Obsoleszenz – geplant oder vom Markt „erzwungen“?

„Früher war alles besser“ – hört man oft. Aber ist das wahr? Teilweise ist diese Ansicht durch unsere Erinnerung verfälscht, in der bevorzugt angenehme, positive Ereignisse aufbewahrt werden. Dabei ist das Angenehme für jeden Menschen verschieden. Also alles nur Fiktion?

Technische Artefakte sind teilweise auch von menschlichen Einschätzungen abhängig. Menschen bestimmen, was ihnen aufhebenswert erscheint. Artefakte können aber auch durch natürliche Umstände konserviert werden, wie zum Beispiel Pompeji. Insgesamt gestatten technische Artefakte aber einen objektiveren Rückblick als die menschliche Erinnerung. Ein besonderes Beispiel sind Maschinen und Geräte, die in der Vergangenheit oder auch in anderen Gesellschaftordnungen produziert wurden. Sie lassen Rückschlüsse zu auf gleiche oder verschiedene Produktionsziele.
Ein solches Gerät schafft es sogar, Filmstar zu werden: das in der DDR legendäre Rührgerät RG 28. Im Herbst soll der Film „Kommen Rührgeräte in den Himmel?“ (klick) in die Kinos kommen. Zur Berlinale war er schon angemeldet, wurde aber offenbar nicht in das Programm aufgenommen. Den Trailer können wir uns auf Youtube ansehen (siehe unten).

Auf ihrer Schwerpunktseite bingt die junge Welt am 18.2.16 ein Interview (klick) mit Bert Göhler (klick), dem Geschäftsführer der Clip Film- und Fernsehproduktion GmbH (klick), die den Film gedreht hat. Darin wird deutlich, dass das die Auseinandersetzung mit dem Gerät auch anregt zum Nachdenken über einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen:

„Schon beim Trailer haben wir festgestellt, dass Menschen sofort in Gespräch kommen. Aber nicht über unseren Film, sondern über sich selbst, ihr Konsumverhalten und ihr Verhältnis zu ihren Dingen.“

Grund genug, sich den Film anzusehen.

UBA-Studie

Passend zum Thema haben das Öko-Institut Freiburg und das Institut für Landtechnik der Universität Bonn gerade eine Studie für das Umweltbundesamt erstellt: Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“. Sie untersucht erstmals detailliert das Konsumverhalten, die Austauschgewohnheiten sowie die Ursachen für Defekte bei Elektro- und Elektronikgeräten in den vier Produktkategorien Haushaltsgroßgeräte, Haushaltskleingeräte, Informations- und Kommunikationstechnik und Unterhaltungselektronik und kann hier heruntergeladen (klick) werden.

Die Studie scheint die Eingangsthese, dass früher alles besser war, zu bestätigen:

„Der Anteil der Haushaltsgroßgeräte, die aufgrund eines Defekts bereits innerhalb der ersten fünf Jahre ersetzt wurden, [stieg] von 3,5 Prozent im Jahr 2004 auf 8,3 Prozent im Jahr 2013.“ Doch „eine gezielte kurze Produktlebensdauer, die die Hersteller mittels eingebauter Mängel erzeugen – die sogenannte geplante Obsoleszenz – kann in der aktuellen Studie nicht nachgewiesen werden.“

Das sie nicht nachgewiesen werden konnten, heißt allerdings nicht, dass es keine gezielten „Sollbruchstellen“ gibt. Vielleicht sind diese Hersteller nur geschickter als die Abgasmanipulatoren von VW?

„Problematisch ist die mangelnde Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Man sieht dem Produkt nicht an, für welche Lebensdauer es konzipiert wurde. Auch der Preis ist da nicht immer ein zuverlässiger Indikator. Im Sinne der Verbraucher und der Umwelt wäre eine Kennzeichnung, die beispielsweise die voraussichtliche Lebensdauer eines Geräts in Nutzungsstunden angibt“,

sagte die UBA-Präsidentin Krautzberger. In seiner Pressemitteilung meint das UBA, dass es hier weiteren Forschungsbedarf gäbe,

„da die Lebensdauer nicht für alle Produktgruppen messbar und transparent darstellbar ist. Stichwort Reparierbarkeit: Geräte müssen repariert werden können, um die Lebenszeit zu verlängern. Hierzu gehören zum Beispiel ein reparaturfreundliches Design und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, welche auch für nicht-herstellergebundene Werkstätten zugänglich sein sollten.
Und nicht zuletzt sind auch die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst in der Verantwortung. Vom Smartphone über das Notebook bis zum Flachbildfernseher werden viele Geräte ersetzt, obwohl sie noch gut funktionieren. Initiativen und Plattformen zum Verschenken, Teilen, Tauschen und Verleihen gibt es bereits in vielen Städten. Auch die öffentliche Hand kann eine Vorreiterrolle einnehmen und beispielsweise in öffentlichen Verwaltungen eine Mindestnutzungsdauer von elektronischen Geräten vorschreiben.“

All das ist nicht falsch, doch eine staatliche Behörde sollte sich auch die Frage stellen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen möglich oder notwendig sind, um nicht nur in öffentlichen Verwaltungen eine Mindestnutzungsdauer zu erreichen, sondern in breiterem, volkswirtschaftlichen Rahmen. Dazu könnte beispielsweise die Mindest-Garantiezeit verlängert werden. Das wäre allerdings eine Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit der Unternehmen zu Gunsten der Allgemeinheit. Und die Unternehmen haben es natürlich auch nicht leicht…

 

RG28

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