Undemokratische Braunkohle

Ergänzung zur Kolumne von Jörg Staude im ND vom 12.11.2014

Faktisch kann mit Kohlestrom bereits heute nicht mehr genug Geld verdient werden, wenn die staatliche Stützung der Kohleverstromung aufgehoben wird. Nur wenige verdienen mit Braunkohlenverstromung Geld, indem sie den Irrtum ausnutzen, dass die energetische Daseinsvorsorge Bestandteil der sozialen Markwirtschaft ist.

Aufwand und Nutzen der von Konzernen beherrschten Energieversorgung werden mit Hilfe gekaufter „Wirtschaftswissenschaftler“ und Politiker völlig vernebelt. Angebot und Nachfrage sind von einem Preisdiktat der Konzerne ausgeschaltet. Von Parlamentsmehrheiten wird gesellschaftlich organisierte Nutzenergieproduktion zur Gewinnmaximierung stromintensiver privater Unternehmen gesetzlich geschützt – . Seit langem ist die Strombörse als Instrument des Oligopols der Stromerzeuger zur Erzielung von Spekulationsgewinnen durch Marktmanipulierung enttarnt, ohne in Frage gestellt zu werden. Es ist finanziell beteiligten Medien geschuldet, dass die Auswirkungen dieses Systems zur Vernichtung der Existenzbedingungen der Jugend und kommender Generationen von der Bevölkerungsmehrheit und einzelnen Gewerkschaften noch nicht erkannt wird. Lokale Energiepreisbildung nach Angebot und Nachfrage ist zur Befreiung der monopolistischen Preisdiktatur unverzichtbar.

Leider gibt es auch Linke, die sich diesen Zusammenhängen verschließen. Auf das Programm der Partei DIE LINKE können sie sich dazu nicht berufen.

Derzeit besteht die möglicherweise einmalige Chance, mit der neuen Regierung Schwedens eine gemeinsame Strategie zur Umrüstung seiner deutschen Kondensationskraftwerke zu kompatiblen Kraftwerken mit fluktuierendem Wind- und Solarstrom zu entwickeln. Mittelfristig ist dazu Verzicht auf Dampferzeuger und Dampfturbinen unvermeidbar. Nur so können die Belastungen durch Kohleverbrennung und jahrzehntelelanger Atommüllproduktion für kommende Generationen in Grenzen gehalten werden.

Wer die Braunkohlenverstromung als Brücke für die Energiewende bezeichnet, lenkt von bedarfsgerechter Speicherung von Überschussenergie aus erneuerbaren Quellen ab und manifestiert die Abhängigkeit von atomaren und fossilen Energieträgern. Machtkämpfe zwischen global agierenden Konzernen um Ressourcen, Märkte und Ausbeutungsverhältnisse sind die Folge. Sie zerstören Zivilisationen, fördern Diktaturen und gefährden die Existenzgrundlagen der Völker.

In der Praxis haben sich die Erneuerbaren Energien als unschlagbare Konkurrenz für atomar-fossile Energien erwiesen. Lobbyhörige Politiker mussten den für ihren Durchbruch verantwortlichen gesetzlichen „Vorrang Erneuerbarer Energien“ im EEG 2014 völlig zurücknehmen und durch den „Ausbau“ ersetzen. Vorher wurde der Vorrang bereits faktisch beseitigt: Nichtregelbarer Grundlaststrom erhielt im Verbundnetz den Vorrang gegenüber Strom aus regenerativen Quellen, weil Verbraucher für ökonomische Verluste durch ungenutztes Angebot von Wind- und Solarstrom finanziell belastet werden. Die verursachenden Grundlaststromerzeuger sind von der Haftung befreit.

Als nächster Schritt erfolgten unverhältnismäßige Strompreiserhöhungen, die mit der EEG-Umlage begründet wurden.

Schließlich wurde die Mär von den Wettbewerbsnachteilen privatkapitalistischer Vielverbraucher in die Welt gesetzt, um sie von EEG-Umlage und Netzdurchleitungskosten zu Lasten der Allgemeinheit zu befreien.

Auf diese Weise wird demokratischer Mitbestimmung für die energetische Daseinsvorsorge die Grundlage entzogen. Autonome Selbstversorgung und Bürgerbeteiligung sind erschwert.

Beispiel für das Einknicken vor den Partikularinteressen der Energiekonzerne ist der Koalitionsvertrag der Landesregierung Brandenburg. Darin wird die Integration der Erneuerbaren Energien in das – ebenso wie das Berggesetz – aus der Nazidiktatur stammende Energieversorgungssystem gefordert. Mit herbeigeredeten Arbeitsplatzverlusten wird die Energiewende zu Gunsten der Laufzeitverlängerung kontraproduktiver Kondensationskraftwerke ausgebremst. Die Erhaltung und der Ausbau strukturell an die Energiewende angepasster Arbeitsplätze werden behindert und verzögert.

Dagegen werden unnütze Investitionen zur Herabsetzung der Mindestlast von Braunkohlenkraftwerken getätigt, anstatt notwendige Energiespeicherung zu finanzieren (im Bereich von 20% der Nennlast wird jedes Braunkohlenkraftwerk unrentabel). Die erforderliche zeitnahe Reaktion auf natürliche Schwankungen des Stromaufkommens aus erneuerbaren Quellen kann infolge der Laständerungsträgheit von Dampferzeugern niemals erreicht werden. Die Folge sind zusätzliche Kosten für Abschaltung erneuerbarer Quellen und Export überschüssigen Stroms zu negativen Preisen.

