Europawahl DER LINKEN – wer schreibt, der bleibt?

Auf dem Hamburger Parteitag hat DIE LINKE ihr Europawahlprogramm beschlossen. Kürzlich wurde die Kurzfassung veröffentlicht.
In dieser findet sich – im Gegensatz zum beschlossenen Programm – KEIN EINZIGER ökologischer Gedanke!

Ist das Nachlässigkeit, die Ansicht, sich über Beschlüsse hinwegsetzen zu dürfen, Absicht oder was sonst?

Durch die Aktivitäten der ökologisch Interessierten in DER LINKEN wurde aus dem ursprünglichen Entwurf einer, in dem das „klassische“ Feld DER LINKEN, die Sozialpolitik, organisch mit ökologischen Zielen und Erfordernissen verbunden wurde. Doch ein Wahlprogramm hat natürlich eine gewisse Länge und wird daher nur von wenigen gelesen. Für den Wahlkampf ist eine Kurzfassung durchaus sinnvoll. Wenn bei der Kürzung allerdings wesentliche Passagen, Grundzüge ganzer Kapitel (z.B. 1.3 „Wirtschaft sozial und ökologisch umgestalten“; 2.13 „Wissenschaft und Innovation für den sozial-ökologischen Umbau Europas“) „verloren gehen“, dann zeugt das im günstigsten Fall von Nachlässigkeit oder der Unfähigkeit der Schreiber, wenigstens die Überschriften zu lesen und zu verarbeiten. Andernfalls bliebe nur die Unterstellung, dass hier eigene Interessen durchgesetzt werden sollten…

Wolfgang Borchardt
14.4.2014

Kommentare und Reaktionen

Jürgen schrieb zum Brief der Vorsitzenden und des Bundesgeschäftsführers an die Mitglieder zur Europawahl: „Ökologische Fragen werden gezielt ausgeblendet??“

Liebe Genossinnen und Genossen,

warum vermeidet Ihr im Europa-Kurzwahlprogramm und in diesem Anschreiben zum aktiven Europa-Wahlkampf die Aussage, dass Die Linke für einen ökologischen und sozialen Wandel steht?? Seid Ihr nicht davon überzeugt?
So ist der Kampf gegen das geheim verhandelte Freihandelsabkommen (TTIP) ohne klare Aussagen zu ökologisch-sozialen Positionen gar nicht möglich!

Freundliche Grüße

Am 15.04.2014 17:02, schrieb DIE LINKE – Katja Kipping:

Lieber Jürgen Kruse,

vielen Dank für deine Mail an die Vorsitzende unserer Partei, Katja Kipping. Katja hat mich gebeten, dir mit den besten Grüßen zu antworten.

Leider kann ich deine Kritik nicht ganz verstehen. Im Kapitel 1.3. des Wahlprogramms setzen wir uns doch eindeutig für ein Investitionsprogramm ein, dass den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft und des Klimaschutzes voranbringen soll (siehe Seite 26). Und zum Freihandelsabkommen TTIP formulieren wir klar.

DIE LINKE lehnt das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) ab. Das TTIP wird, sollte es in Kraft treten, den großen Banken und Konzernen und nicht der europäischen Binnenwirtschaft nützen. Konzernen soll ein Klagerecht gegen Staaten bzw. soziale und ökologische Standards eingeräumt werden (Investitionsschiedsgerichtsbarkeit). Es droht, dass der Finanzsektor weiter dereguliert wird, öffentliche Dienstleistungen privatisiert sowie Monopolisten im Bereich des geistigen Eigentums gestärkt werden. Das TTIP wird, wenn wir es nicht gemeinsam mit anderen verhindern, den europäischen Markt mit Biokraftstoffen, Gentechnik-Lebensmitteln sowie Klon- und Hormonfleisch überschwemmen. Selbst die unzureichende EU-Chemikalienverordnung REACH sowie die ohnehin laxe Euro-Norm für Abgas-Emissionen stehen in Frage. Schutz und Vielfalt von Kulturgütern gemäß der UNESCO-Konvention würden gefährdet. DIE LINKE organisiert und unterstützt deshalb Initiativen – innerhalb und außerhalb der Parlamente –, die darauf gerichtet sind, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA zu stoppen.
https://web.archive.org/web/20140928160937/http://www.die-linke.de:80/wahlen/europawahlen-2014/europawahlprogramm/langfassung/

Mit freundlichen Grüßen
Judith Kainer

Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE
Büro der Vorsitzenden

Jürgen Kruse am 16 Apr 2014

Liebe Freundinnen und Freunde,

leider beantwortet das meine Fragen nicht (s.u.)! Schaut Euch nur das thematisch verengte Kurzwahlprogramm und den erwähnten Brief an.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch viele außenwirksame Veröffentlichungen vor allem der Bundesebene und der Bundestagsfraktion: das nicht mehr zufällige Weglassen der ökologischen Fragestellungen und des sozial-ökologischen Wandels, der übrigens sehr viel mehr sein muss als „Klimaschutz“!!

Zu TTIP brauchen wir dringend überall Veranstaltungen – auch im Europa-Wahlkampf!!!

Mit solidarischen Grüßen

Roland:

Das wundert mich nach einem Vierteljahrhundert Erfahrung mit dieser Partei (diesen Parteien) keineswegs.

Ich hätte allerdings nicht geglaubt, dass diese Melange von SED-Sozialisierung aus dem Osten und Industrie-Gewerkschafts-Vasallentum derart persistent ist. Nicht einmal Energiepolitik wird erwähnt.

