Rezension von Marko Ferst
Götz Brandt liest in seinem Buch den Parteien die Leviten, fordert grüne Wirtschaftspolitik
Seit annähernd einem Jahrzehnt prägt Götz Brandt als einer der strategischen Köpfe die Ökologische Plattform bei der LINKEN. 1975 wurde er als Professor für landwirtschaftlichen Anlagenbau abberufen wegen „nicht systemkonformen Verhaltens“ und „kritischer Einstellung zum Hoch- und Fachschulwesen der DDR“. Nach der Wende rehabilitiert, nimmt er auch heute kein Blatt vor den Mund. Von der eigenen Parteiführung fordert er die ökologischen Herausforderungen ins Zentrum ihrer Politik zu rücken.
Jetzt erschienen in Buchform viele seiner Beiträge, in denen er Leitlinien für eine ökologische Linke skizziert. Zugleich setzt sich der Autor mit vielen ökologischen Politikfeldern auseinander. Er zeichnet die umfangreichen Befunde ökologischer Technikkritik nach, nimmt zu den Gefahren von Klimaumbrüchen Stellung und zeigt auf, dass die Grenzen des Wachstums längst überrannt sind. Wer diese Zivilisation nicht der Selbstzerstörung preisgeben will, muss in den Industriestaaten 90-95% seiner Treibhausgase einsparen. Das wird nicht ausschließlich über Material- und Energieeffizienz zu erreichen sein, sondern muss auch Schrumpfungsprozesse der industriellen Infrastruktur einschließen. Dies so deutlich zu sagen, ist ein Verdienst Brandts und er beklagt, alle Parteien, auch die Grünen, seien so sehr mit dem Abholen von Wählern beschäftigt, dass unbequeme Wahrheiten nur stören.
Vor diesem Hintergrund wird man nicht umhin können, Alternativen zu einem finanzkapitalistisch geprägten System zu suchen, Optionen, die unterm Strich dafür sorgen, dass der Planet nicht bis zum letzten förderbaren Öltropfen abgezapft wird oder die Ozeane nicht bis zum Zusammenbruch ganzer Fischpopulationen ausgeräumt werden. Ein Wirtschaftssystem, das auf Nimmersatt gepolt und zu gesetzlich fixierter Selbstbegrenzung nur marginal fähig ist, wird diese Zivilisation geradezu hinrichten, da ist Brandt zuzustimmen.
Bei den Alternativen freilich dürfte es vermutlich nicht ausreichen eine treuhänderische Verwaltung des Eigentums mit ökologischem Ansatz zu versuchen, selbst wenn man umfassende Wirtschaftsdemokratie hinzudenkt. Eine Kombination von gesellschaftlichem und Belegschaftseigentum bei klaren Regeln der Reichtumsbegrenzung könnte immerhin von der Richtung her – Aspekte von Motivation, Innovation und Gier im Wirtschaftsleben austarieren im Rahmen einer ökologischen Begrenzungsordnung.
Hinzu kommt, wir müssten auf eine „mittlere“ Technik mit Menschenmaß setzen, die zu einer dezentralisierteren Gesellschaft mit hochentwickeltem naturwissenschaftlichem Können passt. Zu sehr, so erinnert Brandt, sind die Segnungen der modernen Megamaschine zu einem religiösen Fortschrittsglauben verklärt worden, ohne die totalitären Tendenzen dieser Art von Organisation technischer Infrastruktur zu bedenken. Die Technikfolgenabschätzung kommt immer zu spät, wie aktuell bei der Nanotechnologie oder der Agrogentechnik zu besichtigen ist.
Götz Brandt ist immer für eine Überraschung gut. So analysiert er in einem Vortrag die Naturfrage bei Marx, in einem anderen fragt er, wie die Linke den Katechismus der katholischen Kirche bewerten kann oder er nimmt die Aussagen in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums auseinander.
Götz Brandt: Ökologische Umbrüche und Technik. Leitlinien für eine ökologische Linke
Edition Zeitsprung 2011, 300 Seiten, 15,90 €
Oktober 2011