grüner Sozialismus

Im Mai 2012 wurde die Linkspartei bekanntlich mit 2,3 Prozent der Stimmen aus dem Kieler Landtag hinausgewählt – nach diesem massiven Vertrauensverlust käme es einem Wunder gleich, würde sie sich im Mai 2017 wie Phönix aus der Asche erheben. Das Parteiprogramm DER LINKEN fordert, den sozialökologischen Gesellschafts­umbau als Querschnittsthema in allen Politikfeldern anzugehen. Weil in Schleswig-Holstein die sozialökologischen Herausforderungen besonders wichtig werden (man denke nur an den klimawandelbedingten Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter) und die GRÜNEN u. a. durch ihre widersprüchliche Haltung zum Fracking an Ausstrahlung verlieren, wollen wir uns mit Hilfe unserer Broschüre „grüner Sozialismus“ (hier klicken zum Downlaod der pdf-Datei) in die Debatte über die Leitlinien für die nächste Landtagswahl einmischen.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass das gesellschaftliche Durchschnittsbewusstsein der realen Entwicklung um mehrere Jahrzehnte hinterherhinkt. Marx, Engels und selbst Lenin konnten sich noch nicht annähernd vorstellen, welche Wirkungsmacht die Produktivkräfte, stimuliert durch Roosevelts „New Deal“, im Kapitalismus entfalten würden. Erst seit 1972 weiß die Menschheit aus wissenschaftlichen Untersuchungen um die Begrenztheit der Ressourcen auf dem Planeten Erde. Seit 25 Jahren sind einem bislang noch viel zu kleinen Teil der Menschheit die Gefahren des Klimawandels und der Abfall-“Entsorgung“ und der damit verbundenen Entwicklung der Erde zur globalen Müllkippe bewusst. Zwar sehen alle die Auswirkungen in den Nachrichtensendungen, doch in ihr Bewusstsein drang es bisher noch nicht vor. Außer Elmar Altvater und Saral Sarkar haben sich in Deutschland noch keine bekannten MarxistInnen mit Nicholas Georgescu-Roegens Analyse der Auswirkungen des Entropie-Gesetzes auf beliebige Wirtschaftsprozesse befasst (vgl. S. 36 ff.: „Das Geheimnis der Sanduhr…“).

Es gehört zum Allgemeinwissen, dass die fossilen Energien begrenzt sind, Erdöl und Erdgas ihr Fördermaximum erreicht haben und tendenziell zur Neige gehen, aber kaum jemand weiß, dass Kohle und Kohlenwasserstoffe wegen ihrer hohen Energiedichte nicht hinreichend durch erneuerbare Energien ersetzbar sind. Dieses Wissen entstammt der Physik: Das zweite Grundgesetz der Thermodynamik besagt, dass nicht verfügbare Energie, z.B. verbranntes Erdgas, genauso wenig in verfügbare Energie übergehen kann, wie der Sand in einer Sanduhr jemals von unten nach oben fallen oder die Zeit sich auf der Zeitachse rückwärts bewegen wird. Der dem Altgriechischen entstammende Begriff „Entropie“ bedeutet „Umkehrung“. Verbranntes, nicht mehr verfügbares Erdgas entspricht einer hohen Entropie, verfügbares Erdgas (vor seiner Verbrennung) ist durch niedrige Entropie gekennzeichnet: Hohe Entropie kann niemals in niedrige Entropie übergehen. Fossile Energieträger haben einen höheren Grad an Verfügbarkeit, als es Sonnenenergie und Windkraft je haben können. Das gilt auch beim Einsatz moderner Verfahren wie z.B. der Produktion synthetischen Gases durch Windkraft oder Photovoltaik (Power in Gas). Die Konsequenzen sind dramatisch: Jede verbrannte Einheit an Erdöl, Erdgas oder Kohle kann nicht hinreichend durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Damit steht das gesamte Industriesystem zur Disposition: Im 19. Jahrhundert dominierte die Dampfkraft, danach setzte die erdölbasierte Motorisierung ein. Wie sollen Schiffe, größere Lastkraftwagen oder gar Passagierflugzeuge durch Elektroantriebe bewegt werden können? Wie viele Windparks sind notwendig, um eine vergleichsweise geringe Menge an synthetischem Erdgas zu erzeugen! Gegen Naturgesetze ist leider kein Kraut gewachsen. Daran können „alle unsere Anstrengungen, die Ressourcenproduktivität durch technologische Effizienzsteigerung oder ein bisschen rationalerem Konsum zu erhöhen, nichts ändern.“ Innerhalb des Kapitalismus „können (sie) den Prozess nur verlangsamen“ (Saral Sarkar).

