1. Was ist die größte Aufgabe der LINKEN im 21. Jahrhundert?
Die Hauptaufgabe bleibt die Überwindung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, in dem die Menschen, Tiere und die Natur dem Streben nach maximalem Profit untergeordnet und ausgebeutet werden.
Wir nehmen täglich Symptome dieses kaputten Systems wahr: Die Verarmung immer größerer Bevölkerungsteile, der Verlust von Kaufkraft, die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen im Zuge der Digitalisierung, Vernichtung der Artenvielfalt, Hungersnöte, Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte. Durch die globale Klimakatastrophe ist die Systemfrage zu einer existenziellen Frage für die Menschheit geworden. Zugespitzt gesagt: Entweder wir schaffen den Kapitalismus ab, oder der Kapitalismus schafft uns ab.
Die neoliberalen Parteien sind Teil des Systems. Sie werden die notwendigen Änderungen niemals herbeiführen, denn sie hängen am Spendentropf der Konzerne. Unserer sozialistischen Partei, der LINKEN, kommt deshalb eine besondere Rolle zu. Wir lassen uns nicht kaufen.
Unser Ziel muss ein möglichst breiter gesellschaftlicher Konsens sein, dass wir uns dieses zerstörerische Wirtschaftssystem nicht länger leisten können. Dieser Konsens ist die Voraussetzung für die Schritte in Richtung einer gemeinwohlorientieren sozialistischen Gesellschaft.
Dafür gilt es mehr Bündnispartner:innen in den sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Vereinen zu gewinnen. Doch nicht nur das: Um unser Ziel zu erreichen müssen wir diejenigen zurückzugewinnen, die sich insgesamt von der Politik abgewendet haben. Ich werde mich als Parteivorsitzende deshalb auch für eine Nichtwähler:innen-Strategie einsetzen.
Wir dürfen unsere Zeit nicht länger mit Selbstbeschäftigung verschwenden. Wir müssen uns endlich aussöhnen, denn die vor uns liegenden Aufgaben sind groß! Als Parteivorsitzende werde ich mich für eine enge Zusammenarbeit zwischen Partei und Fraktion und zwischen der Bundes-, Landes- und Kreisverbandsebene einsetzen. Da geht noch was!
2. Was bedeutet Umweltgerechtigkeit für Dich?
Das Konzept der Umweltgerechtigkeit ist ein gutes Beispiel, wie sich die ökologische und die soziale Frage verbinden lassen. Fakt ist doch: Arme Menschen sind viel häufiger von gesundheitsschädlichen Umweltbelastungen (z.B. Verkehrslärm, Schadstoffe, Schimmel in der Wohnung) betroffen, als Wohlhabende und haben seltener Grünflächen zur Erholung in
ihrer unmittelbaren Umgebung. Das muss sich ändern. Unser Anspruch ist, dass jeder Mensch gesunde Umwelt- und Lebensbedingungen hat und dass die Gesundheit von Menschen nicht länger durch Profitinteressen gefährdet wird (z.B.: Fracking, Umweltgift Glyphosat). Unsere Kommunalpolitiker:innen, die Kreis- und Stadtverbände unterstützen bereits zahlreiche lokale Kämpfe für eine lebenswertere Umwelt. Ich möchte, dass die Bundespartei das stärker wertschätzt, sich enger mit den lokalen Akteur:innen vernetzt, sie unterstützt, bestehende Erfahrungen und Konzepte aufgreift und daraus gute Kampagnen für mehr Umweltgerechtigkeit entwickelt.
3. Was bedeutet Generationengerechtigkeit für Dich?
Im Moment lebt die Menschheit auf Kosten künftiger Generationen. Der sogenannte „Earth Overshoot Day“ zeigt doch jedes Jahr eindrucksvoll, dass die natürlich nachwachsenden Ressourcen der Erde immer schneller aufgebraucht werden – trotz der zahlreichen Bekenntnisse durch die Regierungen zum Umweltschutz. Generationengerechtigkeit bedeutet für mich, dass wir unseren Nachfahren eine lebenswerte Umwelt hinterlassen und dafür endlich alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausschöpfen müssen.
Das Abwälzen der Verantwortung für die Klimakatastrophe auf die sogenannten „Verbraucher:innen“ halte ich für falsch. Es ist natürlich gut, sein individuelles Konsumverhalten zu überdenken, aber um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen brauchen wir die Abkehr vom Prinzip des endlosen Wirtschaftswachstums sowie einen Mix aus Ordnungspolitik, massiven staatlichen Investitionen in die Energie- und Verkehrswende und den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Die Superreichen müssen endlich zur Finanzierung der dringend notwenigen Klimaschutzmaßnahmen herangezogen werden. Ich bin froh darüber, dass die junge Generation ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft einfordert und weltweit dafür auf die Straßen geht. Ich finde, wir brauchen einen regelmäßigen Klima-Dialog mit allen sozial-ökologischen Kräften innerhalb und außerhalb unserer Partei.
