist klimapolitisch notwendig. Insbesondere in Braunkohleregionen stellt sich die Frage nach Alternativen, die gute Arbeit für alle ermöglichen. Gleiches gilt auch in anderen strukturschwachen Regionen. Hier ist die LINKE stärker gefragt: wir sollten in den nächsten Jahren konkrete regionale Konzepte entwickeln und Druck aus der Gesellschaft für ihre Durchsetzung organisieren.

Einstiege schaffen

Alternativen müssen eng am Arbeits- und Lebensalltag der Mehrheit ansetzen. In den nächsten Jahren möchte ich daran arbeiten, dass wir es gemeinsam schaffen, zwei, drei exemplarische Projekte und Forderungen zu entwickeln, mit denen wir die gesellschaftliche Diskussion treiben und gemeinsam mit gesellschaftlichen Bündnispartnern politische Veränderungen durchzusetzen. Denn die Zeit drängt. Daher schlage ich zwei Einstiegsprojekte für unsere gemeinsame Diskussion vor, um die herum wir in den nächsten Jahren in den Kommunen, Bundesländern und bundesweit Aktivitäten und gesellschaftlichen Druck entwickeln können:

  1. Für eine Mobilitätswende – mit Ausbau von flächendeckendem, kostenfreien ÖPNV und für alle bezahlbarer Bahn. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wollen einen kostenfreien ÖPNV. Statt die Autoindustrie mit Milliarden zu subventionieren, können wir bis 2022 bundesweit zu einem kostenfreien ÖPNV kommen. Dazu habe ich im Februar einen Vorschlag in die öffentliche Diskussion gebracht. Ziel ist eine sozial-ökologische Mobilitätswende, die auf intelligenter Vernetzung von Verkehrsmitteln, Stadt- und Raumplanung und der Nutzung von E-Mobilität für den öffentlichen Nahverkehr beruht.
  2. Eine zentrale Herausforderung ist die soziale (!) und ökologische Konversion der Automobilindustrie. Durch globale Überkapazitäten und verschärften Konkurrenzkampf sind in den nächsten Jahren Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet. Gleichzeitig bedeutet der Trend hin zu SUVs, dass wieder mehr Sprit verbraucht wird. Fast ein Fünftel der deutschen Emissionen entsteht im Verkehrssektor. 2016 lagen die Emissionen sogar leicht über dem Niveau von 1990. Die gesundheitlichen Folgen sind Feinstaubbelastung, Krebs und Asthma. 2015 starben EU-weit 11.400 Menschen an den Folgen des Dieselskandals.

Als LINKE sollten wir hier in die Offensive gehen und die Diskussion mit den Beschäftigten und Gewerkschaften suchen. Zu diesem Zweck könnten wir in allen betroffenen Bundesländern die Initiative für Branchenkonferenzen ergreifen. Mit direkt gewählten VertreterInnen der Belegschaften, der Gewerkschaften, Mobilitätsinitiativen und Umweltverbände. In dieser Auseinandersetzung können wir gut vermittelbar die Frage der Demokratie in der Wirtschaft stellen: der Strukturwandel kann nur sozial gerecht und ökologisch gestaltet werden, wenn die Beschäftigten und die Bürgerinnen und Bürger ihn demokratisch mit gestalten können.