Erderhitzung: bis zu 18% Einbruch der Weltwirtschaft

Eine Stresstest-Analyse des Swiss Re Institute1

Der Klimawandel stellt die größte langfristige Bedrohung für die Weltwirtschaft dar. Wenn keine mildernden Maßnahmen ergriffen werden, könnten die globalen Temperaturen um mehr als 3°C steigen und die Weltwirtschaft könnte in den nächsten 30 Jahren um 18% schrumpfen. Die Auswirkungen können jedoch verringert werden, wenn entschlossene Maßnahmen ergriffen werden, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wie der Climate Economics Index des Swiss Re Institute zeigt. Dies erfordert mehr als das, was heute zugesagt wird. Der öffentliche und der private Sektor werden eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung des Übergangs zu Netto-Null spielen.

Erwartete Auswirkungen auf das globale BIP bis 2050 unter verschiedenen Szenarien im Vergleich zu einer Welt ohne Klimawandel:

  • -18 %, wenn keine Maßnahmen zur Minderung ergriffen werden (3,2 °C Anstieg);
  • -14 %, wenn einige mildernde Maßnahmen ergriffen werden (Anstieg um 2,6 °C);
  • -11 %, wenn weitere Maßnahmen zur Abschwächung ergriffen werden (2 °C Anstieg);
  • -4%, wenn die Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden (unter 2 °C Anstieg)

Das Swiss Re Institute hat einen Stresstest durchgeführt, um zu untersuchen, wie 48 Volkswirtschaften von den anhaltenden Auswirkungen des Klimawandels unter vier verschiedenen Temperaturanstiegsszenarien betroffen wären. Da die globale Erwärmung die Auswirkungen wetterbedingter Naturkatastrophen verschärft, kann dies im Laufe der Zeit zu erheblichen Einkommens- und Produktivitätsverlusten führen. Steigende Meeresspiegel führen zum Beispiel zu Landverlusten, die sonst produktiv genutzt werden könnten, und Hitzestress kann zu Ernteausfällen führen. Schwellenländer in äquatorialen Regionen wären am stärksten von steigenden Temperaturen betroffen.

Große Volkswirtschaften könnten in 30 Jahren etwa 10 % des BIP verlieren

In einem Szenario eines Temperaturanstiegs von 3,2 °C wird China bis Mitte des Jahrhunderts fast ein Viertel seines BIP (24 %) verlieren. Die USA, Kanada und Großbritannien würden alle einen Verlust von etwa 10 % verzeichnen. Europa würde etwas stärker leiden (11%), während Volkswirtschaften wie Finnland oder die Schweiz weniger betroffen sind (6%), als beispielsweise Frankreich oder Griechenland (13%).

Thierry Léger, Group Chief Underwriting Officer und Chairman des Swiss Re Institute, sagte:

„Klimarisiken betreffen jede Gesellschaft, jedes Unternehmen und jeden Einzelnen. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf fast 10 Milliarden Menschen anwachsen, insbesondere in den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen. Wir müssen also jetzt handeln, um die Risiken zu mindern und Netto-Null-Ziele zu erreichen. Ebenso bieten Natur und Ökosystemleistungen, wie unser jüngster Biodiversitätsindex zeigt, enorme wirtschaftliche Vorteile, sind aber stark bedroht. Aus diesem Grund sind Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt zwei Herausforderungen, die wir als globale Gemeinschaft angehen müssen, um eine gesunde Wirtschaft und eine nachhaltige Zukunft zu erhalten.“

Der Climate Economics Index bewertet die Widerstandsfähigkeit der Länder gegenüber dem Klimawandel

Neben der Bewertung der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen jedes Landes durch Klimarisiken bewertete das Swiss Re Institute jedes Land auch nach seiner Anfälligkeit gegenüber extremen trockenen und nassen Wetterbedingungen. Darüber hinaus wurde die Fähigkeit des Landes untersucht, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Zusammengenommen ergeben diese Ergebnisse ein Ranking der Widerstandsfähigkeit der Länder gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.

Das Ranking zeigt eine ähnliche Sichtweise wie die BIP-Auswirkungsanalyse: Die am stärksten betroffenen Länder sind oft diejenigen mit den wenigsten Ressourcen, um sich an die Auswirkungen steigender globaler Temperaturen anzupassen und diese abzumildern. Die in diesem Zusammenhang am stärksten gefährdeten Länder sind Malaysia, Thailand, Indien, die Philippinen und Indonesien. Fortgeschrittene Volkswirtschaften auf der Nordhalbkugel sind am wenigsten anfällig, darunter die USA, Kanada, die Schweiz und Deutschland.

