Raus aus der Kohle – rein ins Erdgas?

Kohleausstieg – aber wie?

Der Kohleausstieg ist beschlossen. Die Frage, in was wir einsteigen, geriet beim Ringen um den Kohleausstieg aus dem Blick. Bis vor einiger Zeit war das selbstredend die Sonnenenergie (mit ihren unmittelbaren Derivaten Wind, Wasserkraft und Bioenergie). Inzwischen wird in Deutschland eine komplette Infrastruktur für in Amerika gefracktes LNG geplant – zusätzlich zum „Russengas“ (siehe auch: https://www.oekologische-plattform.de/2016/06/bbu-kritisiert-niedersaechsischen-wirtschaftsminister-olaf-lies-gibt-startschuss-fuer-grossflaechiges-fracking-in-niedersachsen/).

Man gaukelte vor einigen Jahren der Bevölkerung vor, durch Abtrennung und unterirdische Verpressung des CO2 aus den Rauchgasen (CCS) würden die Kohlekraftwerke „klimafreundlich“ (siehe auch: https://www.oekologische-plattform.de/2014/10/kritische-bemerkungen-zum-brandenburger-koalitionsvertrag-vom-sprecherrat-der-oekologischen-plattform-bei-der-linken/). Heute wird ihr vorgegaukelt, Erdgas sei klimafreundlicher als Kohle. Einfach ein billiger Taschenspielertrick: Man verweist auf die im Vergleich zur Kohle geringere CO2-Emission in der Gasflamme und steckt die im Zuge des Produktions­prozesses auftretenden Emissionen unverbrannten Methans in den Ärmel.

Klimaschädigung durch Erdgas

Robert W. Howarth, Professor an der Cornell University (New York) erforscht seit den 1970er Jahren die Wirkung des Methans in der Atmosphäre. Er macht darauf aufmerksam, dass sich die Klimawirkungsweisen von CO2 und Methan unterscheiden: Auf Veränderung von CO2-Emissionen reagiert das Klimasystem langsam, auf Veränderung von Methan-Emissionen sehr schnell. Dabei hat das Methan in den ersten 10 Jahren die mehr als hundertfache Klimawirksamkeit von CO2, nach 20 Jahren die 86fache und nach 100 Jahren die 34fache.
Deutsche Veröffentlichungen nennen meist eine lediglich 20fache Klimawirksamkeit. Das geht auf einen Bericht des Weltklimarats aus 1995 zurück. Doch auch der IPCC übernahm im Jahr 2013 die eben genannten Werte.

4% der Förderung einer konventionellen und ca. 12% einer gefrackten Erdgasbohrung entweichen nach Howarth in die Atmosphäre. Somit ist der „Klima-Fußabdruck“ des Erdgases größer als der der Kohle.
Ausführliche Informationen hier:
http://www.eeb.cornell.edu/howarth/energy_and_environment.php

falscher Weg

Angesichts des nur noch sehr kleinen Zeitfensters zum Kipppunkt der Klimaerwärmung und ihrem Übergang in die Selbstverstärkung wäre die Ersetzung der Kohle durch Erdgas das reine Gift (siehe auch: https://www.oekologische-plattform.de/2018/12/heisszeit/).

Wir beruhigen uns: „Es ist ja nur für den Übergang, für ein paar Jahre, bis die Erneuerbaren ausgebaut sind“. – Mit dem Geld, das in Gas-Investitionen fließt, können schon mal keine Erneuerbaren ausgebaut werden, soviel ist klar!
In Leipzig wird die Fernheizung, die bislang an einem Kohlekraftwerk hängt, umgestellt. Solarthermie ist auch vorgesehen, aber der Löwenanteil wird Erdgas sein. Da gibt es erhebliche Neuinvestitionen, und die werden auch nicht nach ein paar Jahren wieder ausrangiert.

Bei der ganzen Energiewende ist sehr viel Zögerlichkeit im Spiel. –
Pioniere an die Front, die sich nicht mit dem (hier auch nur scheinbaren) „kleineren Übel“ zufrieden geben, sondern alles wollen, und zwar sofort, und dies nicht von einem Gott, Kaiser oder Tribun erbitten, sondern selber tun!

Christfried Lenz
27.01.2019