Da kann man eigentlich nur noch ÖDP wählen. Die versuchen zumindest ihre hehren Ziele im Alltag zu leben und bieten auf Parteiveranstaltungen nur vegetarisches Essen an, beziehen ihren Strom von sauberen Anbietern usw.

Ich bin darauf gekommen, weil die ÖDP einen Passus zu Esperanto ins Europawahlprogramm aufgenommen hat. Da habe ich mir die Partei mal näher angeschaut.

Soweit ich sehe, spielt Umweltpolitik auch in der Strategie keine Rolle https://web.archive.org/web/20140928161638/http://www.die-linke.de:80/wahlen/europawahlen-2014/wahlstrategie/

Aber hier ist doch was:

Für ein Europa, in dem die Menschen und die Bevölkerungen nicht gegeneinander gestellt und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstört werden – für ein Europa der solidarischen Nachbarn.

Statt Europa kaputt zu sparen, brauchen wir Investitionen, die das Öffentliche stärken, Massenerwerbslosigkeit bekämpfen, die Infrastruktur verbessern und die Energiewende, den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft, voranbringen.

DIE LINKE engagiert sich für europäische Mindestnormen, die eine gleichberechtigte Grundversorgung mit Wohnraum, Wärme, Wasser, Zugang zum Internet und Energie sicherstellen. Europaweit soll es ein kostenfreies Grundkontingent für jeden Haushalt an Wärme, Wasser und Energie geben.

Viele Grüße

Rolf:

Liebe GenossInnen,

kann man es unter diesen Umständen noch verantworten, bei der Europawahl DIE LINKE zu wählen ? Da vergeht einem jegliche Lust auf Wahlkampf.

mit solidarischen Grüßen

Hans-Otto:

Das Anthropozän neigt sich dem Ende zu, soll mann/frau da noch wählen gehn,
na ja, ich weiß nicht!

Herzlich

Sabrina:

Ich bin seit einem Jahr Mitglied der Linken und verfolge den Newsletter der Ökologischen Plattform mit großem Interesse. Da mir insbesondere das Thema Ökologie am Herzen liegt und in meinen sporadischen Aktivitäten im Kreisverband Freiburg viel zu kurz kommt, würde ich sehr gerne Mitglied bei der Ökologischen Plattform werden und hätte auch Zeit und Lust zur inhaltlichen Mitarbeit.

Mit besten Grüßen

Egon:

Also wenn das ökologische Gedankengut keine oder eine vernachlässigbare Nebenrolle spielt, dann muss ich mir meine schon gefasste Wahlentscheidung gründlich überlegen. Womöglich auch keine Ablehnung des TTIP?

Wolfgang Borchardt:

  • Das TTIP wird ohne Wenn und Aber abgelehnt – auch in der Kurzfassung des Europawahlahlprogrammes.
  • Roland, die Wahlstrategie ist gegenüber dem Wahlprogramm veraltet; da sind die Beiträge der ökologisch Interessierten in DER LINKEN noch nicht enthalten. Auch die Positionen widerspiegeln den ursprünglichen Stand. So etwas ist in einer offenen Diskussion völlig normal. Ob es gerechtfertigt ist, überholte Positionen weiterhin auf der Internetseite ohne Datumsangabe zu veröffentlichen – darüber ließe sich diskutieren.
    Nicht normal ist aber, wenn NACH der Diskussion ein vorliegender Beschluss des Parteitages ignoriert wird!

 Harald:

Irgendwer muss ja auch das „Kurzwahlprogramm“ beschlossen haben. Das hat ja nicht der Pförtner im Karl-Liebknecht-Haus gemacht!
Hier müssen Ross und Reiter genannt werden. Ich will so ein „Kurzwahlprogramm“ nicht vertreten und werde auf der Basis dieses den Konsens der Partei verletzenden „Programms“ meiner Partei meine Stimme nicht geben. Ich kann mir nicht sicher sein, dass die gewählten Vertreter der Partei auch die beschlossenen Ziele der Partei vertreten werden.
Der Rückzug dieses „Kurzprogramms“ muss gefordert werden. Ein „Shitstorm“ ist angebracht.

Friedhelm

Lieber Wolfgang Borchardt,

weder Nachlässigkeit noch Unfähigkeit, sondern politisches Selbstverständnis. Leider! Die Ökologische Plattform dient inzwischen nur noch als Feigenblatt einer Partei, der Richtungskämpfe, Koalitionsstrategien und Wählerquoten wichtiger sind als der antikapitalistische Überlebenskampf der menschlichen Spezies.

Zugegeben – der bringt keine Wählerstimmen, jedenfalls zurzeit noch nicht. Jutta Ditfurth hatte recht mit ihrer Prophezeiung: Die Linke richtet sich noch schneller im System ein als die Grünen. Man sollte diesbezüglich auch mal wieder Agnoli lesen!

Wenn die Vielfachkatastrophe für die Massen in spätestens 20 Jahren spürbar werden wird, dann bedarf es einer Organisation, die ein vertrauenswürdiges Manifest vorweisen kann. Und die sehe ich derzeit nicht. Was also tun? Gerade deshalb wird die Ökologische Plattform immer unentbehrlicher, aber anscheinend nicht für die Partei. Und das ist vielleicht auch gut so!

Empfehle zum Schluss noch dringend, den „neuen“ J.B. Foster: Die Ökologische Revolution zu lesen.

Schönes verlängertes Wochenende und solidarische Grüße