Öffentlicher und privater Sektor spielen eine entscheidende Rolle bei der Beschleunigung des Klimaschutzes

Angesichts der in der Analyse des Swiss Re Institute aufgezeigten Konsequenzen ist der Handlungsbedarf unbestritten. Koordinierte Maßnahmen der größten CO2-Emittenten der Welt sind entscheidend, um die Klimaziele zu erreichen. Der öffentliche und der private Sektor können den Übergang erleichtern und beschleunigen, insbesondere im Hinblick auf nachhaltige Infrastrukturinvestitionen, die unerlässlich sind, um unter einem Temperaturanstieg von 2 °C zu bleiben. Auch institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen sind aufgrund des langfristigen Horizonts ihrer Verbindlichkeiten und ihres langfristigen Kapitals ideal positioniert, um eine starke Rolle zu spielen.

Jérôme Haegeli, Group Chief Economist von Swiss Re, sagte:

„Der Klimawandel ist ein systemisches Risiko und kann nur global angegangen werden. Bisher wird zu wenig getan. Transparenz und Offenlegung der eingebetteten Netto-Null-Bemühungen von Regierungen und dem Privatsektor sind gleichermaßen von entscheidender Bedeutung. Nur wenn öffentlicher und privater Sektor an einem Strang ziehen, wird der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft möglich sein. Eine globale Zusammenarbeit zur Erleichterung der Finanzströme in gefährdete Volkswirtschaften ist von wesentlicher Bedeutung. Wir haben jetzt die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren und eine grünere, nachhaltigere und widerstandsfähigere Welt zu schaffen.

Unsere Analyse zeigt den Vorteil einer Investition in eine Netto-Null-Wirtschaft. Zum Beispiel würde eine Erhöhung der jährlichen globalen Infrastrukturinvestitionen von 6,3 Billionen US-Dollar um nur 10 % den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf unter 2 °C begrenzen. Das ist nur ein Bruchteil des weltweiten BIP-Verlusts, den wir haben, wenn wir keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen.“

Die Eindämmung des Klimawandels erfordert ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Es sind mehr CO2-Bepreisungspolitik in Verbindung mit Anreizen für naturbasierte und CO2-Kompensationslösungen sowie eine internationale Konvergenz bei der Taxonomie für grüne und nachhaltige Investitionen erforderlich. Im Rahmen der Finanzberichterstattung sollten Institute regelmäßig offenlegen, wie sie das Pariser Abkommen und die Netto-Null-Emissionsziele erreichen wollen. Rück-/Versicherer spielen auch eine Rolle bei der Bereitstellung von Risikotransferkapazität, Risikowissen und langfristigen Investitionen, indem sie ihr Risikoverständnis nutzen, um Haushalte, Unternehmen und Gesellschaften bei der Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Klima-Ökonomie-Index: Mitte des Jahrhunderts

Der Climate Economics Index untersucht, welche Volkswirtschaften am stärksten betroffen, am stärksten exponiert und am besten positioniert wären, um sich an das Klimarisiko anzupassen. Es ordnet die Länder nach folgenden Kriterien ein: Erwartete wirtschaftliche Auswirkungen von „chronischen“ Klimarisiken im Zusammenhang mit allmählichen Temperaturanstiegen; das Ausmaß, in dem es anfällig für extreme Wetterereignisse und schwere heiße/nasse Bedingungen ist; und die aktuelle Anpassungsfähigkeit eines Landes.


  1. Die Analyse des Swiss Re Institute untersucht sogenannte „Impact Channels“ wie den Effekt steigender Temperaturen auf die Produktivität und berücksichtigt auch die Unsicherheiten in Bezug auf die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels unter verschiedenen Szenarien des globalen Temperaturanstiegs und mit unterschiedlichen Schweregraden. Zu diesen Unsicherheiten zählen zusätzliche und in der Regel ausgelassene Wirkungskanäle, wie potenzielle Unterbrechungen der Lieferketten und des Handels aufgrund des Klimawandels, sowie entsprechende wirtschaftliche Empfindlichkeiten. 

