Klage gegen den Bebauungsplan für geplantes Kohlekraftwerk in Stade

Pressemeitteilung des BUND Niedersachsen (klick)

Stade, 29.10.2015

Der BUND Landesverband Niedersachsen (klick) (als Klageführer), Greenpeace Hamburg, NABU, Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe e. V. (AUN) sowie die Bürgerinitiativen Stade-Altes Land und Haseldorfer Marsch reichen heute eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan Nr. 603 „Industriekraftwerk Stade“ der Stadt Stade ein. Auf einer Pressekonferenz in der Hansestadt informiert das Bündnis am 29. Oktober über die Details.

Den Bebauungsplan für das geplante Kohlekraftwerk halten wir aus den folgenden Gründen für abwegig und rechtswidrig:

  1. Energiewende: „Heute noch ein Kohlekraftwerk zu planen und zu bauen ist wirklich anachronistisch. Es muss jetzt vielmehr darum gehen, aus den fossilen Technologien zur Energiegewinnung auszusteigen, insbesondere aber aus der Kohle. Das DOW Kohlekraftwerk wäre der letzte Dinosaurier der Kohle-Ära in Deutschland. Ab 2050 müssen die erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasserstoff und moderne Speichertechniken unsere Stromversorgung übernehmen“, sagt Dr. Stefan Ott vom BUND. „Die Energiewende ist technisch möglich, muss aber auch politisch gewollt sein.
  2. CO2-Ausstoß: „Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Kohlekraftwerke abgeschaltet und damit jährlich rund 16,5 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Dagegen würde das Kohlekraftwerk Stade den CO2 Ausstoß um rund 5,5 Mio. Tonnen erhöhen. Das ist absurd und unterläuft den notwendigen Klimaschutz“, meint der Energie-Experte von Greenpeace Hamburg, Holger Becker. „An einer Stelle wird das Fass geflickt, an anderer Stelle möchte jemand neue Löcher bohren.“
  3. Gesundheitsschäden: Sorgen bereiten der Lungenfachärztin und Sprecherin der BI Stade-Altes Land, Dr. Gabriele Brockhausen, insbesondere die hohen Feinstaubemissionen des geplanten Kohlekraftwerks: „Eindeutige Gesundheitsschäden treten schon bei 20ug/m3 auf. Die bisherigen Grenzwerte sind einfach zu hoch“, mahnt sie.
  4. Schadstoffeinträge: Aufgrund der vorherrschenden Süd-West-Windlage ist die gegenüberliegende Elbseite besonders stark betroffen. „Ein neues Kohlekraftwerk wird zwangsläufig u. a. weitere Dioxine, Furane und Quecksilber in die Marsch eintragen“, so Dr. Wolfgang Werther (BI Haseldorfer Marsch). „Wir sind heute schon grenzwertig belastet. Zusätzliche Schadstoffeinträge sind nicht mehr verantwortbar!“ ergänzt Rolf Herrmann, Amtsvorsteher und Bürgermeister von Haselau.
  5. Gewässerschutz: Udo Paschedag (AUN) weist darauf hin, dass nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU spätestens ab 2028 kein Quecksilber mehr in die Umwelt emittiert werden darf. „Bis dahin müssen alle Kohlekraftwerke schon aus Gründen des Gewässerschutzes stillgelegt werden.“

Neben Klimaschutz und Gesundheitsfragen spielt bei der Normenkontrollklage die Raumordnung eine entscheidende Rolle. Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin aus Hamburg, ist Anwältin des Klagebündnisses. Sie glaubt an einen Erfolg der Klage aufgrund mehrerer rechtlicher Säulen. Sie rügt den Bebauungsplan in 10 detaillierten Punkten.

Unterstützt wird sie dabei von Prof. Dr. Martin Schulte, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Technik-und Umweltrecht an der juristischen Fakultät der Universität Dresden. Er legt in seinem Gutachten ausführlich dar, dass der Bebauungsplan weder den Zielen der Raumordnung gem. Landesraumordnungsprogramm noch des Regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Stade entspricht. „Der geplante Standort ist demnach nicht für ein Großkraftwerk vorgesehen. Ich halte den Bebauungsplan für rechtswidrig“, erklärt Prof. Schulte.

Für Rückfragen:

Silke Hemke
BUND Kreisgruppe Stade
kontakt@bund.stade.net
(0177) 6451163

Holger Becker
Greenpeace Hamburg
holger.becker@greenpeace-hamburg.de
(0160) 95338457


Kommentar

Dow Chemical (klick) ist weltweit der zweitgrößte Chemiekonzern und gehört zu den größten Luftverschmutzern in den USA (Wikipedia (klick). Dow ist unter anderem aktiv in der Petro- und Chlorchemie. Wichtigste Produkte sind Kunststoffe und Kautschuk sowie chemische Grundstoffe.

In Deutschland sind die größten Standorte im mitteldeutschen Chemiedreieck sowie in Stade, Bomlitz und Rheinmünster.
In Stade haben die Anlagen 1/3 der Kapazität des 2003 stillgelegten AKW verbraucht.
Mit dem Bau des Kohlekraftwerkes stemmt sich Dow Chemicals nicht nur gegen die Energiewende in Deutschland (Ist der Strom trotz EEG-Umlage-Befreieung  – klick –  zu teuer?) sondern gegen den Ausstieg aus der fossilen Energie- und Grundstoofwirtschaft generell.

