Eine ökologische Zivilisation einrichten

Entwurfsfassung für den Umweltpart im Parteiprogramm der LINKEN

Stand 2010 (bearbeitet von Marko Ferst)

Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Wenn immer größere Anteile der bald 10 Milliarden Menschen auf der Erde sich dem Lebensstil der Industriestaaten annähern, und wir selbst nicht grundlegend umsteuern, sprengen wir unweigerlich die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten. Das finanzkapitalistische Produktions- und Konsumtionsmodell in seinem ausbeuterischen Charakter, die nachholende Industrialisierung in zahlreichen Schwellenländern und die Zerstörung traditioneller Lebensformen in den armen Ländern der Welt, verleihen dieser Entwicklung enorme Dynamik. Die Orientierung auf kommerziellen Gewinn ist tief ins heutige Menschenbild eingedrungen. Wir steuern in atemberaubendem Tempo auf eine ökologische Weltkrise zu, die in einen weitgehenden Zusammenbruch der jetzigen Zivilisation zu münden droht.
Deutschland, ebenso wie die anderen Industriestaaten, müssen bespielgebend voranschreiten, weil sie die Hauptverantwortung für die heutigen Umweltlasten tragen. Nur ein ökologischer Politikwechsel sichert die Generationen übergreifende soziale Gerechtigkeit, denn der fortschrei-tende Klimawandel wird das tägliche Ringen von Millionen Menschen um globale soziale Rechte zunichte machen. Nach wie vor steigt der jährliche Ausstoss an Treibhausgasen weltweit immer weiter an. Internationale Klimakonferenzen und Klimapolitik, ebenso wie nationale Initiativen vermochten bisher nicht diese selbstzerstörerische Logik im globalen Maßstab abzubremsen. Täglich werden weiter Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen, die 100 Jahre und länger aktiv bleiben und sich dort zu gigantischen Altlasten summieren.
Zwischen der Ursache und den Wirkungen von ökologischen Destabilisierungen liegen häufig lange Zeiträume. Haben sich die verschiedenen Konfliktpotentiale jedoch zu einem unlösbaren Knoten verschlungen, lässt sich das zerstörerische Potential nicht mehr abwenden, auch wenn die auslösenden Faktoren längst beseitigt sind. In den nächsten Jahrzehnten drohen regionale und globale Zusammenbrüche der Ökosysteme. Deshalb muss zügig gehandelt werden, damit der Spielraum für eine ökologische Zeitenwende nicht unwiederbringlich verloren geht. Die Umge-staltung der gegenwärtigen Produktions- und Lebensweise wird umfassender und komplizierter sein als alle vorhergegangenen Umwälzungen und Reformen in der Menschheitsgeschichte. Es muss verhindert werden, dass wir in totalitäre Gesellschaftsmuster mit schweren Konflikten um soziale Verteilungsgerechtigkeit und erdumspannende Bürgerkriege abrutschen.

Zum Schutz der Erdatmosphäre müssen die Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 um 50 Prozent und bis zum Jahr 2050 um mindestens 90 Pro-zent gesenkt werden. Wir brauchen eine ökologisch-technische Effizienzrevolution, eingebettet in alternative Lebensstile. Die Stoffströme, die wir durch unsere Industriegesellschaft pumpen, müssen in den nächsten Jahrzehnten um den Faktor 10 reduziert werden. Würden wir sämtliche Energie, die wir nicht einsparen können, aus Sonnenstrahlen, Wasserkraft, Windkraft, Geothermie und aus Biomasse gewinnen, hätten wir schon ein gutes Stück Zukunft gesichert. Auf einen regional angepassten Mix der Erneuerbaren kommt es an.

Das Solarzeitalter sollte durch große internationale Kooperationsprojekte vorangebracht werden. Wir setzen uns dafür ein, daß auf der Ebene der Vereinten Nationen die internationale Agentur für erneuerbare Energien aktiv Weltsolarpolitik fördern kann. Wir wollen darauf hinwirken, allen Energiebedarf in Deutschland zusammen bis 2040 aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Bei mindestens halbierten Strombedarf, könnte Deutschland schon 2030 alle Elektrizität aus den erneuerbaren Energien gewinnen. Dieses ehrgeizige Ziel kann nur gelingen, wenn gleichzeitig die Energieeffizienz umfassend erhöht und im großen Massstab Energie eingespart wird. Das Erneu-erbare-Energien-Gesetz wollen wir fortentwickeln.