Das für die Energiewende ungeeignete zentralistische Energieverbundsystem schadet dem Gemeinwohl und nützt parasitärer Profitmacherei.
Jede Gesetzgebung, die nicht die Umstrukturierung der Energieversorgung in vernetzte autonome Systeme fördert, behindert bzw. verzögert die Energiewende und begünstigt globale Interessenkonflikte.

Grundsätzlich ist die Nutzenergie aus erneuerbaren Quellen dort zu erzeugen und zu speichern, wo sie benötigt wird. Es geht um bedarfsgerechte Verfügbarkeit von lokalen Aufkommensüberschüssen, um Versorgungssicherheit und Netzstabilität mit dem geringsten technisch-ökonomischen Aufwand zu gewährleisten. Nur so sind Fehlinvestitionen in Fernübertragungsnetze zu vermeiden, die nicht der Daseinsvorsorge dienen.

Die Energieversorgung für öffentliche Einrichtungen, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr wird verteuert, wenn vom Gesetz keine unternehmerischen Impulse für nachhaltige energetische Selbstversorgung aus lokalen bzw. regionalen Quellen gesetzt werden.

Mittelfristig ist die Abhängigkeit von privaten Übertragungsnetzbetreibern zu überwinden, weil deren systembedingte Wirtschaftsinteressen dem gemeinnützigen Zweck der Energiewende entgegenstehen. Wesentliche Ursache sind Energieexporte und –Importe, die den Importeur von Eigeninitiativen zur Nutzung vorhandenen lokalen bzw. regionalen Potentials erneuerbarer Energien befreien.

An Stelle des Handels mit Energie muss der Handel mit Energieumwandlungs- und Speichertechnik treten.

Der Handel mit Technik für erneuerbare Energien ist Grundlage für die Großserienproduktion dieser Technik. Nachfragebedingte Preisreduzierung sichert die Bezahlbarkeit der Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen.

Dass gegenwärtig auf Energiespeicherung noch verzichtet werden kann, weil die Techniken dafür noch nicht anwendungsreif sind, ist eine oft wiederholte Zwecklüge, um den Energiekonzernen die Rentabilität von Kohlekraftwerken zu erhalten. Infolge ihrer Klimaschädlichkeit und Laständerungsträgheit führt an der Stilllegung alter und Umrüstung vorhandener Kohlekraftwerke in flexible Gaskraftwerke kein Weg vorbei.

Es ist zu erwarten, dass sich neben dem Freistaat Thüringen noch weitere Bundesländer und Regionen das Ziel stellen, bis 2040 ihren Energiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100 Prozent regenerativer Energie selbst zu decken. Mit dem Festhalten der Brandenburger Landesregierung und der Regierung des Freistaates Sachsens an der Braunkohlenverstromung über das Jahr 2040 hinaus, werden spätere Massenentlassungen vorprogrammiert. Sie sind von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie mit zu verantworten, weil sie die Propaganda von der Unverzichtbarkeit konventioneller Kraftwerke mit trägt. In Übereinstimmung mit Konzernmanagerinteressen bestreitet sie die Möglichkeit kostengünstiger Energiespeicherung und bezeichnet den erwiesenermaßen untauglichen „Emissionshandel“ als einziges Steuerungsinstrument zur Erreichung der Klimaschutzziele.

Anlässlich einer von bioenergiedorf-coaching brandenburg e.V. und Ökologische Plattform DIE LINKE am 10.November 2014 veranstalteten Konferenz „Speicherung Erneuerbarer Energie in den nördlichen Bundesländern“ wurden viele, wenn auch nicht alle verfügbaren Energiespeicher-und Umwandlungstechniken vorgestellt. Weil Solar- und Windenergie für nachfolgende Generationen praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen, kommt es vor allem auf maximale Energiedichte und minimalen Flächenbedarf für Energiespeicher- und Umwandlungsanlagen an.

Tiefbauten für Energiespeicher-und Umwandlungsanlagen haben den Vorteil des geringsten Flächenbedarfs. Sie gestatten die Installation von Anlagen mit nahezu abfallloser Wärmeverwendung. Absolut vorrangig ist die Nutzung von Überschussstrom für chemische Speicherung und bedarfsgerechte Rückumwandlung für Kurz-, Mittel- und Langzeitbedarf in Echtzeit.

Ein nahezu universelles Bespiel zur Realisierung dieser Möglichkeiten ist der massenhafte Einsatz von Metallhydridspeichern für Wasserstoff in Verbindung mit Brennstoffzellenkraftwerken aus der U-Boot-Technik.

Um mögliche Versorgungslücken für Strom, chemische Industrie und Treibstoffe bis zur vollständigen Umstellung auf Erneuerbar Energien abzusichern, muss auf die Herstellung von Synthesegas aus Braunkohle zurückgegriffen werden. Die damit verbundene Kohlenstoffchemie ist Grundlage für industrielle Technologien zur Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre, um vom Klimawandel verursachte Schäden einzugrenzen.

Dieter Brendahl