Smartmeter und intelligente Stromnetze – Beitrag zu Energiewende, Kostensteigerung oder „gläsernem Bürger“?

Technische Probleme beim verstärktem Aufkommen erneuerbarer Energien

Die Energiewende ist nicht nur von dem Ersatz fossiler und atomarer Energiequellen durch regenerative gekennzeichnet, sondern auch durch Änderung der Struktur der Netze: Statt weniger großer Stromerzeuger nimmt die Zahl kleinerer Erzeuger zu. Darauf sind insbesondere die Niederspannungs-Ortsnetze nicht ausgelegt, an die die meisten (kleineren) Solaranlagen angeschlossen sind.
Das führt dazu, dass die zulässige Netzspannung zu Zeiten starker Einspeisung (viel Sonne und Wind) überschritten wird. Die Verteilungsnetzbetreiber müssen, um die Versorgungssicherheit zu garantieren, kostspielige Netzausbaumaßnahmen realisieren. Solange das noch nicht ausreichend erfolgt ist, sieht § 11 EEG vor, dass die Netzbetreiber  PV-Großanlagen ab 100 kWp (ebenso, wie Windkraftanlagen) unter bestimmten Voraussetzungen per Einspeisemanagement drosseln oder ganz abschalten können. Sinnvoll ist es aber nicht, erst Solar- und Windenergie in Elektroenergie zu wandeln und dann nicht zu nutzen. Bei einem Unterangebot von Sonne und Wind müssen dagegen andere Erzeuger die „Deckungslücke“ füllen.
Abhilfe können Energiespeicher schaffen, aber auch das ist aufwändig. Die meisten Speicher elektrischer Energie entladen sich mit der Zeit selbst, die Speicherdichte ist oft zu gering und einige benötigen seltene Erden in den Elektroden. Um sie in Verteilnetzen einsetzen zu können, sind, da sie typischerweise Gleichstrom speichern, außerdem noch Gleich- und Wechselrichter erforderlich. Viel versprechend für die Langzeitspeicherung ist die  Redox-Flow-Batterie. Redox-Flow-Zellen sind grundsätzlich verwandt mit Brennstoffzellen und auch mit Akkumulatoren. In diesen Batterien wird die Energie in zwei verschiedenen Elektrolyten außerhalb der Zelle gespeichert, die in getrennten Tanks gelagert werden können. Dadurch ist die Selbstentladung ausgeschlossen und die speicherbare Energiemenge kann (im Prinzip) beliebig vergrößert werden. Eine bereits angebotene Containerlösung mit 100 KWh (10 kW x 10 Stunden) ist mit einem Preis ab 80.000 € netto aber auch nicht gerade billig. Die Bundestagsfraktion der LINKEN setzt dagegen auf Demokratisierung der Energiewirtschaft und in diesem Zusammenhang auf dezentrale Speicherung. Damit würden Potentiale der Bürger stärker genutzt und Monopolstrukturen entgegen gewirkt. Sie hat diesen Vorschlag als Bestandteil des Entschließungsentwurfes unter der Überschrift „Mut zum Aufbruch ins solare Zeitalter“ als Drucksache  17/8892 in den Bundestag eingebracht.
Eine Alternative stellen regelbare Ortsnetztransformatoren (RONT – https://de.wikipedia.org/wiki/Regelbarer_Ortsnetztransformator) dar. Es handelt sich dabei grundsätzlich um einen konventionellen Transformator, dessen Ausgangsspannung dynamisch regelbar ist. Wenn der eingebaute Regler Informationen aus dem Verteilnetz verarbeitet, kann die geforderte Spannung auf Ortsnetzebene ohne zusätzliche Speicher gewährleistet werden.