Den Bau neuer Kohlekraftwerke und den Aufschluss von weiteren Tagebauen lehnen wir ab, weil damit die alten Energieversorgungsstrukturen auf Jahrzehnte hinaus zementiert würden. Die Verpressung von Kohlendioxid in Tiefengestein ist keine Lösung. Solare Energien sind eine zutiefst friedliche Alternative: weil überall vorhanden, bieten sie keinen Grund für gewalttätige Aus-einandersetzungen oder Kriege. Militärische Verteilungskämpfe um schwindende Energiereserven halten wir für verantwortungslos. Für den Erfolg internationaler Klimapolitik strebt DIE LINKE gleiche Nutzungsrechte an der Atmosphäre und den Naturgütern für alle Menschen an. Die Industriestaaten müssen den Opfern des Klimawandels sozial und logistisch helfen, denn die armen Länder und Bevölkerungsschichten sind am wenigsten in der Lage, sich wirksam gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen.

DIE LINKE fordert die sofortige Stillegung aller Atomkraftwerke und ein Verbot für den Export von Atomtechnik, überflüssige Atommülltransporte sollen unterbleiben. Eine Kernschmelze in einem AKW würde weite Teile Deutschlands unbewohnbar machen und könnte nicht nur durch technisches oder menschliches Versagen, sondern auch durch terroristische Akte ausgelöst werden. Eine sichere Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll ist über mehr als eine Million Jahre nicht zu gewährleisten. Es bedarf einer intensiven gesellschaftlichen Debatte, wie und an welchem Standort Atommüll am sichersten verwahrt werden kann. Das Fiasko im Atommüllager Asse für schwach- und mittelradioaktive Stoffe zeigt, wie fahrlässig die bisherige Praxis ist. Ein Endlager Gorleben ist nicht zu verantworten.

Wir wollen mit einer dezentralen erneuerbaren Energieversorgung umfassende Spielräume für eine kommunale Versorgung herstellen. Das Energiekartell muß entflochten und demokratischer Kontrolle unterstellt werden, die vier Energiemonopole schrittweise aufgelöst und die Energie-versorgung zu erheblichen Anteilen in die öffentliche Hand übernommen, mit sozialen und öko-logischen Auflagen. Die Ziele des Emissionshandels ließen sich sozial gerechter durch einen auf-kommensneutralen ökologischen Umbau des Steuersystems erreichen.

Durch Solarthermie, Holzhackschnitzelanlagen u.a. müssen die erneuerbaren Möglichkeiten auch im Wärmebereich umfassend genutzt werden, gesetzlich gefördert, gegebenenfalls Wärmenetze installiert werden – solare, energieautarke Dörfer und Siedlungen sind schon heute möglich. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromproduktion soll kontinuierlich erhöht werden. Wir brauchen solar ausgerichtete Altbausanierung mit wirksamer Wärmedämmung und passive Solarhäuser im Neubau.

Das Erdölzeitalter geht unwiderruflich zuende. Der Ölverbrauch nimmt aber zu und die Vorräte schwinden, auch beim Erdgas. Wir meinen, es muss sofort begonnen werden, diesen zentralen Rohstoff für viele Bereiche der Industriegesellschaft als endlich einzukalkulieren. Eine solare und ökoeffiziente Strategie wird durch ständig steigende Energiepreise zu einem Pfeiler vorsorgender Sozialpolitik werden. Auch andere strategische Rohstoffe werden knapp. Erneuerbare Rohstoff-Alternativen auf pflanzlicher Basis sind vorzubereiten im Rahmen regionaler ökologischer Ver-fügbarkeit. Durch sie kann darüber hinaus Kohlendioxid gespeichert werden. Auch regenerierbare Rohstoffe sind endlich.

