Weder Fracking noch Pipelinegas

Energiewende statt fossile Infrastruktur

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Klimagerechtigkeit der LINKEN drückt hiermit ihr Unverständnis über das öffentliche Engagement verschiedener Protagonist:innen der LINKEN für die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 aus.1 Es ist eine Sache, die dreiste Einmischung der USA in die europäische und deutsche Energiepolitik bzw. antirussische Reflexe und doppelbödige Moral anderer Parteien in dieser Frage zu kritisieren sowie die wirtschaftlichen Interessen der US-Fracking-Industrie offenzulegen. Eine andere Sache ist es jedoch, Nord Stream 2 als energiepolitisch notwendig und klimapolitisch hilfreich darzustellen – denn beides ist nachweislich falsch.

Der Kampf um Nord Stream 2 ist wirtschaftspolitisch ein Kampf um zusätzliche Absatzmärkte für Erdgas. Die USA wollen Flüssiggas (LNG) in den europäischen Markt drücken, das zum Teil klima- und umweltschädlich durch Fracking gewonnen ist. Sie müssen darum die neue und vergleichsweise effiziente russische Pipeline verhindern, welche absehbar konkurrenzfähiger sein wird als LNG. Geostrategisch unterstützt dieses Vorgehen den grundsätzlichen Kampf Washingtons gegen Moskau. An ihm beteiligen sich osteuropäische Staaten, insbesondere die Ukraine und Polen, sowohl aus politischen als auch wirtschaftlichen Gründen. Erstere sind auch historisch bedingt, letztere haben ihre Ursache in einem befürchteten Verlust von Transitgebühren aus dem UGTS (Ukrainisches Gas-Transit-System). Diese Politik wird sekundiert von etlichen anderen EU-Staaten und der EU-Kommission.

Karte der Gasleitung Nordstream
Autor: Urheber Samuel Bailey via Wikimedia

Russland wiederum will seine Pipeline-gebundenen Lieferwege nach Europa diversifizieren, insbesondere um Alternativen zum konfliktbeladenen ukrainischen Durchleitungssystem zu haben und das Risiko von Gasunterbrechungen zu reduzieren. Da es auch das alte System (teilweise) weiter nutzen wird, erhöht sich die Gesamt-Lieferkapazität aller Pipelines nach Europa. Der vorhandene Klimavorteil der modernen unterseeischen Leitung gegenüber dem veralteten UGTS würde bei zusätzlichen Gas-Lieferungen deshalb kaum oder gar nicht zum Tragen kommen.

Zudem wäre es mit Nord Stream 2 möglich, über einen direkten Weg arktische Gasfelder in der Barentssee anzubinden, was zusätzliche und absehbar verheerende Auswirkungen auf Umwelt und Klima zur Folge haben könnte. Das Ringen um den Gas-Absatzmarkt Europa kann also von beiden Seiten zu einer Gasschwemme führen, die der europäischen Energiewende und damit dem Klimaschutz zuwider läuft.

Sowohl LNG-Exporteure als auch Nord-Stream-2-Investoren gehen davon aus, dass die europäische Nachfrage nach Gasimporten steigt. Das würde aber nur dann geschehen, wenn der Rückgang der europäischen Gasnachfrage geringer ausfallen würde, als der geologisch bedingte innereuropäische Förderrückgang vor Norwegen und den Niederlanden. Studien-Szenarien, die die Umsetzung der in Paris vereinbarten und in der EU beschlossenen Klimaschutzziele antizipieren, kommen aber zu einem gegenteiligen Ergebnis. Es besteht danach kein zusätzlicher Importbedarf – die vorhandene Gasinfrastruktur in und nach Europa reicht auch künftig aus.

Aus dieser Sicht spekulieren sowohl die Expansionspläne von Gazprom als auch der USA bzw. der LNG-Branche auf ein Scheitern von Paris. Und genau darum sollten die Aktivitäten beider Seiten von der LINKEN zurückgewiesen werden.


  1. dazu siehe z.B. auf unserer Seite https://www.oekologische-plattform.de/2020/12/wasserstoffwirtschaft/ 

4 Gedanken zu „Weder Fracking noch Pipelinegas“

  1. Danke für Eure ausführliche Argumentation unserer Ökologischen Plattform. Bei der Ablehnungsposition, die ich teile, „Weder-fracking-noch pipelinegas“ sollte aber der Kommentar von Jürgen Kruse hochrangig umgesetzt werden: die Ablehnung des Pipeline-Projekts mit Rußland muß begleitet werden von verstärkten Friedens- und Entspannungsaktivitäten gegenüber Rußland.

  2. Die Leitung ist doch zu 95 % fertig – also welchen Sinn hat es jetzt noch, über deren Notwendigkeit zu streiten? Dieser Streit kommt zu spät! Wer jetzt noch das Ende von Nord Stream 2 fordert, enttarnt sich als Vertreter der Interessen der US-Gaswirtschaft.
    Denn aus ehrlicher, klimapolitischer Besorgnis müsste die Forderung eine andere sein:
    Methan ist klimaschädlich, sehr große Mengen gingen in der Vergangenheit regelmäßig über die alte, marode Leitung über die Ukraine verloren. Diese alte Leitung wird nicht mehr benötigt, jede Leitung hat einmal ihre projektierte Lebensdauer überschritten. Auch kommen wir der Forderung des US-Imperiums im Interesse des Konfliktabbaus entgegen und verringern die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen, in dem wir fordern die verschlissene Gasleitung durch die Ukraine sofort nach Fertigstellung von Nord Stream 2 als nicht energiepolitisch notwendig und klimapolitisch abzustellen – denn diese ist dann nachweislich nicht mehr notwendig. – Doch bevor wir den Abriss fordern – wo bitte kann ich diese Nachweise finden?

  3. Wie soll das funktionieren, Atom-, Braunkohle-, Steinkohle-, Öl- und Gaskraftwerke sofort abschalten?
    Alle auf einmal geht nicht, dann geht das Licht aus…
    Zumindest benötigen wir über ein Jahrzehnt Gas, voraussichtlich länger, für Kraftwerke und zum Heizen in Privathaushalte.
    Und warum die Gasverbraucher, eben auch Privathaushalte, andere Staaten subventionieren, da eine Transfergebühr für die Durchleitung erheben, zahlen müssen ist unverständlich. Daher ist es sinnvoll Nord stream 2 fertig zu stellen.
    Die Zeche der Energiewende darf nicht auf die Mieter umgewälzt werden. Und die politischen Gegebenheiten zeigen für die nächsten Jahre keine großartigen Veränderungen, die aufzeigen könnten, dass es anders käme.

  4. Die ganze Diskussion sollte allerdings nicht zur Abkehr von einer Friedens- und Entspannungspolitik – besonders mit Russland – beitragen.

Kommentare sind geschlossen.