Propagandaschlacht ums Klima

Wie wir die Anstifter klimapolitischer Untätigkeit besiegen

Rezension von Prof. Dr. Dr. Götz Brandt

„Es ist das Ziel dieses Buches, jeden darüber zu informieren, was an dieser Front vor sich geht“,

schreibt der US-amerikanische Autor Michael E. Mann, Professor für Atmosphärenwissenschaft und weltweit bekannter Klimaforscher. In diesem Buch werden Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kampf um Milderung der Klimafolgen untersucht, die in Deutschland bisher viel zu wenig thematisiert wurden. In der Propagandaschlacht stehen sich weltweit gegenüber:

  • Die Unternehmen der fossilen Industrie, die Erdöl-Staaten (OPEC), die Politiker, die die Profit-Wirtschaft vertreten, die bezahlten Hilfstruppen der Journalisten und Pseudowissenschaftler, sowie Medien.
  • Auf der anderen Seite der Barrikade stehen die Klima-Wissenschaftler, die Bürger und Organisationen, die den Klimawandel aufhalten wollen und politische Kräfte, die sich Maßnahmen gegen die Erderhitzung auf die Fahnen geschrieben haben.

Die Kampfmittel sind ungleich verteilt. Die Petro-Konzerne pumpen riesige Geldmittel in diesen Kampf. Es geht um ihre Existenz und ihre Profite.

Michael Mann hat jahrzehntelang an dieser Front gekämpft und berichtet aus eigenem Erleben, zahlreich an Beispielen, akribisch in der Quellenangabe. Die Methoden der profitgierigen Ölkonzerne und OPEC-Staaten sind: Leugnung des Klimawandels (in Deutschland die AFD), Fehlinformation und Irreführung, Verdrehung der Wahrheit, Verneblung wissenschaftlicher Erkenntnisse, persönliche Angriffe auf Wissenschaftler, Diebstahl von E-Mails, Spaltung der Klimaaktivisten. Zuerst waren es Verweigerer, die zunehmend durch Verharmloser, Ablenker, Spalter, Verzögerer und Schwarzmaler ersetzt wurden: Man solle das Schicksal einfach akzeptieren und es sei zu spät, etwas zu unternehmen.
Das Öl kann also weiter fließen.

Eine der Kampagnen war, die Menschen durch ihr persönliches Verhalten und das individuelle Handeln bei der Erzeugung von Klimagasen von der Verantwortung der fossilen Industrie abzulenken. Dafür tarnten sich Industrie-Lobbygruppen als Graswurzelbewegungen. Die fossilen Konzerne wollten so von systemischen Veränderungen ablenken, wie z. B. durch einen CO2-Preis oder die Förderung erneuerbarer Energien. Andererseits wurde den Bürgern suggeriert, dass solche Maßnahmen ihre persönliche Freiheit einschränken würden und sie persönliche Opfer bringen müssten. Sie dürften kein rotes Fleisch mehr essen, dürften nicht mehr das Flugzeug benutzen und müssten weniger Auto fahren. Die individuelle Verantwortung, die es ja gibt, wurde maßlos überbetont. Begriffe wie „Fleischscham“ und „Flugscham“ wurden geschaffen. Der persönliche CO2-Fußabdruck wurde in den Mittelpunkt der Bekämpfung des Klimawandels gestellt. Das ging soweit, dass empfohlen wurde, keine Kinder mehr in die Welt zu setzen.

Eine weitere Methode der Einflussnahme der fossilen Industrie war die „Keilstrategie“. Die vorhandenen Trennungslinien in der Klimabewegung, wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, politische Identität, Lebensstil usw. wurden ausgenutzt, um Uneinigkeit und Zwietracht in die Klima-Bewegung zu tagen. Dazu wurden vor allem die sozialen Medien genutzt: professionelle Trolle1 und anschließend eine Armee automatisierter Twitter-Bots2 sollten das schüren. Ach wurde versucht, Klimawissenschaftler gegen Klimaschützer auszuspielen.
Alle diese Methoden sollten verhindern, dass es zu Gesetzen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft kommt. Dieses Ziel wurde bisher auch weitgehend erreicht.

Selbst das Pentagon hatte erkannt, dass durch den Klimawandel die Strom-, Wasser- und Ernährungssysteme bis Mitte des Jahrhunderts zusammenbrechen könnten. Das Wirtschaftswachstum und die nationale Sicherheit wären durch den Klimawandel bedroht. Gegenwärtig ist der Klimawandel nicht mehr umstritten. Die Untätigkeitsprediger konzentrieren sich deshalb auf die angebliche Einschränkung der persönlichen Freiheit durch Klimaschutzmaßnahmen. Die persönlichen Opfer, die zu bringen wären, werden in den Vordergrund gestellt. Andererseits wird behauptet, dass durch Klimaschutzmaßnahmen das Wirtschaftswachstum beendet würde und der Sturz des Kapitalismus vorgesehen wäre (Naomi Kleins These).