Ziel der LINKEN ist es, den Ressourcenverbrauch drastisch zu senken. Dazu muss das Steuer- und Abgabensystem in grossem Stil ökologisch umgebaut werden. Umweltverträgliches Handeln soll finanziell belohnt und unzuträgliches Verhalten belastet werden. Wir setzen uns für ökologisch und sozial gewichtete Energie- und Ressourcensteuern ein. Die Mehrwertsteuer ist unter ökologischen Gesichtspunkt neu zu gestalten, so dass für umweltgerechte Güter und soziale Daseinsvorsorge, Dienstleistungen und Kulturgüter kein oder ein geringer Mehrwertsteuersatz und für nicht nachhaltige Luxusgüter ein deutlich höherer Satz festgesetzt wird. Die Wirtschafts- und Forschungsförderung ist umweltgerecht auszurichten, Subventionen für umweltschädliche Ziele müssen gestrichen werden. Ökologische Lenkungssteuern oder öffentliche Förderprogramme und Investitionen können in vielen Bereichen notwendige Ge- und Verbote jedoch nicht ersetzen. Technische Entwicklungen müssen überschaubar sein und demokratisch kontrolliert werden, die Technikfolgeabschätzung ist konsequent durchzuführen.

Die LINKE will regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und sich dafür einsetzen alle Produkti-onsprozesse und Produkte ökologisch zu gestalten. Durch gesetzlich vorgeschriebene Garantie-leistungen etc. müssen sich langlebige und reparaturfreundliche Güter durchsetzen können. Die Abfallströme sind drastisch zu vermindern. Wir treten für dezentrale und umweltverträgliche Abfallbehandlungsverfahren anstelle von Müllverbrennung ein. Wir fordern strengere Kriterien bei der Zulassung und Registrierung von chemischen Stoffen. Luft, Boden und Wasser sind vor schädlichen Einträgen zu bewahren. Eine hohe Trinkwasserqualität ist anzustreben und eine öko-logische Abwasserentsorgung zu sozial verantwortbaren Tarifen zu sichern. Regionalisierung ist zugleich eine Chance, die demokratische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in ihren unmit-telbaren Lebensräumen zu stärken.

DIE LINKE kämpft für eine ökologische Verkehrswende. Öffentlicher Verkehr muss erheblich ausgebaut werden, ständig steigende überteuerte Ticketpreise der Bahn können nicht länger tole-riert werden. Wir fordern mindestens: Halber Preis für Bahn und Bus! So wird der massenweise Umstieg attraktiv! Deregulierung und Privatisierung im öffentlichen Verkehr sind zu stoppen. Das Streckennetz der Bahn muss wieder wachsen, mehr Güterverkehr auf die Schiene gelangen. Mit Hilfe einer aktiven Verkehrs-, Struktur- und Regionalplanung ist eine Strategie der kurzen Wege zu etablieren. Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise sollte sich auf dezentralere Räume einstellen. Wir wollen lärmarmen Verkehr fördern. Der individuelle Strassenverkehr und der Gütertransport auf der Strasse sind radikal zu vermindern, neue Autobahnprojekte lehnen wir ab. Der Treibstoff- bzw. Energieverbrauch für alle Verkehrsträger ist stark zu senken, die günstigsten fahrzeugtechnischen Alternativen sind auszuloten. Steuerliche Privilegien und die Subventionen für die Infrastruktur von Flughäfen sind endlich abzuschaffen. Die Binnenschifffahrt ist an den Potenzialen der Flüsse auszurichten und nicht umgekehrt. Wir wenden uns gegen den naturzerstörenden Ausbau von Donau, Elbe, Saale, Oder, Havel, Main und Weser!