Dem steht aktives Greenwashing gegenüber: Auf seiner Internetseite spielt sich der Konzern auf als Vorrreiter der Energiewende:

Internetauftritt Dow Chemicals Deutschland

Bildschirmfoto vom 2015-11-03 11:09:29

Die Divestment-Bewegung

… zielt darauf, der Fossilindustrie, das Geld zu entziehen und die Reputation der damit befassten Unternehmen in Frage zu stellen. Es würde sich anbieten, den Druck auch von der anderen Seite, von den Verbrauchern her aufzubauen. Produktboykotte haben in der Vergangenheit gezeigt, dass auch damit Erfolge zu erzielen sind. Doch bei Unternehmen der Grundstoffindustrie, deren Produkte nur zum geringen Teil in den Einzelhandel kommen, ist das naturgemäß schwierig.
Allerdings ist Dow Chemicals auch auf Bekanntheit bei Endkunden angewiesen und erstellt Imagebroschüren bzw. -blätter.
Daher liefert die deutsche Homepage (ungewollt) sogar Einladungen für Produktboykotte.

Beispiele

  • Smartphones enthalten verschiedene Komponenten – von der Schaltkreisherstellung bis hin zu Displays – in denen Dow-Technologien  und -Materialien zum Einsatz kommen.
    Warum nicht Geräte länger nutzen? Das ist ökologischer und preiswerter als ein verbilligtes Neugerät vom Mobilfunktanbieter!
  • „Wellence™ Fettersatz ist ein von Dow entwickelter Lebensmittelzusatz auf Pflanzenbasis, der den Fettgehalt in Backwaren und Fleisch um bis zu 60 Prozent reduzieren hilft und die Möglichkeit eröffnet, gesättigte und hydrierte Fette durch gesunde Öle zu ersetzen. Dabei bleiben Geschmack und Textur erhalten, wie es die Verbraucher schätzen — zum Beispiel in saftigen Burgern oder weichen Kuchen. … Mit Hilfe von FORTEFIBER™ Soluble Dietary Fiber von Dow kann die Lebensmittelindustrie ballaststoffreiche Produkte wie Müsliriegel, Backwaren, Getränke und Kaubonbons herstellen, “
    Warum nicht
    Obst und Gemüse aus der Region? Sie sind ökologischer und gesünder!
  • Mit 1 Kilogramm Kunststoff kann die gleiche Menge Flüssigkeit transportiert werden wie mit 1,5 Kilogramm  Aluminium, 4 Kilogramm Stahl oder 13 Kilogramm Glas. … Eine Lkw-Ladung flexibles Verpackungsmaterial hat das gleiche Fassungsvermögen wie die Menge an herkömmlichen  Dosen, für deren Transport 25 Lkwnotwendig währen. … Durch organische Abfälle auf Deponien wird Methan — ein Gas mit einem 21 Mal höheren Treibhauspotential als CO2 freigesetzt. Durch den Einsatz von Kunststoffverpackungen landen weniger Lebensmittel im Müll. … Kunststoffverpackungen sorgen für eine längere Haltbarkeit der Lebensmittel und schützen diese gegen Beschädigung beim Transport. …  Bei einer fachgerechten Verarbeitung können Kunststoffverpackungen zu einem Polymer recycelt oder am Ende des ursprünglichen Lebenszyklus energetisch verwertet werden.
    Hier werden verschiedene Vorteile von Kunsstoffverpackungen aufgezählt, die ganz unterschiedliche Einsatzgebiete und Entsorgungswege miteinander kombinieren:
    *   Flüssigkeitsverkackungen aus Kunsstoffen sind nicht „besser“ oder „schlechter“ als Glasverpackungen (siehe LCA für PET Einwegsysteme erstellt für PETCORE; Sept. 2004). PET-Flaschen tragen stärker zur globalen Erwärmung und Gewässereutrophierung bei, verbrauchen mehr fossile Ressourcen und kumulativ mehr Energie. Versauerung ist je nach Entsorgungsweg bei PET- oder Glasflaschen mal kleiner, mal größer. Bodeneutrophierung, Sommersmog, Naturverbrauch und Transportintensität sind bei PET-Flaschen geringer als bei Glas.
    *   „Weniger Lebensmittel…“ (keine Flüssigkeiten!) landen dann „im Müll„, wenn sie verpackt werden und dadurch länger halten – als unverpackte! Doch unverpackte Lebensmittel sind nicht Quelle von Plastikmüll in den Ozeanen.
    Frische Lebensmittel und Produkte ohne starke industrielle Verarbeitung ermöglichen nicht nur eine bessere Kontrolle der Inhaltsstoffe, sondern benötigen oft auch weniger Verpackungen.
  • „Die häufig aufgrund ihrer hellblauen Farbe auch “Blueboard” genannten STYROFOAM™ Isolierprodukte von Dow bieten ökologische und ökonomische Vorteile. „aber nur in den Bereichen am Bau, in denen nachwachsende Rohstoffe nicht einsetzbar sind (z.B. Nässebeständigkeit am Gebäudesockel) haben sie Sinn. Andernfalls bleiben nur ökonomische Vorteile (siehe Kurzgutachten zur energetischen Gebäudesanierung KONZEPT Ökobaustoffe Teilstudie: Berechnung der Ökobilanz von Dämmstoffen und Baukonstruktionen im Vergleich – klick)

Dows Eigenlob

Bildschirmfoto vom 2015-11-03 13:28:54

… insbesondere für Gesundheitsschäden durch Kohleverstromung (klick)

Wolfgang
3.11.2015