4. Nur 2% der Wähler*innen trauen uns Klimaschutz zu, wie möchtest Du unsere Kompetenzwerte steigern?
Das steht im Widerspruch dazu, dass wir das umweltpolitisch beste Wahlprogramm hatten. Momentan verstecken wir unsere guten Ideen zum Klimaschutz oft noch in sehr langen Leitanträgen und Papieren. Das ist okay für die interne Debatte, aber in der Außendarstellung müssen wir mehr zuspitzen. In den Massenmedien haben wir oft nur einen Absatz oder zehn Sekunden Zeit um zu erklären, was DIE LINKE für mehr Klimaschutz tun will. Hier müssen wir eine gemeinsame, adäquate Sprache finden – und eben auch alle darüber reden. Ich möchte außerdem mehr hervorheben, wie die Bürger:innen konkret von unseren Vorschlägen profitieren, zum Beispiel durch einen top ausgebauten und kostenlosen Nahverkehr.
5. Wenn Du ein Gesetz schreiben und implementieren könntest, was wäre das?
Ich habe in den letzten sechs Jahren mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und in Armut leben. Es ist inakzeptabel, dass es Kinderarmut in unserem Land überhaupt gibt. Das erste Gesetz wäre deshalb eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen auch verdient hat. Altersabhängig bis zu 630 Euro Grundbetrag plus Erstattung von Kosten für Wohnung und Sonderbedarfe.
6. Wie sieht eine Gesellschaft, Deiner Meinung nach, aus, die sich am Pariser Abkommen orientiert?
Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, in der das Wirtschaften am Gemeinwohl orientiert ist. Wenn eine Produktion klimaschädlich ist, dann muss die eingegrenzt werden. Wir brauchen keine Überproduktion, die Menschen, Tieren und der Natur schadet. Ich denke da zum Beispiel an die Massentierhaltung. Das gleiche gilt für sinnlose Wirtschaftskreisläufe, die es nur gibt um ein paar Cent Stückkosten zu sparen. Zum Beispiel das Pulen von Nordseekrabben in Marokko oder der Import von unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellten Kleidungsstücken von der anderen Seite des Globus. Es geht nicht, dass einige wenige Konzerne sich die Gewinne aus diesem System einstecken, aber wir alle dann unter den Umweltauswirkungen leiden müssen. Eine Gesellschaft die sich an den Pariser Klimazielen orientiert baut außerdem klimaschädliche Subventionen ab und investiert massiv in die klimaneutrale Produktion und dezentrale Erzeugung von erneuerbarer Energie.
7. Wie möchtest Du junge Menschen für die Partei begeistern?
Wir müssen mehr mit Jugendlichen sprechen. Kürzlich hatte ich eine Jugendgruppe zu einer Abgeordnetenreise nach Berlin eingeladen und habe sie gefragt, was denn nun Politik erwarten. Siehe da: Sie wünschen sich einen gut ausgebauten und kostenlosen Nahverkehr, der sie zur Ausbildung bringt, eine bezahlbare Wohnung und ein angemessenes Ausbildungsgehalt. Alles Themen der LINKEN, sie werden halt nur nicht mit uns verknüpft. Da müssen wir in der Außenwirkung besser werden und die Inhalte dahin bringen wo die jungen Leute sind. Ich bin zum Beispiel auf Instagram und TikTok unterwegs. Da lernt man die politischen Inhalte auch mal unterhaltsam rüberzubringen und nicht nur immer Negativ-Botschaften zu senden. Und dort kommt man vielfach auch in direkten Kontakt, der meist sehr fruchtbar ist.
8. Was denkst Du vom Satz „Nicht grüner als die Grünen“?
Programmatisch sind wir bereits grüner als die Grünen – und das ist gut so. Als LINKE haben wir aber einen anderen Ansatz als die Grünen. Sie versuchen die Verantwortung für die Klimakatastrophe auf die angeblichen „Verbraucher:innen“ abzuwälzen, während sie die wahren Klimakiller, die Konzerne, weitestgehend weitermachen lassen. Wenn 100 Konzerne 70% aller CO2-Emissionen verursachen, dann müssen wir da ansetzen. Mit Ordnungspolitik, mit Investitionen in klimaneutrale Produktion, Energie und Transport. Ich finde es wichtiger zu sagen: „Sozialpolitik und Umweltpolitik gehören zusammen.“ Viele möchten nachhaltiger leben, haben dafür aber nicht das Geld. Ein Beispiel: Im Hartz-IV-Satz sind 5,19 Euro am Tag für Lebensmittel vorgesehen. Davon kann man nicht nachhaltig einkaufen. Genauso geht es Millionen Renter:innen, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und denjenigen die jeden Tag zu Niedriglöhnen schuften müssen. Unsere Klimapolitik muss diese Perspektive immer mitdenken.