Wir wollen bis 2025 einen Anteil des ökologischen Landbaus von mindestens 50 Prozent errei-chen, jedoch auch befördern, dass eine ökologisch ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft darüber hinaus für alle Betriebe vorangebracht wird. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft basiert auf regionalen Wirtschafts- und Stoffkreisläufen, stellt nachwachsende Rohstoffe und Energieträger bereit, besitzt Natur erhaltende Aufgaben und trägt Verantwortung für den Artenschutz. Der Einsatz von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln muss nachhaltig reduziert und die Haltungssysteme tiergerechter gestaltet werden. Leistungsförderer und Antibiotika gehören nicht ins Tierfutter. Gesunde Nahrung erfordert gerechte Preise, das Preisdumping der Handelsketten zu Lasten der Bauern muss abgebaut werden. EU-Exportsubventionen, die die Bauern in ärmeren Ländern um ihre Existenz bringen, wollen wir abschaffen. Zuerst ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern, bevor landwirtschaftliche Flächen als Rohstofflieferant in Frage kommen. Sinkender Fleischkonsum nutzt der Gesundheit, reduziert den Flächenbedarf und die Klimalast. Die Agro-Gentechnik lehnen wir auf Grund der unkalkulierbaren Risiken ab und setzen uns für gentechnikfreie Zonen ein. Die Kennzeichnungspflicht von gentechnischen Bestandteilen ist bis auf die Nachweisbarkeitsgrenze von 0,1% zu senken. Sollten Schäden durch Kontaminationen entstehen, dann müssen dafür die NutzerInnen der Agro-Gentechnik haften. Lebewesen und Gene gehören nicht patentiert. Tierversuche sind durch alternative Methoden abzulösen.

Die großen verbliebenen Naturräume des Planeten, wie z.B. die Antarktis, die Arktis, die Welt-meere und die Regenwälder ebenso wie die borealen Wälder müssen vor weiterer Ausplünderung völkerrechtlich bindend geschützt werden. Die biologische Vielfalt ist zu bewahren. Wir verlieren täglich mindestens 300 bis 400 Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich, insbesondere in den artenreichsten Refugien wie den Regenwäldern und den Korallenriffen. Selbst ein moderater Kli-mawandel droht ein Drittel aller Arten auszulöschen, so der 4. IPCC-Bericht. Die Siedlungs- und Infrastrukturen des Menschen geraten für viele Arten zu unüberwindbaren Barrieren, bei der Verschiebung der Klimazonen. Die permanente Überfischung der Ozeane muss beendet werden, ebenso ihre zerstörerische Versauerung durch anthropogenes Kohlendioxid.

Wir werden die Ausweisung und Vernetzung von Schutzgebieten vorantreiben sowie die Renatu-rierung, den Moorschutz und verbauungsfreie Gewässer fördern. Wir müssen der Natur ihren Eigenwert zuerkennen und sie auch um ihrer selbst willen bewahren. Sie darf nicht in erster Linie das Ausbeutungsobjekt des Menschen sein. Zur Sicherung des nationalen Naturerbes fordern wir ein Stopp der Privatisierung von Naturschutzflächen. Wir wollen so schnell wie möglich den zu-sätzlichen Flächenverbrauch für Infrastruktur pro Jahr durch geeignete Steuerinstrumente stoppen und die Böden entsiegeln, wo dies möglich ist und keine Vorfahrt für Beton und Profit zu Lasten der natürlichen Umwelt zulassen. Aufforstung ist hilfreich um zusätzlich CO2 zu binden. Für den Hochwasserschutz sind Überschwemmungsgebiete freizuhalten und zurückzugewinnen.
Für Umweltorganisationen streben wir mehr demokratische Planungs-, Kontroll- und Ein-spruchsrechte an. Öffentlich transparente Umweltdaten von Unternehmen und staatlichen Ver-waltungen wollen wir herstellen. Den ökologischen Zukunftsfragen ist ein zentraler Platz im Schulunterricht, an den Hochschulen und in der Weiterbildung einzuräumen. Wir brauchen heute an den verschiedensten Orten Menschen, die sich aus den vorgegebenen Strukturen lösen und eine universale Verantwortlichkeit für eine Politik der ökologischen Zeitenwende, für einen ethisch-geistigen Paradigmenwechsel befördern. Ökologische Politik darf nicht primär von den Interessen her definiert werden, die aus den Errungenschaften unserer heutigen Überflussgesellschaften resultieren.

