Wie unsere imperiale Lebensweise den Globalen Süden beeinflusst und welche systemischen Veränderungen nötig sind
Podiumsgespräch mit
Ferdinand Muggenthaler (Berlin),
Pablo Solón (La Paz, Bolivien) und
Markus Wissen (Berlin)
Zeit
22. November 2018,
19:30 – 21:30 Uhr
Veranstaltungsort
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Salon
Franz-Mehring-Platz 1 (klick zur Karte)
10243 Berlin
Die Länder des globalen Nordens herrschen offiziell seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr über Kolonien. Dennoch bauen unsere Lebens- und Wirtschaftsweise, unser Wohlstand weiter darauf auf, dass wir uns in einem gleichzeitigen Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnis an den materiellen und menschlichen Ressourcen des globalen Südens in rücksichtsloser Weise bedienen, ohne dafür den entsprechenden Preis zu zahlen. Seien es die für unsere Industrie so wichtigen Mineralien wie Cobalt, Nickel oder Lithium, die Kohle für unsere Kraftwerke, Soja für unser Vieh, Südfrüchte, Kakao oder die billige Arbeitskraft, die in der Herstellung unserer Elektronikprodukte oder Kleidung steckt – die Beispiele sind fast unzählig. Dazu kommt, dass der Energieverbrauch des globalen Nordens für lange Zeit weit höher war als der des Südens und den Klimawandel weit vorangetrieben hat. Dessen negative Konsequenzen schlagen sich zuallererst und am Stärksten in den Ländern des Südens nieder. Diese Art zu leben ist dabei für uns so selbstverständlich geworden, dass sie und die darin enthaltenen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse uns als natürlich erscheinen und wir uns ihrer in vielen Fällen gar nicht bewusst sind. Gleichzeitig dient diese Lebensweise als Modell für die aufstrebenden Schichten in den sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern, die sie zunehmend imitieren.
Die Konsequenzen sind fatal: eine immer weiter auseinanderstrebende Schere zwischen arm und reich, die rücksichtslose Zerstörung von Ökosystemen durch industrielle Landwirtschaft und Bergbau, zunehmende Wetter- und Klimaextreme als Folge des Klimawandels sowie immer stärkere Ressourcen- und Verteilungskonflikte, die als Folge wiederum die Flucht vor Krieg, Armut und Verelendung nach sich ziehen – während die Länder des Nordens sich abzuschotten versuchen.
Im Podiumsgespräch wollen die Teilnehmenden den Ursachen und Folgen dieser imperialen Lebensweise nachspüren. Aus der Süd- und Nordperspektive soll darüber nachgedacht werden, welche systemischen Veränderungen notwendig sind, um dieses Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnis zu Gunsten einer gerechteren und nachhaltigeren Beziehung zwischen globalem Süden und Norden aufzulösen.
Das Gespräch findet in Spanisch und Deutsch statt und wird simultan gedolmetscht. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit MISEREOR statt.
Podiumsteilnehmer:
Ferdinand Muggenthaler,
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Leiter Referat Amerika und Vereinte Nationen
Ferdinand Muggenthaler arbeitet für die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Lateinamerika. Im kommenden Jahr übernimmt er die Leitung des Anden-Büros der Stiftung. Debatten um Buen Vivir, Extraktivismus und imperiale Lebensweise spielen in seiner Arbeit eine wichtige Rolle. Bevor er zur RLS kam, arbeitete er als Referent für «die Amerikas» und als Pressesprecher für die deutsche Sektion von Amnesty International. Er ist ausgebildeter Journalist und hat ein Diplom in Physik.
Pablo Solón, Fundación Solón,
Co-Autor und Herausgeber des Buches «Systemischer Wandel»
Pablo Solón ist Sozial- und Umweltaktivist und ehemaliger Botschafter Boliviens bei den Vereinten Nationen. Die zunehmenden Widersprüche zwischen Diskurs und Handeln der bolivianische Regierung in Bezug auf den Schutz der Natur und Umwelt und die die immer weiter voranschreitend Konzentration der Macht in La Paz führten zu seiner Abkehr von Evo Morales. Derzeit arbeitet er als Direktor der Fundación Solón, die sich mit Energie, Waldschutz und Klimawandel sowie mit Fragen der Investitionspolitik und mit systemischen Alternativen befasst. Auf Deutsch erschien in diesem Oktober sein Buch «Systemwandel – Alternativen zum globalen Kapitalismus» im Mandelbaum-Verlag.
Markus Wissen, HWR Berlin,
Co-Autor des Buches «Imperiale Lebensweisen»
Markus Wissen ist promovierter Politikwissenschaftler und arbeitete in verschiedenen sozial-ökologischen Forschungsprojekten mit. Er arbeitet seit 2012 als Professor für Sozialwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) mit dem Schwerpunkt sozial-ökologische Transformationsprozesse. Gleichzeitig engagiert er sich politisch zu Themen wie Weltwirtschaft, Imperialismus, Internationalismus und Ökologie. Im Jahr 2017 veröffentlichte er zusammen mit Ulrich Brand das Buch «Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus» im Oekom Verlag München.
Moderation:
Kristina Dietz, FU Berlin
Kristina Dietz ist promovierte Politikwissenschaflterin und forscht und lehrt am Lateinamerika Insitut der FU Berlin. Zu Ihren Arbeitsschwerpunkten zählen Konflikte um Bergbau in Lateinamerika, Politische Ökologie und Demokratie und der Friedensprozess in Kolumbien. Kristina Dietz ist Mitglied der Arbeitsgruppe «Alternativen zu Entwicklung» der Rosa Luxemburg Stiftung.
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