Klimafakten?

Bisher ohne Antwort: eine E-Mail v. 29.8.2019

Betreff: Ihre Meinung als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von klimafakten.de

Sehr geehrter Herr Prof. Rahmstorf,

aktuell findet sich auf klimafakten.de1 in der Rubrik „Fakten besser vermitteln“ ein Beitrag mit dem Titel „#FridaysForFuture: Die richtigen Ziele, aber die falschen Worte“.2

Darin heißt es z.B.:

„Diese Kinder und Jugendlichen sind Helden. Aber ihre Botschaft ist nicht ausgegoren, und ihr fehlen notwendige Nuancen.“

oder:

„Wissenschaft kann höchstens ein Ausgangspunkt für normative Entscheidungsprozesse und politisches Handeln sein. Die Sprache der jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten hingegen behandelt die Wissenschaft wie einen unanfechtbaren Schiedsrichter über die tatsächliche Politik.“

dann – was ich als Gegensatz dazu auffasse:

„Gelegentlich argumentieren die streikenden Schülerinnen und Schüler auf moralischer oder ethischer Ebene, zum Beispiel wenn sie auf die Generationengerechtigkeit verweisen. Oder auf die Ungerechtigkeit eines Wirtschaftssystems, das die Reichen immer reicher macht, während immense externe Kosten auf die Schwächsten abgewälzt werden. Und in der Tat sind dies sind wichtige Punkte, die ausbuchstabiert werden könnten (und sollten), schließlich verfügen wir aus jahrzehntelanger Forschung über Ergebnisse zum Thema „Klimagerechtigkeit“. Und auch wissenschaftliche Logik kann dabei helfen, die Validität der Streikforderungen zu untermauern. […]
Auf die Wissenschaft zu hören ist ein erster Schritt, und – ehrlich gesagt – einer, den viele Politiker bereits getan haben…“

und schließlich:

„Mein dringlicher Aufruf lautet, dass sie uns weniger auffordern, auf die Wissenschaft zu hören – sondern uns helfen, die normativen Gründe dafür zu verstehen, wie und warum wir handeln müssen.“

Mich würde interessieren, wie Sie das als ein „betroffener“ Klimawissenschaftler sehen, mit dessen Namen sich klimafakten.de in seinem Wissenschaftlichen Beirat „schmückt“:

  • Sind die „gelegentlichen Argumente“ (s.o.) zu wenige, zu wenig nuanciert und ausbuchstabiert?
  • Reichen die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung zum Thema „Klimagerechtigkeit“ wirklich aus?
  • Teilen Sie die Auffassung des Autors, dass „viele Politiker bereits“ „auf die Wissenschaft […] hören“?

Mein Eindruck ist, dass der Beitrag auf sehr subtile Weise versucht, F4F abzuwerten („ihre Botschaft ist nicht ausgegoren“) und so dazu beizutragen, dass sich die öffentliche Wirkung verliert. Das entspricht voll und ganz der Linie der INSM3.
Teilen Sie diese Auffassung?

Sehr geehrter Herr Prof. Rahmstorf,

ich möchte diese E-Mail zusammen mit ihrer Antwort auf unserer Internetseite veröffentlichen

Mit ökologischen und sozialistischen Grüßen

Wolfgang Borchardt
für die Internet-Redaktion

web@oekologische-plattform.de
  1. „klimafakten.de besteht seit 2011. Es ist ein von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation initiiertes und finanziertes Projekt.“ Selbstdarstellung auf https://www.klimafakten.de/ueber-uns/klimafaktende-gesellschafter;
    Stiftung Mercator siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung_Mercator;
    European Climate Foundation siehe https://de.wikipedia.org/wiki/European_Climate_Foundation  

  2. siehe https://www.klimafakten.de/meldung/fridaysforfuture-die-richtigen-ziele-aber-die-falschen-worte  

  3. siehe https://hans-josef-fell.de/neue-insm-kampagne-will-die-starke-klimaschutzbewegung-der-jugend-aushebeln und https://www.nachdenkseiten.de/?p=54646 

2 Gedanken zu „Klimafakten?“

  1. Danke für den Hinweis auf diesen Artikel und Deine Nachfrage bei Prof. Rahmstorf. Ich sehe das genauso. Der Artikel soll schleichend die Glaubwürdigkeit der FFF Bewegung untergraben.

    An einer Stelle liegt der Autor in meinen Augen vollkommen falsch. Sicher kann die Wissenschaft auch für die Zukunft Wege aufzeigen und sie tut es ja auch. Es werden ganz neutral verschiedene Weg für die Zukunft aufgezeigt und die Gesellschaft muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will. Die FFF Bewegung als Teil der Gesellschaft hat sich aus diesen Wegen den ausgesucht, der ihre Zukunft sichert. Was ist daran verkehrt?