Eine durchschnittliche Erwärmung der Erdatmosphäre um zwei Grad ist kaum mehr zu verhindern, weil die bereits emittierten Treibhauspotentiale, teils um Jahrzehnte verzögert, zur Wirkung kommen u.a. durch die Rolle der Ozeane im Klimasystem. Überdies wird es nicht sofort weltweit gelingen, die Emissionen an Klimagasen in erheblichem Ausmass zu reduzieren. Angesichts rapide wachsender Volkswirtschaften in China, Indien und anderen Schwellenländern und einer zügig steigenden Weltbevölkerung besteht die Gefahr, immer mehr Emissionen werden freigesetzt. Damit würde sich in den nächsten beiden Jahrzehnten die Chance für eine ökologische Zivilisation für immer schliessen. Berücksichtigt man, dass in hohen Breitengraden riesige Permafrostgebiete bereits einer sehr starken Erwärmung ausgesetzt sind, besteht die Gefahr, dass dort freigesetztes Methan die anthropogenen verursachten Klimaveränderungen enorm beschleunigt und zusätzliche nichtlineare Reaktionen des Klimasystems auslöst. Zahlreiche weitere Kippunkte bei klimatischen Prozessen können zu völlig unvorhersehbaren Folgen führen. Die rasanten Tauprozesse in der Arktis, viel schneller als vorhergesagt, warnen uns bereits existentiell.

Eine zentrale Aufgabe für die Zukunft wird sein, sich auf den bereits in Gang gesetzten Klima-wandel einzustellen. Sämtliche Planungsmassnahmen zu Raumordnung, Stadtentwicklung, Küstenschutz und Landschaftspflege sind unter Klimavorbehalt zu stellen und müssen durch geeig-nete Anhörungsverfahren zukunftsfähig gestaltet werden. Infrastrukturgroßprojekte, Verkehrs-wegepläne und regionale Industriepolitik werden künftige Standortbedingungen zu berücksichtigen haben. Wälder sind so anzulegen, dass sie extremem Klimastress widerstehen können. In alpinen Regionen müssen wegen Gletscherseen, Murengängen etc. gefährdete Ortsteile umgesiedelt werden. An Nord- und Ostsee sind Schutzmassnahmen dem steigenden Meeresspiegel anzupassen. Die Landwirtschaft sollte sich auf zunehmende Trockenperioden und Starkregen vorbereiten und ihre Anbaumethoden grundlegend umgestalten. Wir brauchen regenerierte Landschaften, die eine starke Kühlfunktion wahrnehmen können. Trinkwasserreservoire sind zu schonen und für künftige Generationen zu bewahren. International wird die Ausbreitung der Malaria, des Dengue-Fiebers und anderer Infektionskrankheiten in Regionen, in denen sie bisher nicht bekannt waren, eine Herausforderung für die Gesundheitsversorgung werden. Die drohenden klimabedingten Völkerwanderungen im globalen Massstab müssen gewaltfrei aufgefangen und gesteuert werden. Die Industriestaaten sind an Maßnahmen zu beteiligen, um die Ausbreitung der Wüsten zu bremsen. Bestätigen sich Szenarien für einen erheblich beschleunigten Klimawandel, ist die gesamte Infrastruktur unserer Gesellschaften schnell und grundlegend umzugestalten.

Die LINKE ist die politische Kraft, die einen sozialökologischen Systemwechsel will und wir geben uns nicht mit marktwirtschaftlichen Placebos zufrieden, sondern drängen auf vorsorgende Planung in gesellschaftlicher Verantwortung. Naturgesetze besitzen Vorrang vor Marktgesetzen, und der Erhalt ökologischer Stabilität begrenzt die wirtschaftlichen und sozialen Freiheiten. Die WTO, ebenso wie Weltbank und IWF müssen ökologischen Kriterien unterworfen werden und ihre Legitimität neu geprüft. Der bisherige Irrweg der Deregulierung bis zur Gesetzlosigkeit und der Privatisierung – sprich: der Auslieferung an das kurzfristige Gewinnmaximierungsdogma des Finanzkapitals ist organisierte Verantwortungslosigkeit. Es sind vor allem die Träger der fossilen Energiewirtschaft, die Atom- und Rüstungslobby, die Konzerne der Automobilindustrie, der Gentechnik und Agrarindustrie, der Pharma- und Chemiebranche, die Profiteure des Nord-Süd-Gegensatzes und die Gewinner der internationalen Börsen- und Devisen-Spekulationen, die den Übergang zu ökologischer Nachhaltigkeit blockieren.

