Thesen zur Verkehrspolitik

der LAG Umwelt DIE LINKE. Landesverband Brandenburg

Verkehr verbraucht erhebliche Mengen an Energie und Landschaft. Er ist einer derwichtigsten Verursacher von Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Klimawandel und gesundheitlichen Belastungen vor allem in Städten. Der Flächenverbrauch und die damit verbundenen ökologischen Folgen (z. B. Rückgang der Flächen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion, Entzug von Lebensraum wildlebender Tier- und Pflanzenarten, Unterbrechung von Wanderkorridoren) werden neben der Siedlungsinanspruchnahme vor allem durch Bau und Unterhaltung von Verkehrsinfrastruktur hervorgerufen. Jede neue Straße versiegelt Fläche, welche damit anderen Nutzungen nicht mehr zur Verfügung steht. Insgesamt gehen täglich immer noch 120-130 Hektar Bodenfläche in Deutschland verloren.
Neben den ökologischen Auswirkungen des Verkehrs muss die soziale Komponente von Mobilität betrachtet werden. Immer mehr Menschen sind auf Grund eines unzureichenden Angebots von öffentlichem Verkehr oder persönlichen bzw. finanziellen Benachteiligungen von Mobilität ausgeschlossen. Das bedeutet gleichzeitig einen Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe wie Kultur, Bildung, Sport, Erwerbsarbeit oder sonstigen Aktivitäten.
Für die LAG Umwelt bedeutet der Anspruch an eine zukunftsfähige Verkehrspolitik für Brandenburg ökologische und soziale Belange gleichzeitig zu denken und entsprechend zu handeln. Wir wollen eine Verkehrswende für Brandenburg, die eine umweltgerechte Mobilität für alle sichert. Diese muss folgende Aspekte
berücksichtigen:

1. Die Vermeidung von Verkehr hat oberste Priorität. Das schließt vor allem städtebauliche Aspekte (Arbeiten, Leben und Wohnen in der Nähe) mit ein. Wirtschaftliche Ansiedlungen sind so zu gestalten, dass unnötige Transporte reduziert werden können.

2. Benötigte Transporte sollen möglichst ressourcen- und energiesparend durchgeführt werden. Das bezieht sich bei Gütertransporten vor allem auf Bahn und Schiff, welchem dem LKW-Transport vorzuziehen sind.

3. Der Mobilitätsbedarf von Menschen gehört zum Grundbedarf und muss zunehmend über öffentliche und abnehmend über individuelle Angebote gesichert werden. Dazu ist ein konsequenter Ausbau von SPNV und ÖPNV nötig. Diese sind barrierefrei, kurzgetaktet, aufeinander abgestimmt, flächendeckend und so günstig wie möglich zu gestalten. Für finanziell schlechter gestellte Menschen müssen sinnvoll gestaltete kostengünstige Angebote (wie zum Beispiel ein Mobilitäts- oder Sozialticket, Sozial-Bahncard) angeboten werden. Die Kürzung der Regionalisierungsmittel muss rückgängig gemacht werden.

4. Fernreisen sind durch eine attraktive Bahnpreispolitik auf der Schiene und nicht mit dem Flugzeug wahrzunehmen. Dazu können ein Fernverkehrsgesetz und eine reduzierte Mehrwertsteuer auf 7% auf Verkehrstarife außer für den Luftverkehr beitragen. Luftverkehr als besonders Klima schädigende Verkehrsart sollte keinerlei staatliche Unterstützung erhalten. Die Steuererbefreiung für Flugbenzin ist nicht mehr zeitgemäß. Eine EU-weite Kerosinbesteuerung sowie eine Flugticketabgabe sind anzustreben. Den Neu- und Ausbau von so genannten Regionalflughäfen lehnen wir ab. Der Flugverkehr des BBI Schönefeld ist so zu gestalten, dass Nachtflüge vermieden werden können.

5. Für gering besiedelte ländliche Gebiete, in denen ein attraktives ÖPNVAngebot (nicht mehr oder noch nicht) existiert, müssen alternative Angebote wie Anrufbusse oder Sammeltaxis (vor allem für die Abendstunden) entwickelt werden.

6. Die Verkehrsinfrastruktur ist nach ökologischen und volkswirtschaftlichen Kriterien zu gestalten. Der Rückbau des Schienennetzes, insbesondere der Abbau von Anschlussgleisen, muss aufgehalten werden. Die Vergabe von Bahnangeboten sollte daher nicht primär nach den wirtschaftlichsten, sondern vor allem nach den gesamt-gesellschaftlich sinnvollen Kriterien (soziale und ökologische Standards) erfolgen. Die Privatisierung der Bahn lehnen wir ab. Bahnhöfe sind barrierefrei zu gestalten. Das schließt eine personelle Betreuung mit ein, da es viele (vor allem ältere Menschen gibt), welche einen Menschen am Schalter immer noch einem (Bahn-)Automaten vorziehen. Alle Bahnhöfe sind mit einem transparenten Informationssystem auszustatten.

7. Binnenwasserstraßen sind in ihrer Funktionstüchtigkeit zu erhalten. Ihr Ausbau ist weder ökologisch verträglich noch volkswirtschaftlich sinnvoll. Die Binnenschifffahrt muss sich an den Potentialen der Flüsse orientieren – nicht umgekehrt. Der Ausbau von Flüssen wie Elbe, Havel und Oder für größere Binnenschiffe würde unweigerlich zur weitgehenden Zerstörung verhältnismäßig intakter Flussökosysteme führen. Wassertourismus und Naherholung müssen naturverträglich sein.

8. Der Erhalt bestehender Straßen hat grundsätzlich Vorrang vor Neubau. Im Einzelfall kann dem Neubau bzw. der Erweiterung zugestimmt werden, wenn dadurch Verkehrsströme gebündelt, Unfallschwerpunkte beseitigt und sensible Bereiche vom Verkehr entlastet werden. Der Neubau von viel befahrenen Straßen muss dann jedoch unbedingt mit arterhaltenden Maßnahmen wie Grünbrücken und Amphibientunneln begleitet werden. Der Bau von so genannten Umgehungs- oder Entlastungsstraßen ist kritisch unter den oben genannten Kriterien zu prüfen.

Berlin, den 9. Juni 2009