    Auch die Pseudodiskussion des Autors um die historische Verantwortlichkeit geht ganz am Anliegen von FFF vorbei. Es ist nicht mehr die Zeit zu entscheiden, wer warum mehr für den Klimaschutz tun muss. Nur wenn alle Beteiligten ihr möglichstes für den Klimaschutz tun, werden wir das angestrebte Ziel der globalen Temperaturbegrenzung auf 2° oder darunter noch erreichen. Niemand kann mehr sagen, die anderen müssen zuerst ihren Anteil erbringen. Die Zeit dafür haben wir nicht mehr.

    Wer sonst, wenn nicht die Jugend, wer sonst wenn nicht die gut gebildeten Jugendlichen des Nordens ist überhaupt in der Lage, den Klimawandel zu stoppen? Wir Alten haben uns doch schon mehr als 40 Jahre in unseren Glaubensgemeinschaften um die Bewahrung der Schöpfung bemüht, mit welchem Erfolg? Die Kirchen als Organisation sagen doch immer noch zu wenig zu diesem Thema. Hier mal ein bisschen Greenwashing mit den Grünen Gockel, dort mal ein bisschen Greenwashing mit einer Predigt zum Tag der Schöpfung, all das hat die Gläubigen doch bisher nicht wach gerüttelt.

    Unsere Umweltbewegungen wie der NABU und der BUND erreichen zwar viele Menschen und haben deutlich mehr im Umweltschutz aktive Mitglieder als die Kirchen. Doch eine Umkehr im gesellschaftlichen Denken und Bewusstsein konnten sie bisher auch nicht erreichen. Da müssen wir doch froh sein, wenn die Jugend aufgewacht ist und sich deutlich zu Wort meldet. Auch wenn den jungen Menschen der eine oder andere Fehler unterläuft, das Ziel stimmt. Deshalb haben diese Jugendlichen unsere Unterstützung verdient und keine negative sondern konstruktive Kritik, die sie an ihren Fehlern wachsen lässt.

  2. Zugegeben: Auch bei den Beiträgen auf Klimafakten.de gibt es sone und solche.

    Heute erschien ebenfalls auf Klimafakten.de eine Antwort von Simone Regina Adams, Autorin und Psychotherapeutin #FridaysForFuture: „Wir müssen versuchen, emotional und intelligent zu handeln“ (https://www.klimafakten.de/meldung/fridaysforfuture-wir-muessen-versuchen-emotional-und-intelligent-zu-handelnlesen!) auf den o.g. Beitrag. Sie meint u.a.:

    „Wir brauchen Kinder, die Erwachsenen erklären, warum diese ihre Lebenswelt nicht völlig zerstören sollten!? Das wäre doch nun wirklich die Aufgabe der Erwachsenen, die endlich den Kampf ums Klima unterstützen müssen. Ohne die „Fridays for Future“-Bewegung mit weiteren Forderungen überfrachten. Sie haben schon genug mit eigenen Zukunftsängsten zu tun, mit dem Hass der Klimaleugner und den Projektionen derer, die sie idealisieren.[…]
    Genug der Worte. Rechner aus, raus auf die Straße, egal ob mit Fridays for Future, Parents for Future, Scientists for Future, mit Extinction Rebellion, den Umweltverbänden, oder, oder …. am 20. September ist Klima-Streiktag.“

    Das Problem von Klimafakten.de und des kritisierten Beitrages ist nicht etwa eine klimaskeptische Haltung. Der Beitrag entspricht auch vollkommen dem Klimafakten-Selbstverständnis:

    „Damit aus dem Wissen Handeln werden kann, bedarf es des Austauschs und der Debatte. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit sind deshalb neue Wege und Ideen für die gesellschaftliche Debatte über Klimawandel und Klimaschutz.“

    (https://www.klimafakten.de/ueber-uns/ueber-klimafaktende) sowie den redaktionellen Leitlinien (https://www.klimafakten.de/ueber-uns/redaktionelle-leitlinien).

    Aus meiner Sicht hat Klimafakten das konkrete Problem mit dem Anspruch, sich in der Debatte gewissermaßen über die politische und die wissenschaftliche Diskussion zu stellen, eine neutrale Position einzunehmen und z.B. den Beitrag „#FridaysForFuture: Die richtigen Ziele, aber die falschen Worte“ ebenso zu veröffentlichen, wie den von Simone Regina Adams #FridaysForFuture: „Wir müssen versuchen, emotional und intelligent zu handeln“ – ganz nach der Devise:

    „Doch um eine Debatte über die besten Wege zum Klimaschutz konstruktiv führen zu können, müssen zunächst einmal die grundlegenden Fakten stimmen. Hierzu wollen wir einen Beitrag leisten:
    Wir bereiten die häufig sehr komplexen Ergebnisse der Klimaforschung verständlich auf und erläutern, was sie für einzelne Teile von Wirtschaft und Gesellschaft bedeuten. […]“

    Und indem wir die Bedeutung von „Wirtschaft und Gesellschaft“ (natürlich unserer Gesellschaft!) gleichberechtigt mit Überlebensfragen der gesamten Menschheit behandeln, können wir noch sehr lange „über die besten Wege zum Klimaschutz“ debattieren…

    Eine neutrale Haltung in dieser Auseinandersetzung nützt nur dem Status quo.

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