Ökologisch ausgerichtete Unternehmen können helfen, den gesellschaftlichen Wandel zu be-schleunigen. Unsere Ökonomie wird bis zur Erreichung eines stabilen Gleichgewichts schrumpfen müssen, bestehende Wohlstandsgefälle werden sonst durch neue Formen globaler ökologischer Apartheid verstärkt. Eigentumsrechtliche und machtpolitische Hemmnisse, die einem sozi-al-ökologischen Strukturwandel entgegenstehen, müssen abgebaut werden. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der nicht das entfremdete Arbeiten, sondern ein selbstbestimmtes Leben in den Mittelpunkt rückt, wo die Werte des Seins über denen des Habens stehen. Wir wollen eine Gesellschaft, die auf Herz und Geist gebaut ist. Damit der Klimawandel, Peak Oil und blinde Marktkräfte nicht zu einer Vertiefung von sozialen Spaltungen führen, ist eine erheblich egalitärere Verteilung der Einkommen unabdingbar. Es kann nicht sein, dass eine kleine Schicht sich den Luxus eines naturzerstörenden Lebens leisten kann, während ärmere Bevölkerungsteile grundlegende Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Eine gespaltene Gesellschaft mit steigenden Einkommensunterschieden erschwert die ökologische Umgestaltung.

Allen Erdenmenschen gebühren die gleichen Anrechte auf Umweltraum und Naturressourcen. 20 Prozent der Weltbevölkerung dürfen nicht 80 Prozent aller Ressourcen verbrauchen. Die armen Länder sollten umfassend unterstützt werden, eigene sozialökologische Strategien zu verwirklichen. Kurzfristige wirtschaftliche und soziale Ansprüche dürfen nicht die generationsübergreifenden langfristigen sozialen Interessen gefährden. Wir müssen unsere sozialen Ausstattungen abkoppeln von dem Zwang zu permanentem Wirtschaftswachstum, denn die Grenzen des Wachstums sind längst überschritten. Ein Vorrang der Beschäftigungspolitik zu Lasten der Umwelt ist nicht akzeptabel, jedoch schaffen die Energiewende und andere ökologische Veränderungen neue Beschäftigungsfelder. Zugleich werden für viele der Reichtum zwischenmenschlicher Beziehungen, weite Bildungshorizonte, selbstbestimmte Lebensräume, Kultur und die Sicherheiten des Lebens wichtiger als die immer weitere Ausdehnung von materiellem Konsum. Die Kämpfe der Zukunft werden wesentlich Kämpfe um neue Lebensweisen sein. Ökoalternative Lebensformen wollen wir in ihren Startbedingungen fördern. Die Auflösung autoritärer und marktförmiger Beziehungen zwischen den Menschen und ein mehr solidarisches Miteinander können nur aus einem inneren Wandel und Reifen heraus gelingen. Für ökologische Alternativen sind die sozialpsychologischen Veränderungen im Menschen genauso wichtig wie die Reformprozesse in der sozio-ökonomischen Struktur.

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Zusammengestellt aus:

Entwurfsfassung Umweltpassage für den Umweltteil des Wahlprogramms der LINKEN 2009 von BAG Umwelt, Energie, Verkehr und Ökologischer Plattform
Europawahlprogramm der LINKEN, 2009

Parteiprogramme:
PDS-Programm von 1993 und 2003, WASG-Programm
Wahlprogramm der Linkspartei.PDS 2005

Positionspapiere zur Programmdiskussion von Götz Brand, Bruno Kern, Franz Groll u.a.
Thesenpapier zur Klima- und Energiekonferenz 2007
Oskar Lafontaine: Es ist unerlässlich, die Systemfrage zu stellen, Freitag Nr. 48
Wessen Welt ist die Welt? Unsere umweltpolitischen Vorschläge (Die Linke.PDS, 2005)
Entwürfe für Umweltpassagen 2001, 2003 (Marko Ferst)

Abgleich mit: Grünes Grundsatzprogramm 2002, SPD Grundsatzprogramme von 1989 und 2007
Wahlprogramm der Grünen zur Europawahl und Bundestagswahl 2009
ebenso aktuelle Umweltaussagen in Programmen von SPD und CDU

Für Klimaanpassung und andere Fachspezifika:
Der UN-Weltklimareport. Bericht über eine aufhaltsame Katastrophe, 2007 (Hrsg. Ursula Fuentes u.a.)
Der Klimawandel, 2006 (S. Rahmstorf, H. J. Schnellnhuber)
u.v.a.