Nachhaltige Ressourcennutzung durch Agroforstwirtschaft

Bundestagsrede vom 10.11.2006 zu einem Antrag der Fraktion „Bündnis ´90 / Die Grünen“

Kirsten Tackmann

Wir sprechen heute über ein Thema, das eigentlich uralt und sehr traditionell ist, aber in Deutschland mittlerweile weitgehend unbekannt. Hudewälder, extensive Streuobstwiesen und ausgedehnte Hecken sind historische Agroforstsysteme, die bewusst die Nutzung von Bäumen und Sträuchern und der landwirtschaftlichen Fläche miteinander verbinden. Die heute bei uns bestehende deutliche Trennung von Landwirtschaft auf der einen Seite und Forstwirtschaft auf der anderen gab es nicht immer und es gibt sie auch heute nicht überall.
Die Agroforstwirtschaft spielt in der aktuellen Entwicklungszusammenarbeit eine viel größere Rolle als bei uns. Das, was für landwirtschaftliche Probleme in anderen Ländern eine Lösung sein kann, kann doch auch für uns interessant sein und neue Chancen und Möglichkeiten erschließen. Also: es lohnt sich, genauer hinzusehen!
Die positiven Effekte der Agroforstwirtschaft sind im Antrag der Grünen hinreichend beschrieben. Wind- und Erosionsschutz, Förderung von Nützlingen durch zusätzliches Lebensraumangebot, Kohlendioxidsenken, Verbesserung des Mikroklimas und Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion. Alles Effekte, die wir im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten und mit der Stabilisierung der biologischen Vielfalt in Wald und Flur bewirken wollen.
Trotzdem werden in diesem Hause sicherlich einige Abneigungen bestehen. Oft gilt der am Feldrand stehende Baum immer noch eher als Hindernis. Mühevoll mussten zum Beispiel Ackerrandstreifen und die Anlage von Hecken oder Feldgehölzen finanziell gefördert werden. Freiwillig passierte da fast so gut wie nichts! Moderne Konzepte der Agroforstwirtschaft widersprechen nicht den heute geläufigen Techniken und Verfahren der landwirtschaftlichen Produktion, egal ob modern konventionell oder ökologisch produziert wird. Trotzdem stoßen diese Ideen und Konzepte bislang nur auf wenig Gegenliebe, da sie weder in aktuelle Förderkulissen passen noch ausreichend Kenntnisse und Erfahrungen verbreitet sind, die agro – forstwirtschaftliche Verfahren von sich aus in die Praxis bringen würden.
Dabei liegen durchaus schon aktuelle Erfahrungen mit moderner an hiesige Verhältnisse angepasster Agroforstwirtschaft vor. Die Erträge der jeweils angebauten landwirtschaftlichen Kulturen sind ähnlich, teilweise sogar höher als bei herkömmlicher Produktion. Vor allem die Wintergerste kann sehr gut in Agroforstsystemen angebaut werden. In einer Studie der Universität Leeds konnten sogar höhere Erträge nachgewiesen werden. Dazu kommt noch die Nutzungsmöglichkeit der Bäume: Energie- oder Wertholz, Früchte oder Nüsse.
Es gibt eine ganze Reihe interessanter Projekte und Erfahrungen. So kann offensichtlich der Schafbesatz auf einer Agroforstfläche im vergleich zu einer Wiese mehr als verdoppelt werden und trotzdem nachhaltig bleiben. Die Brandenburger Technische Universität in Cottbus hat positive Ergebnisse mit Kurzumtrieb oder Pappeln in Tagebaufolgelandschaften gemacht. Möglicherweise bieten Agroforstsysteme auch einen Lösungsansatz für die vieldiskutierte Flächenkonkurrenz.
Besonders interessant erscheinen die Konzepte im Hinblick auf eine nachhaltige und wirtschaftliche Nutzung von landwirtschaftlichen Grenzstandorten, die zunehmend – bei sinkender öffentlicher Förderung- ganz aus der Produktion fallen. Angesichts der wieder steigenden Nutzungsintensität durch Energieerzeugung aus Biomasse und den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen auf dem Acker ist schon jetzt der Flächenbedarf gestiegen. So weit zu möglichen Potenzialen. Wo stecken die Probleme?
Die Förderpolitik ist auf europäischer Ebene der Agroforstwirtschaft gegenüber offen – so zu finden in Artikel 44 in der EU- Verordnung zur Entwicklung der ländlichen Räume (ELER-Verordnung). Die deutsche Spezifizierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz gibt dagegen nicht viel her, hier muss nachgebessert werden! Des Weiteren muss das Waldgesetz geändert werden, sollen Agroforstsysteme eine Chance bekommen. Eine klare Abgrenzung von Wald- zu Agroforstflächen ist hier erforderlich. Die Definition, nach der auf einer Agroforstfläche mindestens 50% landwirtschaftliche Kulturen stehen müssen, damit sie nicht als Wald, sondern immer noch als Acker oder Grünland gelten, könnten z. B. übernommen werden.
Aber es bedarf auch zusätzlicher finanzieller Mittel, um die Forschung und Erprobung solcher Agroforstwirtschaftssysteme zu unterstützen. Zumindest eine Prüfung der Potentiale hat aus Sicht der aktuellen Diskussionen über eine sichere Versorgung aus ökologisch erzeugten, erneuerbaren Energiequellen eine neue Motivation gewonnen. Doch was nützt ein guter Vorschlag, wenn ihn niemand hört? Informationsveranstaltungen, Exkursionen und die Einrichtung einer Kommunikationsstelle würden dazu diesen, die Potentiale der Agroforstwirtschaft bekannt zu machen.
Auf einen Aspekt möchte ich zum Schluss noch kurz Ihre Aufmerksamkeit lenken. Auch beim Thema nachwachsende Rohstoffe in der Forstwirtschaft droht uns wieder eine Diskussion über die Agro – Gentechnik. Transgene Pappeln und Co. betrachtet DIE LINKE genauso kritisch wie andere genetisch manipulierte Kulturpflanzen. Es gibt andere Lösungen für unsere land- und forstwirtschaftlichen Probleme. Dieser Antrag ist ein gutes Beispiel dafür.