Verfassungsbeschwerde wegen unzureichender deutscher Klimapolitik

Ein Klagebündnis von Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) und vielen Einzelklägern hat am Freitag Klage wegen der völlig unzureichenden deutschen Klimapolitik vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben.

Unter den Einzelklägern der Verfassungsbeschwerde sind Prominente wie der Schauspieler Hannes Jaenicke, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Josef Göppel (CSU) und Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Um die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Eigentum zu schützen, die schon seit Jahren zunehmend durch Hitzewellen und Naturkatastrophen in Deutschland und weltweit geschädigt werden, müssen Bundesregierung und Bundestag die globale Erwärmung konsequent bekämpfen. Zumindest müssen sie die im Pariser Klima-Abkommen vereinbarte Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau einhalten und in der EU ihr Gewicht dafür in die Waagschale werfen. Das verlangt dem Weltklimarat (IPCC) zufolge Nullemissionen in sämtlichen Sektoren weltweit in drei Dekaden. Gleichzeitig sieht der IPCC, wenn man sich drei Dekaden Zeit lässt, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Zielverfehlung. Deshalb muss es eher noch schneller gehen (s.u. Hintergrund). Die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestags streben zeitnahe Nullemissionen der Klimagase bei Strom, Wärme, Mobilität, Kunststoffen und Landwirtschaft jedoch nicht einmal an. Zwar hat die Politik demokratische Entscheidungsspielräume. Diese erlauben es verfassungsrechtlich jedoch nicht, die physischen Grundlagen menschlicher Existenz aufs Spiel zu setzen – und damit auch die Demokratie zu untergraben. Genau das droht jedoch, wenn die Klimapolitik weiter so unambitioniert bleibt.

Deutschland erreicht nicht einmal seine eigenen Ziele und die EU-Klimaziele für 2020, obwohl diese viel weniger ambitioniert sind als die genannten Ziele. Zumindest an diesen einmal selbst als nötig zugestandenen Zielen müssen sich Bundesregierung und Bundestag zum Schutz der Grundrechte festhalten lassen. Verfassungsrechtlich ist die Bundesregierung außerdem verpflichtet, ihrer Politik die aktuellen Fakten zugrunde zu legen und nicht weiter an der überholten – bereits sehr gefährlichen – 2-Grad-Grenze in der Klimapolitik festzuhalten.

Wolf von Fabeck, langjähriger Geschäftsführer des SFV, erklärt:

„Obwohl der globale Temperaturanstieg noch nicht einmal die in Paris vereinbarten 1,5 Grad erreicht hat, bedroht der Klimawandel schon jetzt das Überleben der Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt. Wir hoffen, dass das BVerfG die Gefahr erkennt und ihr entgegen tritt. Auch wundern wir uns, dass die kalifornische Regierung nicht die deutschen Braunkohlekraftwerke auf Schadenersatz verklagt“

Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Bundesvorsitzender des BUND, erklärt:

„Der BUND hat sich als Teil seines internationalen Netzwerkes Friends of the Earth schon lange und als einer der ersten konsequent positioniert: Die globale Erwärmung darf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau auf keinen Fall überschreiten. Mit unserer Klage erhöhen wir den Druck auf die Bundesregierung und den Bundestag, endlich ein Klimaschutzgesetz vorzulegen, das die Ziele des Pariser Klimaabkommens effektiv umsetzt.“

Der weitere Prozessverlauf liegt im Ermessen des BVerfG. Sollte es zu einer mündlichen Verhandlung kommen, dann voraussichtlich nicht zeitnah. Sollte das BVerfG der Klage stattgeben, wäre über Deutschland hinaus auch europa- und weltweit verdeutlicht: Klimaschutz ist ein massives Menschenrechtsproblem – er steht nicht im politischen Belieben der jeweiligen Mehrheit.

Die Klage wird aus Spenden und Eigenmitteln durch den SFV finanziert. Die Klage wird rechtlich vertreten von der langjährig im Umweltrecht erfolgreichen Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß, Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbH, und Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt aus Leipzig, der die Klage außerdem seit 2010 mit einigen Menschenrechts-Gutachten für den SFV vorbereitet hat.

Hintergrund (basierend auf SFV-Gutachten):
https://www.mdpi.com/2071-1050/10/8/2812/htm

Pressekontakt:

Zum Interview steht zur Verfügung:

Prof. Volker Quaschning, volker.quaschning@htw-berlin.de
Josef Goeppel, http://goeppel.de/
Andreas Sanders, https://andreas-sanders.com/

Weitere Statements der Kläger finden Sie unter

http://www.sfv.de/artikel/statements_von_klaegern_der_verfassungsklage_wegen_unzureichender_deutscher_klim.htm

Ergänzung 28.11.2018

Unter der Überschrift „Klimawandel hinnehmen? Persönliche Betroffenheit der SFV-Mitglieder“ (http://www.sfv.de/artikel/betroffenheit_als_klaeger.htm) liefert der SFV eine Übersicht über die sich verschärfende Problemlage und (noch) vorhandene Lösungswege.

Wolfgang Pomrehn hat in der Jungen Welt bereits am 25.10.18 in „Absehbare Katastrophe“ (https://www.jungewelt.de/artikel/342315.umwelt-absehbare-katastrophe.html) und am 1.11.18 „Im Treibhaus“ (https://www.jungewelt.de/artikel/342751.im-treibhaus.html) den jüngsten IPCC-Bericht ausgewertet und die Frage beantwortet, was passiert, wenn die 1,5 °C-Grenze überschritten wird. Bisher hatten wir global nur 1 °C Erwärmung, an den Polen ist der Anstieg wegen der polaren Verstärkung (https://de.wikipedia.org/wiki/Polare_Verstärkung) zwei- bis dreimal schneller.
Geht der Schadgasausstoß so weiter, dann werden wir global die 1,5 °C – Grenze bereits 2030 erreichen. Wetterextreme und Dürren, unaufhaltsame Erwärmung bis hin zur Heißzeit sind zu erwarten, wenn bis 2020 der Schadgasaustoß nicht abnimmt.