Lügen durch Verschwinden lassen?

Der in „Wohlstand und Wachstum sind gegenläufig“ zitierte Text der „Freien“ Universität Berlin

„Im November 2011 haben die Urheber des ‚Nationalen Wohlfahrtsindex‘ (NWI) von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) und dem Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin (FFU) den NWI erstmals fortgeschrieben. Es handelt sich dabei um eine andere Sichtweise auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. Bruttonationaleinkommen (BNE); diese soll das BIP nicht ersetzen, jedoch kommt man im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung zu einer anderen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. …

Die Berechnung des monetären Indexes führt mit den neuen Werten für die Jahre 2008 und 2009 zu bemerkenswerten Ergebnissen: Der NWI wird 2008 und 2009 durch die Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich weniger beeinflusst als BNE und BIP. Gerade von 2008 bis 2009 ist ein drastischer Rückgang beim BNE zu verzeichnen, während der Wohlfahrtsindex in diesem Zeitraum dagegen sogar leicht ansteigt. Die Ergebnisse des NWI für Deutschland für 2008 und 2009 zeigen zum einen, dass die Wirtschaftskrise in diesen Jahren den Konsumbereich weit weniger betroffen hat als den Bereich der Produktion. Die gegenläufige Entwicklung zum BNE lässt sich aber zu einem guten Teil auch darauf zurückführen, dass die im NWI berücksichtigten negativen externen Effekte der Produktion — der Verbrauch von Ressourcen und die Belastung der Umwelt mit Schadstoffen — durch den Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten ebenfalls deutlich abgenommen haben.”

fand sich noch am 1.9.2013 auf der FU-Seite /http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschung/systeme/ffu/forschung-alt/projekte/laufende/07_wohlfahrtsindex/NWI_II_Aktualisierung_2008_2009_Presseversion_2011.pdf?1367711012.
Die Pressemitteilung existiert inzwischen nicht mehr.
Auch eine Suche nach „NWI“ liefert auf der FU-Seite kein Ergebnis, nur die Suche nach „Wohlfahrtsindex“ ergibt drei Verweise ohne inhaltliche Aussagen.

Ist die FU zu weit vorgeprescht und wurde zurück gepfiffen? Schämt sie sich ihrer eigenen Forschungsergebnisse? Oder hängt das nur damit zusammen, dass der Masterstudiengang ausläuft – und warum läuft er aus?

FU-UMG-Stud

Die Untersuchungen zum NWI wurden jedenfalls unter der Regie des BMU weiter geführt. Allerdings liefert die BMU-eigene Suchmaschine zum Stichwort „NWI“ – nichts:

BMU-NWI

Das gleiche Ergebnis bei der Suche nach „Wohlfahrtsindex“:

BMU-WOhlfahrtsindex

NWI 2.0

Dennoch gibt es den Endbericht „NWI 2.0 – Weiterentwicklung und Aktualisierung des Nationalen Wohlfahrtsindex“ von Januar 2013 auf den BMU-Seiten – versteckt? Warum? Seit Amtsantritt der CDU/CSU/FDP-Regierung hat sich die Schere zwischen BIP und NWI wieder etwas geschlossen – also eher ein Grund zur Freude?

NWI_2-0_BIP

 

Die neue Studie hat statt 102 jetzt 294 Seiten. Gründlich werden die Änderungen der Inhalte, Methodik und Datenlage erläutert sowie bestehende Unsicherheiten und Probleme diskutiert.

Nicht als Problem, sondern wertfrei festgestellt wird, dass der NWI

„ein nationales Maß [ist]: Berücksichtigt werden nur Kosten und Nutzen, die das Territorium des Landes betreffen, für das der Index berechnet wird. Umweltschäden, die beispielsweise aufgrund des Konsums im Inland an Orten im Ausland auftreten, werden damit nicht erfasst.“

Aus linker Sicht ist das ein grundsätzliches Problem: Ebenso, wie die wirtschaftliche Stärke Deutschlands auf Kosten wirtschaftlich schwächerer Länder ausgebaut wird, mindern die durch unseren Konsum weltweit erzeugten Umweltschäden den nationalen NWI (unseren Wohlstand) nicht.

Uneingeschränkt zustimmen kann man der Aussage:

„Die Bewertung der gesamtstaatlichen Entwicklung [soll] den Blick dafür schärfen, dass wir wesentlichen Bereichen unseres Lebens und unserer Umwelt künftig mehr Wertschätzung entgegenbringen müssen. Im Kontext nachhaltigen Wirtschaftens und eines umfassenderen Verständnisses von Wohlfahrt dürfen die Bereiche Naturkapital und Sozialkapital nicht in der Verwertungsreichweite eines allein an ökonomischen Zielen orientierten Wirtschaftens belassen werden. Sie verfügen über einen „Eigenwert“ im doppelten Sinne. Jedenfalls würden soziale Erosion und ökologische Degradierung nicht nur das Ziel des Wirtschaftens untergraben, sondern auch seine Basis.“

Wen wundert folgender Förderhinweis?

FH

Eben.

Wolfgang Borchardt