„Altparteien“ und AfD – eine Sippschaft

Trägt sie ihren Namen eigentlich zurecht? Was ist alternativ an ihr? – Sie macht die gleiche Politik wie die „Altparteien“, von denen sie sich absetzen will. Einziger Unterschied: Was jene hinter dem Rücken betreiben und mit anders lautenden Worten verschleiern, posaunt die AfD offen aus. CDU und SPD sprechen von „Klimakrise“ und notwendiger „Dekarbonisierung“, tun aber alles, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen. Die AfD sagt klipp und klar: der ganze Klimawandel ist nichts weiter als ein Schwindel der Windkraftlobby, jedenfalls aber nicht menschengemacht und nicht durch den Menschen beeinflussbar. Die Energiewende ist daher dummes Zeug und sollte sofort beendet werden.

Die angebrachte Verärgerung über die von FDP, SPD und CDU absichtsvoll geschaffene rechtliche Verunstaltung der Energiewende wendet die AfD gegen die Energiewende selbst. Die Vorgehensweisen der alten Parteien auf der einen Seite und der AfD auf der anderen ergänzen sich also – gewissermaßen Aufgabenteilung innerhalb einer Sippschaft. Es muss gar nicht mal sein, dass es hierzu bewusste Absprachen gibt, sondern die Charaktere, die es in diese Sphären der Gesellschaft zieht, haben einfach eine Affinität – wie die Charaktere in anderen Sphären auch.

Auch die von Konzernen und Großer Koalition seit einiger Zeit nachdrücklich gefahrene Strategie, die Kohle statt durch erneuerbare Energien durch Erdgas zu ersetzen, wird von der AfD lauthals propagiert: „Umweltfreundliches Flüssiggas: Schlüsselenergiequelle der Zukunft“ heißt es in ihrem Antrag (vom 10.12.2018) an den Hamburger Senat auf Erstellung einer Studie für die Errichtung eines LNG-Terminals in Brunsbüttel, das auch von russischen LNG-Tankern angelaufen werden kann.

Bei der Flüchtlingsthematik haben wir es mit analoger Kooperation zwischen Altparteien und AfD zu tun.

Im Fall von Afrika liegt besonders klar auf der Hand, dass wir Europäer durch den Kolonialismus die dortigen über Jahrtausende nachhaltigen Strukturen zerstört haben. Die Bildung von pro forma eigenständigen Staaten hat nichts daran geändert, dass der weiße Mann die gesamte Wirtschaft auf seine Interessen ausrichtet, das Potential des Kontinents und seiner Menschen ausbeutet und die Umwelt zerstört. Als Verursacher des Klimawandels sind wir nun auch noch dafür verantwortlich, dass wachsende Gebiete vollends unbewohnbar werden, so dass die Menschen fliehen müssen.

Die logische Schlussfolgerung hieraus wären große Anstrengungen, um die von uns angerichteten Schäden vielleicht zum Teil zu heilen, zumindest aber durch Hilfe zur Selbsthilfe es den Afrikanern zu ermöglichen, sich in ihren Heimatländern eine Perspektive aufzubauen. Grundlegend hierfür wäre sicherlich, ihnen eine Energieversorgung durch Photovoltaik zur Verfügung zu stellen. Derartiges würde aber einen dicken Strich durch die bisherige „Entwicklungspolitik“ machen, die zu großen Teilen nicht auf die Entwicklung der Afrikaner zielt, sondern auf die der Erträge des eingesetzten Kapitals.

Abgesehen von einigen bewundernswürdigen, aber kleinen Initiativen, die sich z.B. die Einführung der Photovoltaik in Afrika zur Aufgabe gemacht haben, schaut Europa ganz sachlich zu, wie Afrikaner ihre letzte Habe für die Fahrt übers Mittelmeer einsetzen, um dabei dann zu zehntausenden zu ertrinken. Die Schuld hieran wird „Schlepperbanden“ zugeschoben – als ob es diese geben würde, wenn die Afrikaner in ihren Ländern eine Bleibeperspektive hätten! Menschen, die diesen Massenmord nicht mit ansehen können und einige Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten, werden vom christlichen Abendland hieran gehindert.

Diejenigen, die es bis Deutschland geschafft haben, werden mit Hassparolen und Brandanschlägen begrüßt. Teile der Politik (und der Bevölkerung) verurteilen das als unmoralisch und fordern „Willkommenskultur“. Doch auch die Wohlmeinenden haben nicht verstanden: Es geht nicht um Moral, sondern um Fakten. In Afrika wird um die minimalsten Lebensvoraussetzungen gekämpft: Wasser, Weideland, Ackerland. Durch weiteres Schrumpfen der noch bewohnbaren Gebiete werden die Flüchtlingsströme weiter wachsen. Seitens der AfD wurde gesagt, dass wir dann unsere Grenzen mit dem Gewehr verteidigen müssen.

Die armen Flüchtlinge erschießen??? – Eine Welle der Empörung ging durchs Land. Doch machte die AfD-Äußerung nichts weiter, als die sich auf Menschenrechte, christliche Werte etc. berufende offizielle Politik auf den Punkt zu bringen. – Oder ist es humaner, Menschen ertrinken zu lassen, statt sie zu erschießen? – Massenweises Töten ist längst salonfähig. Die AfD dient auch an dieser Stelle den Altparteien als Sprachrohr.

Was wir statt Moral brauchen, ist der rasche Umstieg auf die erneuerbaren, brennstofffreien Energien. Mit diesem Wechsel werden Änderungen in der Gesellschaftsstruktur einher gehen. Durch die Erfindung der Dampfmaschine wurde ein neues Zeitalter eingeläutet. Dies kann bei der Umstellung von der fossilen auf die Sonnenenergie nicht anders sein. Doch während die industrielle Revolution zu Vermassung und Gleichschaltung führte, werden die erneuerbaren Energien aufgrund ihres dezentralen Charakters kleinteilige Strukturen fördern. Wenn der grundlegende Wirtschaftszweig – die Energieerzeugung – von wenigen Konzernen in die Hände von Millionen Bürgern übergeht, wird das mit einer breiten gesellschaftlichen Emanzipation und Höherentwicklung der Demokratie einher gehen – aber eben auch Verantwortungsübernahme durch Viele benötigen.

Vor diesem Neuland haben die Altparteien und die AfD gemeinsam Angst. Man hat keine Neugierde auf Neues, sondern fürchtet sich davor. Pioniergeist ist ein Fremdwort, man will im alten Trott weitermachen, so wie es schon immer war.

Es wird aber in keinem Fall bleiben, wie es schon immer war. Entweder gestalten wir die Änderung oder sie fällt über uns her. – Diejenigen, die mit Ersterem schon begonnen haben, sind nicht in der AfD und nicht in den Altparteien, aber z.B. in der „Bürgerenergiegenossenschaft Energiegewinner“ (Köln). Im Interview mit Franz Alt (Transparenz TV vom 4.12.2018) sagt deren Mitglied Ramon Kempf:

„Es müssen viele Akteure mitmachen. Es ist eben eine kleinteilige, dezentrale Geschichte. Es gibt eben nicht den einen oder die eine Gruppe großer Unternehmen, die das jetzt einfach macht für uns, es gibt auch nicht ‚die Politik‘ oder ‚die Partei‘, die das für uns macht, sondern es ist eine Frage des Selbsttuns. Und vielleicht muss der Mensch und der Bürger wieder erkennen, wozu er selbst auch in der Lage ist und wozu er selbst eben mächtig ist.

Christfried Lenz