Intelligente Netze und Zähler (Smart Grids und Smart Meter)

Seit einiger Zeit wird in den Medien über intelligente (Strom-) Zähler, sogenannte Smartmeter, berichtet. Sie sollen  Verbrauchern helfen, ihre Energiekosten zu senken. Zu diesem Zweck sollen die Stromzähler die Verbrauchsdaten in kurzen Zeiträumen messen und den Verbrauchern anzeigen. Damit ist es möglich, Stromfresser im Haushalt zu identifizieren und diese auszutauschen oder – zeitvariable Tarife vorausgesetzt – in Billigtarifzeiten zu betreiben. (Auch bei Gaszählern gibt es so eine Entwicklung.)
Und ihre Daten sollen zukünftig dazu dienen, intelligente Stromnetze und die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien zu steuern. Dafür liefern Smart Meter Verbrauchsdaten an die Energieversorger, damit diese den Bedarf ihrer Kunden besser vorhersehen und flexibel darauf reagieren können. Das kann dazu führen, dass geringere Reservekapazitäten vorgehalten werden müssen und diese effektiver ausgenutzt werden.

Mit der Kenntnis der Verbrauchswerte sollen „von der Tageszeit abhängige und gegebenenfalls billigere Energiekosten angeboten werden um damit dem Energieversorger im Gegenzug die Möglichkeit zu geben, die vorhandene Kraftwerkinfrastruktur besser ausnutzen zu können sowie Investitionen für Spitzenlastausbau vermeiden oder zurückstellen zu können:“ (Wikipedia)

So weit – so gut.

Smartmeter sollen es den Energieversorgern aber auch ermöglichen, die Versorgung der Verbraucher aus der Ferne zu unterbrechen – vordergründig, um die Netzstabilität bei verstärkter Einspeisung erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Diese Möglichkeit kann aber auch dazu genutzt werden, säumigen Stromkunden sofort „den Saft abzudrehen“.

Wirtschaftlichkeit von Smartmetern

Damit steht vor Verbrauchern zunächst die Frage, ob sie wirklich einen merklichen Nutzen von Smartmetern haben, oder nur das Versorgungsunternehmen.

In anderen Ländern sind Smartmeter breiter eingeführt als in Deutschland. Was sagen die Erfahrungen dort?

  • In Australien sind die Energiepreise nach Einführung von Smartmetern explodiert (Wikipedia):
    „Insbesondere ärmere, ältere Personen und Familien sind benachteiligt, da sie den Tagesverlauf komplett umstellen müssen um den Strombezug in den Zeiten niedriger Strompreise – z. B. der Wasch- und Geschirrspülmaschine – zu verlegen.[4] Der Strompreis am Tag ist dann z. B. viermal so hoch wie in der Nacht. Die Umstellung des Tagesablaufs und damit des Strombezugs ist bei Jüngeren und Kinderlosen wesentlich leichter und somit ist das System eine neue Form der sozialen Ungerechtigkeit gegenüber Familien und Älteren.“
  • Nach Angaben der Energiewirtschaft in Österreich kann ein durchschnittlicher Haushalt ca. 12 € pro Jahr einsparen.
    CapGemini hat in einer Studie Kosten und Nutzen für Österreich ermittelt:
    „Die 2,533 Milliarden Mehrkosten für die österreichischen Stromnetzbetreiber bis 2028 würden bei einer Finanzierung der Unterdeckung nach der Annuitätenmethode eine jährliche Annuität von 268 Mio. EUR oder 43 EUR pro Zählpunkt p.a. bedeuten. „
  • Das Immobilienportal news.immobilo.de berichtete am 7. März 2011 unter der Überschrift Smart Meter: mangels attraktiver Stromtarife nur wenig Sparpotential, dass sich lautVergleichsportal Verivox zeitlich gestaffelte Stromtarife für den Verbraucher derzeit kaum lohnen.
    Wird das „Standardlastprofil“ eines privaten Musterhaushaltes mit einem Verbrauch von jährlich 4.000 kWh zugrundegelegt, lassen sich mit einem zeitvariablen Stromtarif durchschnittlich gerade einmal 18 Euro pro Jahr sparen. Dabei nicht eingerechnet sind die Kosten für den Einbau des „intelligenten“ Stromzählers, der mit Kosten von 80 bis 150 Euro zu Buche schlägt.“ Bei maximal möglicher Anpassung können Verbraucher ca. 10% der Stromkosten einsparen: ca. 44€ im Jahr.
    Verivox kommt zu dem Ergebnis: „Der Aufwand werde derzeit noch nicht ausreichend mit günstigen Preisen belohnt.“
  • Am 8.10 12 berichtet Verivox über eine Gesprächsrunde von EnCT GmbH (Forschungsgruppe für Energie- und Kommunikationstechnologien) mit führenden Interessenvertretern der Energiewirtschaft zum Thema intelligente Stromzähler.
    Das Fazit: „Die Suche nach interessanten Verwendungsmöglichkeiten von Smart Metern geht weiter.

