Die „Unsichtbare Hand“ beim Kohle-Konsens

Die „unsichtbare Hand“ (klick) des Marktes sorge dafür, sagen uns die Börsengurus, dass aus widerstrebenden Interessen von Käufern und Verkäufern, von Gewinn und Verlust am Ende so etwas wie Gemeinwohl entsteht. Das vermeintliche Gefühl, dass eine „unsichtbare Hand“ am Wirken ist, beschleicht einen auch beim jüngsten Politschauspiel um den „runden Tisch“ zum Kohle-Konsens.

Da lanciert die Denkfabrik Agora Energiewende – nicht ohne ein bekanntes Nachrichtenmagazin vorab zu bedenken – eine butterweiche Kohle-Ausstiegs-Studie (klick) und organisiert dann eine PR-Debatte (klick), in der wie in alten Manager-Zeiten eine Männerrunde noch einmal Geschichten aus der heilen Kohlewelt erzählt: dass man auch die stoffliche Nutzung nicht vergessen dürfe und man der „unsichtbaren Hand“ des Marktes … aber das hatten wir schon.

Ein Kohlelobbyist aus der Cottbuser Industrie- und Handelskammer durfte sogar zum x-ten Mal (klick) den Junglausitzer hervorkramen, der sich jetzt für eine Arbeit in der Kohle entscheiden müsse (es gibt ja nichts anderes!) und dann wohl in 25 Jahren vor dem beruflichen Nichts stehe.

Alles geschenkt! Nach so viel Vorfeld-Duselei konnte Bundeswirtschaftminister Sigmar Gabriel die Denkfabrik-Idee in dieser Woche wenigstens durch einen offiziellen Regierungsvorschlag (klick) veredeln. Sodann durften auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks – die sich auch eine „Expertenkommission“ (klick) vorstellen kann – und Umweltorganisationen (klick) in den Konsens-Chor einstimmen. Selbst den Deutschen Gewerkschaftsbund, der die ganze Zeit kohletechnisch geschwiegen hat, verlangt es jetzt (klick) plötzlich nach einer Energiewende-Kommission.

Man muss schon mit tausend Klammerbeuteln gepudert sein, um hinter alldem nicht die „unsichtbare Hand“ eines politischen Drehbuches zu erkennen. Nicht nur, weil eine solche Agora-Studie sich nicht von heute auf morgen auf den Tisch zaubern lässt, sondern längerfristig – lange vor Paris (klick) – konzeptionell angelegt sein musste. Und nicht nur, weil der Klimaschutzplan 2050 (klick), den die Umweltministerin Mitte des Jahres vorlegen will, ohne einen echten Kohleausstieg nicht das holzige Papier wert wäre, auf dem er steht.

Was einen wirklich misstrauisch macht, ist, dass im Agora-Papier die Kompromisslinien des Konsenses schon vorgezeichnet sind. Kohle-Ausstieg bis 2040? RWE-Chef Peter Terium sieht spätestens 2050, wenn seine Tagebaue sowieso ausgekohlt sind, das Ende der Braunkohle nahen (klick). Es geht also um nicht einmal zehn Jahre, die den Kraftwerksbetreibern abzuluchsen wären. Er könne sich nicht vorstellen, sagte Minister Gabriel dieser Tage, dass die zehn Jahre ein „unüberbrückbares Problem“ darstellen. Nein, ich kann mir das auch nicht vorstellen.

Und wie baut man die „Brücke“ über das „Problem“? Zunächst lässt man, wie es die Agora-Studie tut, ein konsensfeindliches Instrument wie eine CO2-Steuer (klick) außen vor. Und die meisten Folgekosten der Braunkohle wie die für Sanierung (klick) und Strukturwandel (klick) hilft man der öffentlichen Hand über: als zwar lästige, aber – leider, leider – notwendige Pflicht. Das Konsens-Angebot an RWE und Co ist klar: Wir machen euch den Ausstieg billig(er) und ihr gebt uns ein paar Jahre mehr ohne Kohle zurück.

Foto von Jörg StaudeDa fragt man sich, was am „runden Tisch“ noch auf Augenhöhe verhandelt werden soll. Den ganzen politischen Hokuspokus könnte man sich doch sparen und die Sache gleich in ein Kohleausstiegsgesetz gießen, am besten als Anhang zum ohnehin anstehenden EEG 2016 (klick). Denn viel mehr wird die Kohle in einigen Jahren ohnehin in Deutschland nicht mehr sein: ein Anhängsel der Erneuerbaren.

 Jörg Staude,
Redakteur bei klimaretter.info

(Links teilweise geändert)