Das Moorschutzprogramm in Mecklenburg-Vorpommern

Auszug aus der Universitätsstudie zur Umweltpolitik in Mecklenburg-Vorpommern seit 1998

Mit dem Ende der Eiszeit vor 12.000 Jahren entstanden in den Küstengebieten Europas zahlreiche Moore. In den vergangenen 200 Jahren wurden viele dieser Feuchtgebiete trocken gelegt, so dass nur noch Reste davon erhalten sind. In diesem Ökosystem gibt es im Vergleich zu anderen heimischen Landschaften eine sehr hohe Biodiversität; viele Pflanzen und Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, finden hier ihr letztes Refugium. In lebenden, also noch wachsenden Mooren existieren über hundert seltene Pflanzenarten. Adler, Fischotter und andere gegenüber früheren Zeiten stark dezimierte Tierarten haben hier ihre Heimstatt.

Bereits im Dezember 1995 hatte der Landtag die Landesregierung beauftragt, ein wissenschaftliches Konzept zum Bestand und zur Entwicklung der Moore in Mecklenburg-Vorpommern vorzulegen. 12,6 Prozent des Bundeslandes sind von Mooren bedeckt. 90 Prozent der Moorflächen des Landes, das sind 267.000 Hektar, werden durch den Menschen genutzt. Von daher war es notwendig, die Erfordernisse und die Probleme von Naturschutz und Landwirtschaft kooperativ zu behandeln. Die Flächenangaben des Umweltministers weichen von der Aussage des eben herangezogenen Agrarberichts von 2001 ab: Von den ca. 290.000 Hektar Moorfläche werden 200.000 Hektar seit langem landwirtschaftlich genutzt, so der Minister.

37.000 Hektar landwirtschaftlicher Moorflächen bedürfen der künstlichen Entwässerung durch Schöpfwerke. Sie liegen an der Küste und sind durch Hochwasser überflutungsgefährdet, da ihre Oberfläche unter dem Ostseespiegel liegt. Die Kosten für die Entwässerung und den Hochwasserschutz übersteigen oft den betriebswirtschaftlichen Wert der Flächen um ein Vielfaches. Am 7.3.2000 verabschiedete das Kabinett ein umfassendes Moorschutzkonzept. 28 Renaturierungsprojekte auf knapp 4500 Hektar sind seitdem durch einen beim Umweltministerium installierten Beirat angeschoben worden. Für die Maßnahmen konnten bisher 9,5 Millionen Euro bereitgestellt werden, drei Viertel davon durch die EU. Bis 2006 stehen für das Moorschutzprogramm insgesamt 28 Mio Euro zur Verfügung. Ziel des Moorschutzprogramms ist es, in den nächsten 20 Jahren rund 75.000 Hektar der wertvollsten Moore zu sanieren. Auf der Jahrestagung der AG Grünland und Futterbau in Rostock am 29.8.2002 sprach Wolfgang Methling von 23 Renaturierungsprojekten auf inzwischen 5.000 Hektar Fläche.

Bereits bis 1998 wurden auf 12.000 Hektar Mooren wieder naturnähere Wasserverhältnisse geschaffen. Diese Renaturierungen waren zumeist durch EU-Life-Projekte finanziert worden. Daraus ergaben sich Probleme, insofern die Projekte zuerst geplant wurden, dann Geld floss, aber wenn die Eigentümer der Flächen nicht einverstanden waren, Schwierigkeiten in der Umsetzung auftraten. Beim neuen Moorschutzkonzept schaffte man eine freiwillige Teilnahme der Landwirtschaftsbetriebe als Anreiz. Die Ziele sind klarer ausgewiesen, es steht mehr Geld zur Verfügung, und es ist eine differenzierte Vorgehensweise möglich. Orientiert wird auf eine Aufgabe der genutzten Flächen.

Das Moorschutzprogramm wurde bereits in der Legislaturperiode vor 1998 erarbeitet, verblieb jedoch in der Schublade, die vorhergehende Landesregierung wollte das Programm nicht umsetzen. Auch in der rot-roten Konstellation war der Landwirtschaftsminister zunächst nicht begeistert vom Vorgehen seines Amtskollegen im Umweltministerium. Michael Succow verweist auf die riesigen CO2-Senken, die durch das Vernässen der Flächen und das neu beginnende Moorwachstum entstehen. Er sieht in dem Programm einen realpolitischen Ansatz, mehr Naturentwicklungsräume auszuweisen, mehr Wildnis zuzulassen.

Durch die Entwässerung der Moore für die landwirtschaftliche Nutzung erfolgt der Abbau der Torfbestandteile. Dabei werden Kohlenstoff und Stickstoff freigesetzt. Je nach Moorart muss mit jährlichen Höhenverlusten von 1 bis 1,7 Zentimetern gerechnet werden. Bei Ackernutzung oder tiefentwässertem Moorwald sind die jährlichen Höhenverluste mit 2-3 Zentimetern noch beträchtlicher.

Werden die Moore trockengelegt, führt der Abbau von organischer Bodensubstanz zu einer Freisetzung von Klimagasen, konkret von Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Bezogen auf alle Moorflächen ist damit eine jährliche Emission von 5 Millionen Tonnen Treibhausgas verbunden. Durch eine maximale Vernässung aller Moore könnte dieses Potential um 4 Millionen Tonnen reduziert werden. Der Moorschutz dient also nicht nur dem Arten- und Biotopenschutz, sondern auch dem Klimaschutz.

Ein Moorgebiet kann nach den in dieser Legislaturperiode gesetzlich fixierten Regeln dann renaturiert werden, wenn die Eigentümer oder Nutzer bereit sind, sich von diesen Flächen zurückzuziehen oder diese moorschonend zu nutzen. Anlass zum Handeln kann auch sein, wenn Moorgrünland ungenutzt bleibt. Signalisieren Wasser- und Bodenverbände, die Kosten für den Schöpfwerksbetrieb oder die Deichsanierung für die tieferliegenden Moorgebiete werden zu hoch, so führt dies ebenso zum Handeln des Landes. Ein mehrstufiges Beratungsverfahren wird in Gang gesetzt, um zu prüfen, ob das betroffene Gebiet sinnvoll renaturiert werden sollte. Schwer umsetzbare Projekte können dabei abgebrochen, einfach durchsetzbare Projekte beschleunigt werden. Inzwischen gehen mehr Anträge im Ministerium auf Teilnahme am Programm ein, als Geld zur Verfügung steht. Der Moorbeirat, der die Flächen auswählt, hat bereits die Qual der Wahl. So seien auch die Argumente der Skeptiker des Programms widerlegt, die dies nicht für möglich hielten.

Ende Februar 2002 fand eine Tagung mit etwa 100 Experten statt, um den bisherigen Stand beim Moorschutzprogramm auszuwerten. Streitpunkt war nach Auskunft des Umweltministers, ob bei der Wasserstandsanhebung Phosphat aus den Flächen ausgelöst wird und sich damit Nährstoffeinträge erhöhen. Komplexe Untersuchungen und Bewertungen werden vorgenommen, um dies genauer herauszufinden. Andere Wissenschaftler, wie u.a. Michael Succow, meinen, die Phosphate werden zwar ausgelöst, durch die Pflanzen aber aufgenommen und fließen deshalb nicht ab. Ein weiterer Diskussionspunkt war, es werden bei der Vernässung vermehrt die Treibhausgase Methan und Lachgas ausgestoßen. Dies gilt jedoch nur für die Phase der Umstellung, in der Fäulnisprozesse auftreten. Langfristig ist eine Reduzierung von Treibhausgasen abzusehen.

Marko Ferst
März 2004