Da ist es doch logisch, dass nach EnWG § 21, in Neubauten ab 2010 und ab 2013 generell Messsysteme (=“im Sinne dieses Gesetzes ist eine in ein Kommunikationsnetz eingebundene Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, das den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt.„) einzubauen sind – oder nicht? (Die unterstrichenen Formulierungen beschreiben eben die Smartmeter.)

Mein Deja Vu: In der DDR gab es einen Witz über die staatliche Plankommission, der ging so:
Häschen rennt schreiend durch den Wald und ruft: „Versteckt Euch, die staatliche Plankommission kommt und hackt allen Tieren das fünfte Bein ab.“ Die anderen Tiere sagen: „Kein Problem, wir haben nur vier.“
Häschen: „Ja, aber die hacken erst ab und zählen dann.“

In Deutschland wurde im Juli dieses Jahres ein seit August 2011 laufender Test abgeschlossen, an dem ca. 200 Haushalte aus Südhessen teilgenommen haben. Diese wurden an ein so genanntes intelligentes Netz (Smart Grid) angeschlossen. In einer Informationsveranstaltung am 12.9.12 berichtete der Projektleiter Bernhard Fenn von der HSE (Südhessische Energie AG): „Dank dieser Technik wussten die Teilnehmer immer, wann sie wie viel Strom verbrauchen.“ Zudem erfuhr jede Familie auf der Grundlage von Wetterprognosen bereits am Vorabend, ob und zu welchem Zeitpunkt am nächsten Tag besonders viel regenerativer Strom erzeugt würde. Die ständige Selbstkontrolle und Sensibilisierung für das Thema hat bei einigen Verbrauchern zum Stromsparen geführt, aber: „Einige Kunden stellten jedoch auch fest, dass sie sich nicht immer an die Ampelphasen halten können, wenn sie nicht auf ihre täglichen Gewohnheiten verzichten möchten.“ Die Umstellung des normalen Tagesablaufes, z.B. durch Einschalten der Waschmaschine zu der Tageszeit, in der laut Wetterprognose viel regenerativer Strom zur Verfügung steht, war nicht immer möglich. Programmierbare Haushaltsgeräte können das Problem lösen helfen; zukünftig sollen Haushaltsgeräte so weit entwickelt werden, dass sie die Stromdaten automatisch auswerten. Fenn: „Jeder Kunde soll dann Energie verbrauchen, wenn sie regenerativ erzeugt wird, denn Strom wird künftig günstiger sein, wenn er üppig zur Verfügung steht. … Durch ein intelligentes Stromnetz können die Kunden aktiv mitwirken und sind in der Lage, Tarife und Verbräuche besser zu steuern.

Einen anderen, groß angelegten Test mit 10.000 Wohnungen hat Vattenfall seit Sommer 2010 in Berlin durchgeführt. Vattenfall erklärt dazu: „Neben den Zählern mit Basistechnik können sich die Anwohner im Rahmen einer Aktion für spezielle Zusatztechniken bewerben, die das Ablesen von Verbrauchsdaten noch komfortabler machen. Unabhängig vom Stromlieferanten haben die Anwohner damit die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch besser zu kontrollieren und zu steuern.
Auch bei dem Vattenfall-Test wurden jedoch bisher keine Zahlen (Kosten der Installation, Einsparungen etc.) bekannt gegeben.

