Windkraftanlagen in neuem Design

Obwohl Windkraftanlagen an günstigen Standorten sehr preiswert Elektroenergie erzeugen können, ist der Trend zu immer größeren Anlagen vor allem wirtschaftlich begründet: Je größer die angeströmte Fläche ist, von der die Energie „geerntet“ wird, desto ist der Ertrag. Außerdem nimmt die erzielbare Leistung mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit zu. Da Bebauung und Vegetation Turbulenzen erzeugen und die Windgeschwindigkeit verringern geht die Tendenz für Windkraftanlagen vor allem an Land zu immer größeren Nabenhöhen und Rotordurchmessern. Ein Problem ist dabei, dass Gewicht und Kosten der Anlagen mit der dritten Potenz des Rotordurchmessers wachsen, die Energieerzeugung aber nur mit seinem Quadrat.1 Es gibt also für die weitere Vergrößerung der Anlagen einen Grenznutzen.

Auf See spielt die Bodenrauigkeit eine untergeordnete Rolle, daraus ergeben sich neue Konstruktionsmöglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist des Konzept „Windcatcher“ des 2017 gegründeten norwegischen Unternehmens „Wind Catching Systems AS“2. Ziel war es, die Offshore-Windtechnologie radikal zu verbessern und ein System aufzubauen, das wettbewerbsfähig genug ist, um ohne Subventionen zu funktionieren.

Die Gründer wollten die Möglichkeit prüfen, schwimmende Offshore-Windenergie mit einem völlig neuen Konzept zu erzeugen und die Stromerzeugung aus einem konzentrierten Gebiet zu maximieren. Es wurde schnell klar, dass eine Vielzahl kleiner Turbinen ein viel besseres Ergebnis pro Fläche lieferte als eine große Turbine. Wartungsfreundlichkeit, Langlebigkeit3 und Einfachheit waren die Leitprinzipien. Die Montage sollte keine Spezialschiffe oder Kräne erfordern. Die Lösung dieser Probleme sehen die Norweger im Multirotorkonzept4 – wobei allerdings der norwegische Ansatz in der Zahl der Turbinen deutlich über die bisherigen hinausgeht.

Bildmontage eines Windcatcher mit Eiffelturm, Kreuzfahtschiff, Frachter, Freiheitsstaue und Verkehrsflugzeugen Zum gegenwärtigen Stand erklärte Ole Heggheim, CEO von Wind Catching Systems:

„Wind Catching wird schwimmende Offshore-Windkraftanlagen bereits 2022-2023 wettbewerbsfähig machen, also mindestens zehn Jahre früher als konventionelle schwimmende Offshore-Windparks. In Zusammenarbeit mit unserem Hauptauftragnehmer Aibel werden wir diese bahnbrechende Technologie kommerzialisieren, die die Effizienz schwimmender Windparks drastisch erhöht und die Flächennutzung um 80 % reduziert. Unser Ziel ist es, Offshore-Windkraftbetreibern und -entwicklern zu ermöglichen, Strom zu einem Preis zu produzieren, der mit anderen Energiequellen konkurriert, ohne Subventionen. Einfach ausgedrückt, werden wir schwimmende Offshore-Windenergie auf Kosten von am Boden fixierten Technologielösungen liefern, was der norwegischen Zulieferindustrie auf globaler Ebene große Chancen bietet.“

Verankerungen von Offshore-Windkraftanlagen
übliche Verankerungen von Offshore-Windkraftanlagen

Dazu werden über 100 1 MW Turbinen in ein etwa 320 Meter hohes Gerüst auf einer schwimmenden Plattform montiert. Die Plattform wird am Meeresgrund verankert. Das vermeidet feste Fundamente, die Offshore-Windanlagen benötigen, die im Meeresboden – hauptsächlich in Form von Stahlmonopiles – fixiert sind. Die massive Verankerung der stationären Anlagen5 führt zu einer starken für Meeressäuger und Fische schädlichen Lärmbelästigung.

Die Windcatcher-Konstruktion hat mit ca. 90.000 m2 eine mehr als doppelt so große angeströmte Fläche, wie die zur Zeit größten Offshore-Windktaftanlagen6 mit 220m Rotordurchmesser, die bis 15MW erzeugen. Die verwendeten kleineren Rotoren7 haben einen weiteren Vorteil: Sie können auch noch bei höheren Windgeschwindigkeiten betrieben werden, bei denen die größeren bereits abgeregelt werden müssen8. Und schließlich soll der Windcatcher den Multirotor-Effekt9 nutzen und insgesamt pro überstrichener Fläche 2,5-mal mehr Energie pro Jahr als eine konventionelle Turbine erzeugen.

Das reicht für 80.000 durchschnittliche Haushalte.


  1. siehe „Multirotor mit 40 Rotoren und 20 Megawatt“; https://www.erneuerbareenergien.de/technik/windtechnik/forschung-multirotor-mit-40-rotoren-und-20-megawatt 

  2. https://windcatching.com/ 

  3. Auslegungslebensdauer 50 Jahre 

  4. siehe „Die Zukunft der Windkraft liegt im Multirotor“, https://www.erneuerbareenergien.de/technik/techniktrends/studie-nennt-vorteile-die-zukunft-der-windkraft-liegt-im-multirotor 

  5. Text in kursiver Schrift ergänzt am 30.7. 

  6. siehe „Concrete Support Structures for Offshore Wind Turbines: Current Status, Challenges, and Future Trends“ – https://www.mdpi.com/1996-1073/14/7/1995/htm 

  7. ca. 58m Durchmesser 

  8. Windgeschwindigkeiten über 11-12 m/s 

  9. siehe „Multi-rotor wind turbine wakes“ – https://www.researchgate.net/publication/334491608_Multi-rotor_wind_turbine_wakes 

2 Gedanken zu „Windkraftanlagen in neuem Design“

  1. “ Die Verankerung führt zu einer starken für Meeressäuger und Fische schädlichen Lärmbelästigung.“ Ist der Satz wirklich so gemeint oder nur ein Übersetzungsfehler? Zwei Sätze zuvor heißt es, die schwimmende Plattform wird am Meeresgrund verankert. Wenn dadurch eine stärkere Lärmbelästigung als durch die festen Fundamente der bisherigen WEAs entsteht, sehe ich ein großes Problem.

    • Für stationäre WKA ist eine wesentlich massivere Verankerung nötig als für schwimmende. Vor allem der Einbau der Stahlpfeiler (piles) verursacht Unterwasserlärm.

Kommentare sind geschlossen.