Mann befasste sich auch mit der größten aller Marktsubventionen, die die fossile Brennstoffindustrie erhält, indem sie ihre Abfallprodukte kostenlos in der Atmosphäre entsorgen kann. Deshalb ist eine CO2-Steuer notwendig. Diese wurde aber von rechts (gegen staatliche Einmischung) und links (gegen soziale Ungleichheit) angegriffen. Dabei ist eine Preisgestaltung für CO2-Emission nicht parteipolitisch zu sehen, wenn es eine sozial gestaffelte Dividende für die Bürger gibt.

Mann untersucht die notwendigen Maßnahmen für einen grundlegenden Wandel der globalen Wirtschaft: Beendigung von Pipelinebau, Kohlekraftwerksbau, Fracking, Kohleabbau und Stopp des Ausbaus der Infrastruktur für den Verbrauch fossiler Brennstoffe. Gegenwärtig erhält die fossile Brennstoffindustrie weltweit eine halbe Billion explizite Subventionen. Werden die indirekten Subventionen (Gesundheitswesen, Umweltschäden) mit eingerechnet, dann sind es 5 Billionen Dollar.
Dagegen werden die umweltfreundlichen Energien massiv benachteiligt. Die Vertreter der fossilen Energie behaupten tatsächlich, dass die Förderung der erneuerbaren Energien die Mittel aufzehren würden, die zur Armutsbekämpfung in der dritten Welt notwendig wären. Auch wird behauptet, dass die erneuerbaren Energien Arbeitsplätze weg nehmen würden, was natürlich durch die zusätzlichen Arbeitsplätze durch die erneuerbaren Energien wettgemacht wird.
Die Vertreter der fossilen Energie schlagen Pseudolösungen zur Verhinderung der Erderhitzung vor: Geoengineering (Sulfat-Aerosole), saubere Kohle (CCS), Brückentreibstoffe (Gas, LNG-Gas), Eisendüngung der Ozeane. Aber diese Lösungen sind weder preiswert noch ungefährlich.

Endzeitstimmung, Weltuntergangsszenarien, Warnung vor der Methanbombe in der Arktis, Einrichtung als „Prepper“ zum Überleben, Theorien, dass die Erde unbewohnbar wird sowie Panikmache lähmen den aktiven Einsatz für die Verhinderung der weiteren Erwärmung. Breiten Raum widmet Mann der Wirkung der neuen Jugendbewegung (FFF). Der Generalsekretär der OPEC bezeichnet die Jugendlimabewegung als die „größte Bedrohung“ für die fossile Brennstoffindustrie. In den Rückzugsgefechten der fossilen Industrie werden dennoch alle Instrumente eingesetzt: Desinformation, Täuschung, Spaltung, Ablenkung, Verzögerung, Verzweiflung und Untergangsstimmung.

Dieses Buch hilft allen Klimaaktivisten und Aufwachenden die Machenschaften der fossilen Konzerne und Petrostaaten zu erkennen, zu entlarven und zu bekämpfen. Es gehört in die Handbibliothek jedes Klimaaktivisten. Für Deutschland brauchen wir auch eine solch konkrete und detaillierte Entlarvung der Machenschaften der fossilen Industrie.

Michael E. Mann: Propagandaschlacht ums Klima. Wie wir die Anstifter klimapolitischer Untätigkeit besiegen.
Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), Verlag: Verlag Solare Zukunft, Erlangen, 2021. ISBN-13: 978-3-933634-48-1, 29 €

Im Verlag Solare Zukunft ist ein weiteres Buch von M. Mann erschienen:
Der Tollhauseffekt. Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht, unsere Politik zerstört und uns in den Wahnsinn treibt. 2018. ISBN 978—933634-46-7, 19,99 €.
Das Buch ist jedoch vergriffen, und nur noch als eBook beim Heise-Verlag erhältlich (19,99 €)


  1. Ein Troll ist eine Person, die im Internet (Facebook, Twitter) andere Benutzer belästigt, stört, provoziert und ablenkt. 

  2. Ein Bot (vom engl. robot=Roboter) ist ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch Aufgaben abarbeitet, ohne auf einen menschlichen Benutzer angewiesen zu sein. 

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