NaturwissenschaftlerInnen, die immer eindringlicher warnend ihre Stimme erheben, bleiben bestürzend schwammig‚ wenn sie ihre Lösungsvorschläge präsentieren. „Man soll“ bzw. „sollte“, „man muss“ bzw. „müsste“ – wie dies alles umgesetzt werden soll, erfahren wir leider nicht. Ganzheitlich-dialektisches Denken ist aus der Mode gekommen. Kapitalismuskritik kommt meist abstrakt und daher wohlfeil daher, vor realistischen Alternativvorstellungen zum kapitalistischen System drücken sich Wissenschaft und Politik unter Hinweis auf das Scheitern des ersten „Sozialismus“-Versuchs 1949-91. „Wir drücken uns nicht – siehe S. 28ff: „Die kommunistische Antwort auf die soziale Frage“.

Angeregt von Herman Dalys Bioökonomie stellen wir uns (in Anlehnung an A. Bogdanow, siehe S. 22-27) ein ökologisches Wirtschaftsmodell vor, eine dynamische „staedy state economy“. Dabei denken wir an eine Volkswirtschaft, die wie ein Wald funktioniert. Die Unternehmen gleichen den Bäumen („Lebe einzeln und frei wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald“ – Nazim Hikmet). Sie sind untereinander genossenschaftlich in der „Lebenseinheit Wirtschaftssystem“ verbunden, Teil der Natur, und wachsen aus ihrem Keim heraus, bis sie die ihrer Art entsprechende Wachstumsgrenze erreichen Danach entwickeln sie sich weiter, wie auch erwachsene Menschen sich zu entwickeln vermögen. Unternehmen entfalten ihre Innovationskraft, indem sie den Stoffwechsel mit ihrer Umwelt ständig zu optimieren suchen, z.B. eine dynamische und zugleich ausgeglichene (Lebens-) Bilanz anstreben, die einen hinreichenden Überschuss an Lebensenergie erkennbar werden lässt. Ohne einen Überschuss an Lebenskraft (sprich: Gewinn) sind Unternehmen wie auch natürliche Organismen nicht existenzfähig. Aufgabe des grünsozialistischen Staates ist es, für eine ausgeglichene Entwicklung des sozialen Ganzen Sorge zu tragen und Fehlallokationen entgegen zu wirken.

Unser Plöner Gesprächskreis ist überzeugt, dass eine organisch vereinigte Menschheit – sprich ökomarxistisch begründeter Kommunismus – fähig ist, die sozialökologischen Herausforderungen der „Moderne“ in ihrer Gesamtheit zu bewältigen. Eine Alternative können wir wegen der Wirkung des Entropiegesetzes nicht sehen. Zugleich müssen wir anerkennen, dass das gesellschaftliche Bewusstsein dafür noch lange nicht reif ist. Siehe das Crome-Zitat auf Seite 2: Es gibt „bisher keine Alternative zu Ware-Geld-Beziehungen und Preisen“. Eine „steady state economy“, wie sie Herman Daly in Kenntnis des Entropiegesetzes vorschlägt, setzt u.E. eine Aufhebung des Kapitalismus hin zum grünen Marktsozialismus (als eine voraussichtlich lang andauernde Zwischenetappe zur „kommunistischen Gesellschaft“) voraus, unter praktischer Bewältigung der Eigentumsfrage. Mehr zu tun, als auf diese Herausforderung aufmerksam zu machen und unsere Leserschaft zum Weiterdenken zu motivieren, vermag unser Gesprächskreis in nur sehr eingeschränktem Maß.

Wir hoffen, über die Ökologische Plattform bei der Bundespartei mit Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen, d.h. eine bundesweite Vernetzung voranzutreiben. Allen widrigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen zum Trotz:
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

Hajü
Sozialökologisches Bürgerforum Plön