EU-Werbung

Es ist richtig und wichtig, zu zeigen, dass sich die EU-Politik bereits jetzt auf alle Bereiche unseres Lebens auswirkt. Die Frage ist nur, ob LINKE damit EU-Werbung betreiben sollten…

NachDenkSeiten - Die kritische WebsiteZitat auf den Nachdenkseiten zur EU-Werbung von Martina Michels

„Anmerkung unseres Lesers T.S.: Dazu fällt einem als Linker nix mehr ein. Die linke Europaabgeordnete Martina Michels produziert aus Steuergeldern einen pro-EU-Werbespot, in dem keine einzige konkrete linke Kritik an der EU (Kürzungspolitik, Aufrüstungswahnsinn, Liberalisierungs-Druck, Ersaufen tausender Flüchtlinge etc.) vorkommt, sondern einzig und allein die tollen Rechte der Verbraucher betont werden. Diese Fokussierung auf individuelle Konsumrechte ist für eine Linke einfach zu wenig und hätte ich eher bei Liberalen erwartet. Die berechtigte Wut von Millionen Menschen auf die EU der Banken und Konzerne und den Aufschwung von rechten Parteien wird man mit solchen Filmchen niemals beikommen. Peinlich.“1

sich selbst überzeugen:

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Kritik an EU-Werbung ohne Ende:

EU-Agrarpolitik2

Die durch die EU-Agrarpolitik verursachten Schäden an Umwelt, Natur bzw. Biodiversität, an Nutztieren, an den Entwicklungsländern und für die ländliche und dörfliche Struktur sind gravierend, obwohl klare Schutzziele und Vereinbarungen vorliegen.3 Diese drei umweltpolitischen Ziele ließen sich noch beliebig um wirtschaftliche Beispiele (stabile Einkommen, Strukturwandel, Hofabgabe) sowie gesamtgesellschaftliche Beispiele (Gesundheit, Tierwohl, Ernährung) erweitern.

EU-Klima- und Energiepolitik

Die Zielsetzungen für die europäische Klima- und Energiepolitik sind absolut unzureichend, um das Zwei-Grad-Ziel, geschweige denn das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu halten.

Die Krux ist aber: Ihren Energiemix bestimmen die Mitgliedstaaten selbst. Auf EU-Ebene werden wichtige Stellschrauben in der Klima- und Energiepolitik betätigt. Aber wie die EU-Ziele erreicht werden sollen, sprich, welcher Energiemix aus Kohle, Gas, Atom und Erneuerbaren zum Tragen kommt, das bestimmen die Mitgliedstaaten aufgrund der Kompetenzzuteilung durch die EU-Verträge selbst. Mit der überarbeiteten Richtlinie für Erneuerbare Energien bekommen die Mitgliedstaaten keine bindenden nationalen Ausbauziele für die Erneuerbaren mehr vorgeschrieben.
Das „Flaggschiff“ der europäischen Klimaschutzpolitik, der Emissionshandel erfasst nur ungefähr 45 Prozent aller Treibhausgase in der EU. Bisher war aber der Preis der Zertifikate viel zu gering, um bei diesen überhaupt eine Steuerungswirkung zu entfalten.
Die Ausschreibungs-basierten Förderinstrumente4 benachteiligen kleine Anlagen für erneuerbare Energien, zum Beispiel Bürgerenergieprojekte. Sie müssen Zeit und Kraft investieren, um überhaupt an einer Ausschreibung für finanzielle Förderung teilnehmen zu können.
Europaweit geht die Mehrheit der Subventionszahlungen (98 Prozent) an fossile und nukleare Energieerzeuger, 66 Prozent allein an Kohlekraftwerke, 25 Prozent an Gaskraftwerke, vier Prozent an Atomkraftwerke. Wasserkraft, Bioenergie und Lastmanagement hingegen erhalten nur ein Prozent dieser Subventionszahlungen in der EU.

menschlich verständlich

Wenn Martina Michels die Bilanz der Europapolitik rosiger sieht, als viele davon Betroffene, ist das verständlich. Sie ist ja immerhin selbst EU-Parlamentarierin und möchte es wieder werden. Da macht sich das Lob der bisherigen Politik gut.
Aber der Volksmund sagt: „Eigenlob stinkt.“

Die Frage muss erlaubt sein, welches Maß an linke Politik und Politiker*innen angelegt wird: Geht es um gleichberechtigte menschliche Bedürfnisse in und außerhalb der EU oder um Abschottung und Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit für EU-Unternehmen? Stehen nichtmilitärische Konfliktbewältigung oder „Übernahme von Verantwortung“5 im Zentrum europäischer Politik, friedliche Beziehungen zu allen europäischen Ländern6 oder Vasallentum gegenüber den USA7?
Schließlich: Sind sie bereit, sich konsequent für die jetzt anstehende Lösung der Zukunftsfragen – Bekämpfung der Erderhitzung, Sicherung der menschlichen Wasserversorgung und Ernährungsgrundlagen8 einzusetzen? Oder ist es wichtiger, wenn die EU z.B. dafür sorgt, dass Urlaubsreisende nicht im Ausland stranden, weil die Fluggesellschaft bankrott geht?

Die Position DER LINKEN

In der Präambel des Leitantrags zum Bonner Parteitag steht (noch):

„Die Europäische Union braucht einen Neustart mit einer vollständigen Revision jener vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind.“9

Von der Richtigkeit dieser Einschätzung kann sich jedeR selbst überzeugen, doch der Parteivorstand hat sie in seiner Sitzung am Wochenende gestrichen10.
Er hat sich damit der EU-Werbung von Martina Michels angeschlossen.

Wolfgang Borchardt
19.2.2019


  1. https://www.nachdenkseiten.de/?p=49438#h18 

  2. siehe auch https://www.oekologische-plattform.de/2019/02/unsere-kandidatin-fuer-das-europaparlament/ 

  3. Martina Michels Werbespot unterscheidet nicht zwischen Beschlüssen und ihrer Umsetzung. 

  4. https://www.oekologische-plattform.de/2019/02/eu-foerderfonds

  5. Wir sind wieder wer! 

  6. einschließlich Russland! 

  7. siehe auch http://www.frieden-und-zukunft.de/?Aktivitaeten/Materialien 

  8. weltweit! 

  9. Antragsheft 1: Allgemeine Informationen, Anträge zu den Regularien des Parteitages und der Vertreterinnen- und Vertreterversammlung, Anträge von grundsätzlicher Bedeutung: Entwurf des Europawahlprogramms u.a; S. 45, Z. 93/94 

  10. siehe https://www.jungewelt.de/artikel/349434.redaktioneller-eingriff.html