9. Wie stärken wir die politische Bildung für allen Ebenen der Partei?
Der politischen Bildung sollten wir in unserer Partei einen höheren Stellenwert einräumen. Auf der Linken-Webseite gibt es Stand heute (17.06.) nur zwei Termine für Bildungsveranstaltungen. Das ist zu wenig!
Wir brauchen regelmäßige Neumitglieder-Seminare, damit diejenigen, die zu uns kommen, schnellstmöglich in die Lage versetzt werden sich aktiv einzubringen. Wir brauchen eine Online-Übersicht über alle Bildungsveranstaltungen, nicht nur auf der Bundes-, sondern auch auf der Landesebene, an denen man als Mitglied teilnehmen kann. Darüber hinaus sollte es regelmäßige Angebote zur Grundlagenbildung zu unseren historischen Wurzeln geben!
10. Bei der Nominierung von Klaus Ernst für den Ausschussvorsitz gab es viel Ärger von Seiten der Basis. Wie können Basismitglieder oder auch die Expertise aus Bundesarbeitsgruppen in Zukunft Gehör finden?
Unsere Basismitglieder und unsere Bundesarbeitsgruppen sind Expert:innen für alle möglichen Lebensbereiche. Das ist unsere Stärke und dieses Potenzial müssen wir nutzen. Ich stelle mir ein regelmäßiges Dialog-Forum zu aktuellen Themen vor, an dem sowohl unsere Basismitglieder, Vertreter:innen unserer Bundesarbeitsgruppen, als auch unsere gewählten Entscheidungsträger:innen teilnehmen. Natürlich werde ich mich für die enge Zusammenarbeit von Partei und Fraktion einsetzen. Das ist eine Grundlage für einen Erfolg der LINKEN.
Gleichermaßen gilt: Öffentliche Negativaufrufe gegenüber Genoss:innen schaden dem Ansehen unserer gesamten Partei. Sowas darf nicht wieder vorkommen!
11. Wie schaffen wir es Inhalte über persönliche Befindlichkeiten und „Promi“ansprüche zu stellen?
Die Menschen müssen wieder wissen wofür wir stehen. Nach außen nicht mit gegensätzlichen Positionen aufzutreten ist dafür die Grundvoraussetzung. Diskussionen müssen wir intern führen, nicht über die Presse oder Twitter. Wir müssen auch wieder dahin zurückkommen solidarisch miteinander zu sein. Wir fordern Toleranz – also sollten wir sie auch intern gegenüber anderen üben. Unser höchstes Gremium ist der Parteitag, an seinen Beschlüssen müssen wir uns ausrichten und sie gemeinsam nach außen vertreten.
12. Was ist aus Deiner Sicht ursächlich dafür, dass uns nur 4,9% gewählt haben, obwohl unser Potenzial bei angeblich 18% liegt?
Unsere Kernkompetenz ist die soziale Gerechtigkeit. Hier besitzen wir Glaubwürdigkeit und Expertise. Diese müssen wir nutzen, um uns in jegliche Diskussion einzumischen und die entsprechenden Fragen als Probleme sozialer Gerechtigkeit zu thematisieren.
Das gilt auch für das wichtige Thema Ökologie und Klimaschutz. Wir müssen die individuelle Betroffenheit klar machen und es aus der Perspektive und im Interesse der arbeitenden Bevölkerung bearbeiten.
Ich möchte auch möglichst viele Nichtwähler:innen wieder für unsere Partei gewinnen. Dafür werde ich mich um eine Strategie bemühen, die diese Gruppe explizit anspricht. Es muss wieder sichtbar werden, welchen Nutzen eine Stimme für DIE LINKE mit sich bringt. Wir stehen für Gerechtigkeit ein und zwar für jede Person, die in dieser Gesellschaft unter die Räder kommt.
Das ist die erste Zielstellung einer/s Kandidatin/en, die ich 100 %-ig unterstütze! Die meisten wollen nur Pflegemaßnahmen am Krankenbett des Kapitalismus!
Solidarische Grüße
Eberhard