Wie viele Braunkohletagebaue in der Lausitz brauchen wir?

Damian Arikas

Der Braunkohletagebau steht immer wieder in der Diskussion. Befürworter behaupten gerne, dass es sich bei den Gegnern des Tagebaus um eine Handvoll Ökos handelt, die ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze argumentiert und kein realistisches Energiekonzept hat. Warum das Gegenteil der Fall ist und warum alle Brandenburger das vom 10.10.08 bis 09.02.09 laufende Volksbegehren gegen neue Tagebaue unterstützen sollten, wollen wir anhand einiger Fakten klären.
Der Braunkohletagebau hat eine lange Tradition in Brandenburg. Zu DDR Zeiten arbeiteten ca. 75.000 Menschen im Tagebau. Nach der Wende wurde der Kohleabbau von der schwedischen Firma Vattenfall Europe Mining weiterbetrieben. Heute sind bei Vattenfall noch ca. 4190 direkt Beschäftigte (Prognos, Oktober 08) im Braunkohlebereich tätig.
Unter den zur Verfügung stehenden fossilen Energieträgern ist die Braunkohle am energieärmsten und setzt die größten Mengen an CO2-frei (950 g CO2/KWh). Sie gilt daher als extrem klimaschädlich. Die Tatsache, dass internationale Klimaziele mit der Braunkohle nicht einzuhalten sind ist bekannt, auch bei den Energiekonzernen wird an dem Problem der CO2-Emission seit langem gearbeitet. Die Antwort der Industrie heißt CCS, eine Technologie mit der ein großer Teil des CO2 im Verbrennungsprozess isoliert und in flüssiger Form in unterirdischen Endlagern gespeichert werden soll.
In dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung zur „CO2-Abscheidung und Lagerung bei Kraftwerken“ vom Juli 2008 wird dem Oxyfuel-Verfahren ein „hoher Energieverbrauch“ bescheinigt. Darüber hinaus sei allen CCS-Verfahren gemein, „einen zusätzlichen Brennstoffbedarf von bis zu 40% zur Folge“ zu haben. Das heißt, um die gleiche Menge Strom zu produzieren, müsste die Braunkohleförderung um 40% erhöht werden. Ob die Serienreife dieser Technologie jemals erreicht wird hängt zudem von Forschungsergebnissen in zehn bis fünfzehn Jahren ab. Auch der Transport und die Endlagerung des flüssigen CO2 sind ein ungelöstes Problem. Experten wie Prof. Dr. Rolf Kreibich vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin bezweifeln das es möglich sein wird, für die anfallenden Mengen CO2 in Deutschland ausreichende Endlager zu finden. Mit massivem Widerstand in Politik und Zivilbevölkerung ist dabei ebenfalls zu rechnen. Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sagte am 29.10.08 im RBB, sein Land „sei nicht bereit, verflüssigtes Kohlendioxid aus Brandenburg in großen Mengen unterirdisch zu lagern“. Ob das Gas über einen längeren Zeitraum aber auch wirklich unter der Erde bleibt ist bisher noch nicht wissenschaftlich bewiesen. Diese Unwägbarkeiten und ihre Folgen werden von Vattenfall jedoch stets verschwiegen oder heruntergespielt. Für den Fall das die CCS-Technik nicht zum Einsatz kommen kann sagte der Konzerchef Lars Göran Joseffson am 12.04.07 in der Zeit: „dann haben wir ein echtes Problem. Dann müssen wir die Dämme höher bauen“.
Eine weitere Hürde für die Braunkohleindustrie ist die neue Auflage des Emissionshandelsgesetzes, das auf europäischer Ebene im Jahr 2013 eingeführt wird. Die EU beabsichtigt die Zertifikate für CO2-Emissionen stark zu verteuern um globale Klimaschutzabkommen einhalten zu können. Daher ist es absehbar, dass der Handel mit den CO2-Zertifikaten den Braunkohlestrom unwirtschaftlich macht. Ob die CCS-Technik daran etwas ändern kann, falls sie jemals die Serienreife erlangt, ist schon deshalb fraglich, weil sie große Kosten für neue Kraftwerke, höhere Brennstoffmengen sowie den Transport und die Endlagerung des CO2 verursachen würde. Diese Unsicherheiten lassen den langfristigen Bestand der Arbeitsplätze in der Lausitzer Braunkohlewirtschaft in einem anderen Licht erscheinen.
Für den Tagebau werden große Mengen Wasser benötigt. Derzeit pumpt der aktive Braunkohlebergbau in der Lausitz mit 230 Mio. Kubikmetern pro Jahr mehr Grundwasser ab als alle anderen Nutzer zusammen (160 Mio.). Im ohnehin niederschlagsarmen Brandenburg ist die Höhe des Grundwasserspiegels aber entscheidend für die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft. Experten wie Heiko Sonntag vom Regierungspräsidium Dresden kritisieren als Folge des Bergbaus auch eine Versalzung der Flüsse mit Sulfat. Dies hat besonders für die Trinkwassergewinnung Berlins und Brandenburgs große Auswirkungen. Die Überschreitung des zulässigen Grenzwertes von 240 mg Sulfat pro Liter ist schon heute problematisch, eine technische Lösung zur industriellen Reinigung des Wassers gibt es bisher nicht.
Der Abbau von Braunkohle erfordert gewaltige Eingriffe in die Landschaft. Für die Gewinnung einer Tonne Kohle müssen bis zu 11 Tonnen Erdreich abgebaggert werden. Menschen in den betroffenen Regionen müssen umgesiedelt werden, Dörfer verschwinden von der Landkarte (in der Lausitz wurden seit 1922 136 Dörfer umgesiedelt, 54 weitere Siedlungen stehen auf den wirtschaftlich gewinnbaren Reserven). Abgesehen von der Zerstörung von Naturschutzgebieten, gewachsenen Landschaften und Kulturräumen gibt es bis heute keine Untersuchung darüber, wie viele Arbeitsplätze in Land- und Forstwirtschaft, produzierendem Gewerbe und Tourismus durch das Abbaggern vernichtet werden.
Die bestehenden Abbaugebiete würden aber nach Berechnungen des BUND auch ohne neue Tagebaue bis zum Jahr 2040 ausreichen. Aus diesem Grund vertreten die Initiatoren des Volksbegehrens „Gegen neue Tagebaue“ die Auffassung, dass neue Abbaugebiete weder wirtschaftlich noch umweltpolitisch sinnvoll seien. Es reiche völlig aus, die bestehenden Gebiete bis zum Ende abzubauen. Dies wäre ohne die Gefährdung von heutigen Arbeitsplätzen möglich. „Aufgabe von Politik und Energiewirtschaft ist es, in die Zukunft zu denken und in den nächsten 32 Jahren bis zum Ende der Braunkohleförderung eine wirtschaftlich und umweltverträglich zukunftsfähige Energieversorgung aufzubauen“ sagt Axel Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg. Dieses Ziel ist für das Land Brandenburg schon in naher Zukunft erreichbar. 53% der hier erzeugten Strommenge wurden 2004 exportiert. Bei einem vorgesehenen Anteil der erneuerbaren Energien am Brandenburger Stromhaushalt von 34% für 2020 könnte demnach schon in zwölf Jahren fast der gesamte Strombedarf Brandenburgs aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Eine zusätzliche Steigerung der Stromproduktion mit Braunkohle macht also nur dann Sinn, wenn der überschüssige Strom von Vattenfall gewinnbringend in andere Länder verkauft wird. Warum Brandenburg dafür die Rechnung zahlen soll bleibt offen.

Mehr Infos: www.keine-neuen-tagebaue.de