Die realen Einsparungen sind bisher nur (?) Theorie. In der Praxis werden aber merkliche Effekte nur dann auftreten, wenn die erwähnten „intelligenten“ Haushaltsgeräte angeschafft werden.
Auf Grund der Erfahrungen mit den bisherigen Bundesregierungen ist zu befürchten, dass diejenigen, die sich diese Geräte nicht leisten können, von dieser Technik keine Vor- sondern nur finanzielle Nachteile haben, dass damit die Umverteilung „von unten nach oben“ weiter geht.

Datenschutz

Smartmeter sind seit längerem aber auch aus Datenschutzgründen in der Kritik. Das fasst Wikipedia folgendermassen zusammen:

Das Profil des Stromverbrauchs gestattet je nach Schaltvorgängen, Stromstärken oder Frequenzmustern eine Analyse des Verbrauchers. So ist erkennbar wann Personen im Hause anwesend sind (Einbruchgefahr, behördliche Ermittlungen), wie viele Personen zum Haushalt gehören (Steuern, Miete), welcher Film auf dem TV angeschaut wird (Überwachung von Urheberrechte), welche zeitlichen Gewohnheiten der Verbraucher hat (Werbung) usw. Da Daten digitalisiert selbst noch nach Jahrzehnten zur Verfügung stehen, können rückwirkend unerwartete Problematiken für den Verbraucher entstehen. (Abruf 23.10.12)

Um diese Problematik näher zu untersuchen, hat das Labor für IT-Sicherheit der FH Münster im Rahmen des Projektes DaPriM (=Data Privacy Management) eine Untersuchung darüber durchgeführt, inwieweit Smartmeter den Nutzer zum „gläsernen Bürger“ macht. Nach einer Vorab-Version der Untersuchungsergebnisse im September 2011 berichtete nano auf 3sat am 12.1.2012.

Im Vorabbericht heißt es auf Seite 2:

… können Daten, die ca. viertelstündlich erhoben werden, in einer Weise ausgewertet werden, dass feststellbar ist, wann sich Personen zuhause aufhalten, wann sie dort schlafen und wann sie Mahlzeiten zubereiten. Erhöht man die Granularität in den Minuten- oder Sekundenbereich, sind auch Aussagen möglich, ob das Frühstück warm oder kalt zubereitet wurde, wann Wäsche gewaschen oder der Fernseher eingeschaltet wurde – oder ob die Kinder alleine zu Hause waren.“

Der abschließende Bericht wurde auf der Fachtagung „Sicherheit 2012 – Sicherheit, Schutz und Zuverlässigkeit“ in Darmstadt 7. – 9. März 2012 vorgestellt und ist auch im Internet verfügbar unter http://1lab.de/pub/GrJuLo_Smartmeter.pdf.

Die Forscher erklären: „Wir können experimentell nachweisen, dass neben der Erkennung von im Haushalt befindlichen Geräten eine Erkennung des Fernsehprogramms und eine Identifikation des abgespielten Videoinhalts möglich ist.“

Der weiterhin festgestellte Mangel, dass – abweichend vom Vertrag – die Übermittlung der Daten ins Internet unverschlüsselt (und unsigniert) erfolgte, wird möglicherweise bei zukünftigem breiten Einsatz der Geräte behoben. Ohne entsprechende IT-Qualifikation kann der „normale Nutzer“ das jedoch nicht überprüfen.

Schlussfolgerung zum Datenschutz: Insbesondere bei sekundengenauer Ablesung ist der Datenschutz der Nutzer von Smartmetern nicht gewährleistet.

 

 

Wolfgang Borchardt
24.10.2012