2 Gedanken zu „Erderhitzung: bis zu 18% Einbruch der Weltwirtschaft“

  1. USA und Europa minus 10%, weltweit minus 18%, aha, d.h. die anderen leiden mehr (China minus 24%). Das wird die zynische Argumentation beflügeln, die der Sachverständigenrat 2019 erarbeitete: „In der Klimapolitik muss eine Balance zwischen dem durch sie zu erreichenden Nutzen und den mit ihr verbundenen Kosten gefunden werden“ Diese Balance sieht er bei ungefähr 3 °C Erwärmung.
    Angesichts des unterschiedlichen Betroffenheitsgrades sollten doch die anderen, z.B. Afrika, viel mehr Interesse an Klimaschutz haben. Deshalb rät der SVR der deutschen Politik dringend davon ab, eine „strategisch vermutlich unkluge Vorreiterrolle“ anzustreben. Eine Vorreiterrolle unsererseits beim Klimaschutz führe nur dazu, dass die anderen, armen Länder ein „Trittbrettfahrerverhalten“ zeigten, was die schlimmste marktwirtschaftliche Sünde überhaupt ist: Diese Länder erhalten etwas, wofür sie gar nicht bezahlen!

    Ich fürchte, dass solche Argumentation künftig immer stärker hervor tritt, je schwieriger und teurer Klimaschutz wird.

    https://www.isw-muenchen.de/2019/09/markttheorie-wie-rechtfertige-und-verstaerke-ich-die-sintflut-neben-uns/
    SVR-Sondergutachten 2019: Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik

  2. Die Warnungen sind nicht neu:
    In den Global Risk Reports des Weltwirtschaftsforums rangieren Extremwetter, Naturkatastrophen und falsches Reagieren auf den Klimawandel seit 2018 unter den Top Five der wahrscheinlichsten Risiken. Falsches Reagieren auf den Klimawandel ist seit 2019 sogar an erster oder zweiter Stelle in Bezug auf die Schwere der Auswirkungen und hat diesbezüglich 2021 selbst Massenvernichtungswaffen auf den dritten Platz verdrängt (siehe https://www.oekologische-plattform.de/wp-content/uploads/2021/07/WEF_The_Global_Risks_Report_2021_Page_14.pdf).

    Allerdings dürfen diese WEF-Global-Risk-Reports auch nicht überbewertet werden, denn sie zeigen

    • wie aktuelle Erscheinungen (z.B. die Corona-Pandemie) Einfluss haben auf die Bewertungen, die somit weniger eine strategische Analyse repräsentieren als ein Sammelsurium von Eindrücken und
    • dass die Staaten nicht in der Lage sind, die notwendigen Schlussfolgerungen aus den Reports zu ziehen und vor allem entsprechend zu handeln.

    Oder, wie Christian Siefkes meint:

    Das Versagen dürfte darin begründet liegen, dass der ideelle Gesamtkapitalist, trotz dieser Bezeichnung, natürlich keine Idealfigur ist, die beliebig weit in die Zukunft blickt und der die „allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise“ in 30, 60 oder 100 Jahren genauso wichtig sind wie die heutigen. Stattdessen wird Politik von Politiker:innen gemacht, und der Zeithorizont in der Politik ist (ähnlich wie in kapitalistischen Unternehmen) extrem kurz: Er reicht in erster Linie bis zur nächsten Wiederwahl. Diese muss gesichert werden, danach kann man weitersehen. […]
    Das heißt nicht, dass Politiker:innen die Zukunft egal ist: Sie würden schon gerne das Richtige tun (viele von ihnen zumindest), aber es gibt immer Dinge, die kurzfristig wichtiger sind und deshalb vorgehen. […]
    Auch deshalb versagt der „ideelle Gesamtkapitalist“ an dieser Stelle, wo es mehr als an jeder anderen darauf ankäme, die Bedingungen aufrechtzuerhalten, unter denen sich nicht nur die kapitalistische Gesellschaft, sondern die menschliche Zivilisation insgesamt hat entwickeln und entfalten können. Das Versagen ist total, Beobachter:innen wie Greta Thunberg, Hans Joachim Schellnhuber (2015), Annette Schlemm und ich bleiben fassungslos zurück. […]
    Wahrscheinlich werden manche der Verantwortlichen, ob Manager:innen oder Politiker:innen, noch wegen Verbrechen gegen die Menschheit und die Erde angeklagt und verurteilt werden. Passiert das nicht mehr zu ihren Lebzeiten, wird zumindest die Nachwelt sie verdammen. Beides völlig zu Recht.
    („Warum versagt der ‚ideelle Gesamtkapitalist‘?“ – https://keimform.de/2021/warum-versagt-der-ideelle-gesamtkapitalist/)

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